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Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.

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Nachdenken über die Tugend etc.
sung zum Streite mit meinen Brüdern und zur
Trennung von ihnen: mir soll es Lebensregel
und Lebenskraft seyn, mich soll es unterrichten
und führen, reinigen und bessern, stärken und
trösten, mir soll es meine Bestimmung auf-
klären, und mir dieselbe gewisser und völliger
erreichen helfen.

Auch über die Tugend und über das
Laster
und ihre Folgen, als über die vor-
nehmsten Quellen unsrer Vollkommenheit oder
unsrer Unvollkommenheit, unsrer Glückseligkeit
oder unsers Elendes, müssen wir oft nachden-
ken; sie oft mit einander vergleichen, ihre ge-
wöhnlichen und natürlichen und ihre zufälligen
Wirkungen, ihre äußere Gestalt und ihre in-
nere Beschaffenheit wohl von einander unter-
scheiden, und beydes sorgfältig gegen einander
abwiegen.

Da müssen wir oft bey uns selbst denken:
welches von beyden ist schöner, besser, meiner
Natur und meiner Bestimmung angemessener,
Lügen oder Wahrheit, Ordnung oder Ver-
wirrung, Ruhe oder Unruhe, Sicherheit oder
Gefahr? Und sind nicht jenes die Früchte der
Tugend, und dieses die Folgen des Lasters?
Was kann mir den Mangel der Tugend er-

setzen,

Nachdenken über die Tugend ꝛc.
ſung zum Streite mit meinen Brüdern und zur
Trennung von ihnen: mir ſoll es Lebensregel
und Lebenskraft ſeyn, mich ſoll es unterrichten
und führen, reinigen und beſſern, ſtärken und
tröſten, mir ſoll es meine Beſtimmung auf-
klären, und mir dieſelbe gewiſſer und völliger
erreichen helfen.

Auch über die Tugend und über das
Laſter
und ihre Folgen, als über die vor-
nehmſten Quellen unſrer Vollkommenheit oder
unſrer Unvollkommenheit, unſrer Glückſeligkeit
oder unſers Elendes, müſſen wir oft nachden-
ken; ſie oft mit einander vergleichen, ihre ge-
wöhnlichen und natürlichen und ihre zufälligen
Wirkungen, ihre äußere Geſtalt und ihre in-
nere Beſchaffenheit wohl von einander unter-
ſcheiden, und beydes ſorgfältig gegen einander
abwiegen.

Da müſſen wir oft bey uns ſelbſt denken:
welches von beyden iſt ſchöner, beſſer, meiner
Natur und meiner Beſtimmung angemeſſener,
Lügen oder Wahrheit, Ordnung oder Ver-
wirrung, Ruhe oder Unruhe, Sicherheit oder
Gefahr? Und ſind nicht jenes die Früchte der
Tugend, und dieſes die Folgen des Laſters?
Was kann mir den Mangel der Tugend er-

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[47/0069] Nachdenken über die Tugend ꝛc. ſung zum Streite mit meinen Brüdern und zur Trennung von ihnen: mir ſoll es Lebensregel und Lebenskraft ſeyn, mich ſoll es unterrichten und führen, reinigen und beſſern, ſtärken und tröſten, mir ſoll es meine Beſtimmung auf- klären, und mir dieſelbe gewiſſer und völliger erreichen helfen. Auch über die Tugend und über das Laſter und ihre Folgen, als über die vor- nehmſten Quellen unſrer Vollkommenheit oder unſrer Unvollkommenheit, unſrer Glückſeligkeit oder unſers Elendes, müſſen wir oft nachden- ken; ſie oft mit einander vergleichen, ihre ge- wöhnlichen und natürlichen und ihre zufälligen Wirkungen, ihre äußere Geſtalt und ihre in- nere Beſchaffenheit wohl von einander unter- ſcheiden, und beydes ſorgfältig gegen einander abwiegen. Da müſſen wir oft bey uns ſelbſt denken: welches von beyden iſt ſchöner, beſſer, meiner Natur und meiner Beſtimmung angemeſſener, Lügen oder Wahrheit, Ordnung oder Ver- wirrung, Ruhe oder Unruhe, Sicherheit oder Gefahr? Und ſind nicht jenes die Früchte der Tugend, und dieſes die Folgen des Laſters? Was kann mir den Mangel der Tugend er- ſetzen,

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Zitationshilfe: Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/69>, abgerufen am 27.08.2024.