Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Nachdenken über sich selbst.
ganz andern Natur und Beschaffenheit ist, als
die äußern, hinfälligen Dinge, mit welchen es
itzt in Verbindung steht? Wirket nicht mein
Geist nach ganz andern Gesetzen, als mein Kör-
per, oder jeder andere Körper, den ich kenne?
Wirket er nicht weit freyer, ganz anders als
dasjenige, was die Thiere beseelet, und ihre
Bewegungen und Handlungen bestimmt? Kann
er nicht jedem sinnlichen Triebe, jedem äußern
Eindruck und Anstoße widerstehen? Hat er
nicht die Gabe der Besonnenheit, die nicht nur
keine mechanische Kraft, sondern auch keinem
Thiere des Feldes eigen ist? Kann er nicht sich
selbst von allem, was außer ihm ist, unterschei-
den? Kann er nicht auf das Vergangene zu-
rück, und in die Zukunft hinaussehen, und bey-
des mit dem Gegenwärtigen verbinden? Und
wie weit erhebt mich nicht dieses alles über die
ganze leblose und unvernünftige Schöpfung!
Wie viel näher bringt es mich meinem Schö-
pfer und Vater!

Ja, ich trage sein Bild an mir, ich bin gött-
lichen Geschlechts, bin einer immer zunehmen-
den Vollkommenheit fähig. Dieses Leben kann
nicht meine ganze, meine einzige Bestimmung;
es kann nur die erste, die niedrigste Stufe mei-

nes
Erster Theil. C

Nachdenken über ſich ſelbſt.
ganz andern Natur und Beſchaffenheit iſt, als
die äußern, hinfälligen Dinge, mit welchen es
itzt in Verbindung ſteht? Wirket nicht mein
Geiſt nach ganz andern Geſetzen, als mein Kör-
per, oder jeder andere Körper, den ich kenne?
Wirket er nicht weit freyer, ganz anders als
dasjenige, was die Thiere beſeelet, und ihre
Bewegungen und Handlungen beſtimmt? Kann
er nicht jedem ſinnlichen Triebe, jedem äußern
Eindruck und Anſtoße widerſtehen? Hat er
nicht die Gabe der Beſonnenheit, die nicht nur
keine mechaniſche Kraft, ſondern auch keinem
Thiere des Feldes eigen iſt? Kann er nicht ſich
ſelbſt von allem, was außer ihm iſt, unterſchei-
den? Kann er nicht auf das Vergangene zu-
rück, und in die Zukunft hinausſehen, und bey-
des mit dem Gegenwärtigen verbinden? Und
wie weit erhebt mich nicht dieſes alles über die
ganze lebloſe und unvernünftige Schöpfung!
Wie viel näher bringt es mich meinem Schö-
pfer und Vater!

Ja, ich trage ſein Bild an mir, ich bin gött-
lichen Geſchlechts, bin einer immer zunehmen-
den Vollkommenheit fähig. Dieſes Leben kann
nicht meine ganze, meine einzige Beſtimmung;
es kann nur die erſte, die niedrigſte Stufe mei-

nes
Erſter Theil. C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0055" n="33"/><fw place="top" type="header">Nachdenken über &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t.</fw><lb/>
ganz andern Natur und Be&#x017F;chaffenheit i&#x017F;t, als<lb/>
die äußern, hinfälligen Dinge, mit welchen es<lb/>
itzt in Verbindung &#x017F;teht? Wirket nicht mein<lb/>
Gei&#x017F;t nach ganz andern Ge&#x017F;etzen, als mein Kör-<lb/>
per, oder jeder andere Körper, den ich kenne?<lb/>
Wirket er nicht weit freyer, ganz anders als<lb/>
dasjenige, was die Thiere be&#x017F;eelet, und ihre<lb/>
Bewegungen und Handlungen be&#x017F;timmt? Kann<lb/>
er nicht jedem &#x017F;innlichen Triebe, jedem äußern<lb/>
Eindruck und An&#x017F;toße wider&#x017F;tehen? Hat er<lb/>
nicht die Gabe der Be&#x017F;onnenheit, die nicht nur<lb/>
keine mechani&#x017F;che Kraft, &#x017F;ondern auch keinem<lb/>
Thiere des Feldes eigen i&#x017F;t? Kann er nicht &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t von allem, was außer ihm i&#x017F;t, unter&#x017F;chei-<lb/>
den? Kann er nicht auf das Vergangene zu-<lb/>
rück, und in die Zukunft hinaus&#x017F;ehen, und bey-<lb/>
des mit dem Gegenwärtigen verbinden? Und<lb/>
wie weit erhebt mich nicht die&#x017F;es alles über die<lb/>
ganze leblo&#x017F;e und unvernünftige Schöpfung!<lb/>
Wie viel näher bringt es mich meinem Schö-<lb/>
pfer und Vater!</p><lb/>
          <p>Ja, ich trage &#x017F;ein Bild an mir, ich bin gött-<lb/>
lichen Ge&#x017F;chlechts, bin einer immer zunehmen-<lb/>
den Vollkommenheit fähig. Die&#x017F;es Leben kann<lb/>
nicht meine ganze, meine einzige Be&#x017F;timmung;<lb/>
es kann nur die er&#x017F;te, die niedrig&#x017F;te Stufe mei-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Er&#x017F;ter Theil.</hi> C</fw><fw place="bottom" type="catch">nes</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0055] Nachdenken über ſich ſelbſt. ganz andern Natur und Beſchaffenheit iſt, als die äußern, hinfälligen Dinge, mit welchen es itzt in Verbindung ſteht? Wirket nicht mein Geiſt nach ganz andern Geſetzen, als mein Kör- per, oder jeder andere Körper, den ich kenne? Wirket er nicht weit freyer, ganz anders als dasjenige, was die Thiere beſeelet, und ihre Bewegungen und Handlungen beſtimmt? Kann er nicht jedem ſinnlichen Triebe, jedem äußern Eindruck und Anſtoße widerſtehen? Hat er nicht die Gabe der Beſonnenheit, die nicht nur keine mechaniſche Kraft, ſondern auch keinem Thiere des Feldes eigen iſt? Kann er nicht ſich ſelbſt von allem, was außer ihm iſt, unterſchei- den? Kann er nicht auf das Vergangene zu- rück, und in die Zukunft hinausſehen, und bey- des mit dem Gegenwärtigen verbinden? Und wie weit erhebt mich nicht dieſes alles über die ganze lebloſe und unvernünftige Schöpfung! Wie viel näher bringt es mich meinem Schö- pfer und Vater! Ja, ich trage ſein Bild an mir, ich bin gött- lichen Geſchlechts, bin einer immer zunehmen- den Vollkommenheit fähig. Dieſes Leben kann nicht meine ganze, meine einzige Beſtimmung; es kann nur die erſte, die niedrigſte Stufe mei- nes Erſter Theil. C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/55
Zitationshilfe: Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/55>, abgerufen am 23.07.2024.