Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.Nachdenken über sich selbst. sich. Welche Ordnung, welche innige Gemein-schaft herrschet nicht zwischen allen, selbst den kleinsten, Theilen meines Körpers! Welche Kunst, welche Absichten, welches Bestreben und welche Geschicklichkeit, diese Absichten zu erreichen, zeigen sich nicht in denselben! Und was kann ich nicht alles denken, empfinden, wollen, wirken, thun! Welcher Geschäffte, wel- cher Vergnügungen, welcher Vervollkomm- nung bin ich nicht fähig! Wo ist wohl die äus- serste Grenze meiner Erkenntniß, meiner Wirk- samkeit, meiner Glückseligkeit? Was haben nicht Menschen, wie ich bin, gedacht, erfun- den, gethan, unternommen, ausgerichtet! Wie oft fühle ich nicht Anlagen und Kräfte in mir, die mich über das Gegenwärtige erheben, und mich in der fernen Zukunft höheres Leben und edlere Wirksamkeit ahnden lassen! Freylich ist mein Körper aus Staub ge- ganz
Nachdenken über ſich ſelbſt. ſich. Welche Ordnung, welche innige Gemein-ſchaft herrſchet nicht zwiſchen allen, ſelbſt den kleinſten, Theilen meines Körpers! Welche Kunſt, welche Abſichten, welches Beſtreben und welche Geſchicklichkeit, dieſe Abſichten zu erreichen, zeigen ſich nicht in denſelben! Und was kann ich nicht alles denken, empfinden, wollen, wirken, thun! Welcher Geſchäffte, wel- cher Vergnügungen, welcher Vervollkomm- nung bin ich nicht fähig! Wo iſt wohl die äuſ- ſerſte Grenze meiner Erkenntniß, meiner Wirk- ſamkeit, meiner Glückſeligkeit? Was haben nicht Menſchen, wie ich bin, gedacht, erfun- den, gethan, unternommen, ausgerichtet! Wie oft fühle ich nicht Anlagen und Kräfte in mir, die mich über das Gegenwärtige erheben, und mich in der fernen Zukunft höheres Leben und edlere Wirkſamkeit ahnden laſſen! Freylich iſt mein Körper aus Staub ge- ganz
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Nachdenken über ſich ſelbſt.
ſich. Welche Ordnung, welche innige Gemein-
ſchaft herrſchet nicht zwiſchen allen, ſelbſt den
kleinſten, Theilen meines Körpers! Welche
Kunſt, welche Abſichten, welches Beſtreben
und welche Geſchicklichkeit, dieſe Abſichten zu
erreichen, zeigen ſich nicht in denſelben! Und
was kann ich nicht alles denken, empfinden,
wollen, wirken, thun! Welcher Geſchäffte, wel-
cher Vergnügungen, welcher Vervollkomm-
nung bin ich nicht fähig! Wo iſt wohl die äuſ-
ſerſte Grenze meiner Erkenntniß, meiner Wirk-
ſamkeit, meiner Glückſeligkeit? Was haben
nicht Menſchen, wie ich bin, gedacht, erfun-
den, gethan, unternommen, ausgerichtet! Wie
oft fühle ich nicht Anlagen und Kräfte in mir,
die mich über das Gegenwärtige erheben, und
mich in der fernen Zukunft höheres Leben und
edlere Wirkſamkeit ahnden laſſen!
Freylich iſt mein Körper aus Staub ge-
bildet, und wird wieder in Staub aufgelöſet
werden. Aber bin ich denn ganz Staub? ganz
vergänglich? Jſt nicht etwas in mir, das ſich
weit über den Staub erhebt, das ſich weit
über alles Jrrdiſche und Sichtbare, das ſich
bis zur erſten Urſache aller Dinge, bis zur
Gottheit empor ſchwingt, und das von einer
ganz
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