Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.Was heißt nachdenken? ten giebt mir das wohl? wozu hat denn wohlGott seine Geschöpfe bestimmt? Sollte er wohl irgend eines zu einem immerwährenden Elende bestimmt haben? Sollte er wohl irgend eines um solcher Mängel willen strafen, an welchen es nicht schuld ist, oder ihm dieselben nie vergü- ten? wie könnte er da noch die Liebe selbst seyn? Was wird er wohl ferner von seinen Ge- schöpfen fordern? wird er wohl unmögliche Dinge, Dinge, die über ihre Kräfte erhaben sind, von ihnen fordern? Läßt sich das mit der höchsten Güte vereinbaren? Was dürfen end- lich wohl seine Geschöpfe von ihm erwarten? Dürfen sie nicht alle die größte Glückseligkeit von ihm erwarten, deren sie fähig sind? Kann eine allmächtige Güte weniger als dieses thun? Doch wir wollen uns die Beschäfftigungen was A 5
Was heißt nachdenken? ten giebt mir das wohl? wozu hat denn wohlGott ſeine Geſchöpfe beſtimmt? Sollte er wohl irgend eines zu einem immerwährenden Elende beſtimmt haben? Sollte er wohl irgend eines um ſolcher Mängel willen ſtrafen, an welchen es nicht ſchuld iſt, oder ihm dieſelben nie vergü- ten? wie könnte er da noch die Liebe ſelbſt ſeyn? Was wird er wohl ferner von ſeinen Ge- ſchöpfen fordern? wird er wohl unmögliche Dinge, Dinge, die über ihre Kräfte erhaben ſind, von ihnen fordern? Läßt ſich das mit der höchſten Güte vereinbaren? Was dürfen end- lich wohl ſeine Geſchöpfe von ihm erwarten? Dürfen ſie nicht alle die größte Glückſeligkeit von ihm erwarten, deren ſie fähig ſind? Kann eine allmächtige Güte weniger als dieſes thun? Doch wir wollen uns die Beſchäfftigungen was A 5
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Was heißt nachdenken?
ten giebt mir das wohl? wozu hat denn wohl
Gott ſeine Geſchöpfe beſtimmt? Sollte er wohl
irgend eines zu einem immerwährenden Elende
beſtimmt haben? Sollte er wohl irgend eines um
ſolcher Mängel willen ſtrafen, an welchen es
nicht ſchuld iſt, oder ihm dieſelben nie vergü-
ten? wie könnte er da noch die Liebe ſelbſt
ſeyn? Was wird er wohl ferner von ſeinen Ge-
ſchöpfen fordern? wird er wohl unmögliche
Dinge, Dinge, die über ihre Kräfte erhaben
ſind, von ihnen fordern? Läßt ſich das mit der
höchſten Güte vereinbaren? Was dürfen end-
lich wohl ſeine Geſchöpfe von ihm erwarten?
Dürfen ſie nicht alle die größte Glückſeligkeit
von ihm erwarten, deren ſie fähig ſind? Kann
eine allmächtige Güte weniger als dieſes thun?
Doch wir wollen uns die Beſchäfftigungen
des menſchlichen Geiſtes, der über etwas, und
insbeſondere über moraliſche und Religionsſa-
chen nachdenket, noch beſtimmter und deutli-
cher vorzuſtellen ſuchen. Sein Nachdenken
hat gemeiniglich die Unterſuchung einiger oder
aller folgenden Fragen zum Gegenſtande und
zur Abſicht: was iſt dieſe Sache und wie iſt
ſie beſchaffen? Was folget daraus? Iſt das
wahr und gewiß, und warum iſt es ſo? In
was
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