Was wären wir, was wäre die ganze Welt ohne Gott? Welch ein verwirrtes Chaos bey der scheinbarsten Ordnung! Wie räthselhaft für unsern Verstand! Wie freudenlos, wie traurig für unser Herz! Wo ist denn ein Gedanke, der unsern Geist würdiger beschäfftigen könnte, der unser aufmerksamstes Nachdenken mehr ver- diente, als der Gedanke von Gott? Welcher von allen verbreitet mehr Licht in unserm Ver- stande, und mehr Ruhe und Zufriedenheit in unserm Herzen; welcher ist mit allem, was wir sind und thun und sehen und hoffen, mannich- faltiger und inniger verbunden; welcher ist un- erschöpflicher an Erkenntniß und Freude, als dieser große, selige, alle Wahrheit, alle Weis- heit, den Grund aller Dinge umfassende Ge- danke!
Freylich läßt er uns Tiefen erblicken, die wir nicht ergründen können und nie ergründen werden; aber auch unbegrenzte Aussichten auf alles, was schön und gut, was groß und vor- trefflich, was verehrungs- und liebenswürdig ist. Freylich finden wir hier Schranken, die wir nie zu überschreiten vermögen; aber auch zwischen denselben lichtvolle, reizende Pfade zu immer größerer Erkenntniß, zu immer höherer
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Nachdenken über Gott ꝛc.
Was wären wir, was wäre die ganze Welt ohne Gott? Welch ein verwirrtes Chaos bey der ſcheinbarſten Ordnung! Wie räthſelhaft für unſern Verſtand! Wie freudenlos, wie traurig für unſer Herz! Wo iſt denn ein Gedanke, der unſern Geiſt würdiger beſchäfftigen könnte, der unſer aufmerkſamſtes Nachdenken mehr ver- diente, als der Gedanke von Gott? Welcher von allen verbreitet mehr Licht in unſerm Ver- ſtande, und mehr Ruhe und Zufriedenheit in unſerm Herzen; welcher iſt mit allem, was wir ſind und thun und ſehen und hoffen, mannich- faltiger und inniger verbunden; welcher iſt un- erſchöpflicher an Erkenntniß und Freude, als dieſer große, ſelige, alle Wahrheit, alle Weis- heit, den Grund aller Dinge umfaſſende Ge- danke!
Freylich läßt er uns Tiefen erblicken, die wir nicht ergründen können und nie ergründen werden; aber auch unbegrenzte Ausſichten auf alles, was ſchön und gut, was groß und vor- trefflich, was verehrungs- und liebenswürdig iſt. Freylich finden wir hier Schranken, die wir nie zu überſchreiten vermögen; aber auch zwiſchen denſelben lichtvolle, reizende Pfade zu immer größerer Erkenntniß, zu immer höherer
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Nachdenken über Gott ꝛc.
Was wären wir, was wäre die ganze Welt
ohne Gott? Welch ein verwirrtes Chaos bey
der ſcheinbarſten Ordnung! Wie räthſelhaft für
unſern Verſtand! Wie freudenlos, wie traurig
für unſer Herz! Wo iſt denn ein Gedanke, der
unſern Geiſt würdiger beſchäfftigen könnte, der
unſer aufmerkſamſtes Nachdenken mehr ver-
diente, als der Gedanke von Gott? Welcher
von allen verbreitet mehr Licht in unſerm Ver-
ſtande, und mehr Ruhe und Zufriedenheit in
unſerm Herzen; welcher iſt mit allem, was wir
ſind und thun und ſehen und hoffen, mannich-
faltiger und inniger verbunden; welcher iſt un-
erſchöpflicher an Erkenntniß und Freude, als
dieſer große, ſelige, alle Wahrheit, alle Weis-
heit, den Grund aller Dinge umfaſſende Ge-
danke!
Freylich läßt er uns Tiefen erblicken, die
wir nicht ergründen können und nie ergründen
werden; aber auch unbegrenzte Ausſichten auf
alles, was ſchön und gut, was groß und vor-
trefflich, was verehrungs- und liebenswürdig
iſt. Freylich finden wir hier Schranken, die
wir nie zu überſchreiten vermögen; aber auch
zwiſchen denſelben lichtvolle, reizende Pfade zu
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Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/58>, abgerufen am 23.07.2024.
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