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Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.

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Wider die Trägheit.
erndten hoffen, da er nichts, oder so wenig,
oder wohl gar schädlichen Saamen ausge-
säet hat?

Und wenn ich Hausvater (Hausmutter)
bin, welch ein verderbliches Beyspiel gebe ich
nicht meinen Kindern, meinen Hausgenossen,
wenn ich die Arbeit scheue, oder dieselbe nach-
läßig und mit Verdrossenheit wahrnehme!
Wird sich nicht alles, was mich umgiebt, mehr
oder weniger nach mir bilden, und in meinen
Fehlern die Entschuldigung und Rechtfertigung
der ihrigen suchen?

Kann endlich wohl die Trägheit mit einem
edlen Sinne, mit einem Gott und die Men-
schen liebenden Herzen bestehen? Kann sie mit
dem Charakter eines Christen bestehen, der so
gern für andre sorget, arbeitet, leidet, sich auf-
opfert? Eines Christen, der sich nicht mit ei-
nem von Verbrechen freyen Wandel, nicht mit
gemeinen Tugenden befriedigen, sondern sich
von andern auszeichnen, ihnen vorleuchten und
vorgehen, und nach immer größerer Vollkom-
menheit streben soll? Eines Christen, der ein
Nachfolger des Jesu ist, der es für seine Speise,
für sein Vergnügen hielt, den Willen Gottes,
seines Vaters, zu thun, und dessen beständiger

Grund-

Wider die Trägheit.
erndten hoffen, da er nichts, oder ſo wenig,
oder wohl gar ſchädlichen Saamen ausge-
ſäet hat?

Und wenn ich Hausvater (Hausmutter)
bin, welch ein verderbliches Beyſpiel gebe ich
nicht meinen Kindern, meinen Hausgenoſſen,
wenn ich die Arbeit ſcheue, oder dieſelbe nach-
läßig und mit Verdroſſenheit wahrnehme!
Wird ſich nicht alles, was mich umgiebt, mehr
oder weniger nach mir bilden, und in meinen
Fehlern die Entſchuldigung und Rechtfertigung
der ihrigen ſuchen?

Kann endlich wohl die Trägheit mit einem
edlen Sinne, mit einem Gott und die Men-
ſchen liebenden Herzen beſtehen? Kann ſie mit
dem Charakter eines Chriſten beſtehen, der ſo
gern für andre ſorget, arbeitet, leidet, ſich auf-
opfert? Eines Chriſten, der ſich nicht mit ei-
nem von Verbrechen freyen Wandel, nicht mit
gemeinen Tugenden befriedigen, ſondern ſich
von andern auszeichnen, ihnen vorleuchten und
vorgehen, und nach immer größerer Vollkom-
menheit ſtreben ſoll? Eines Chriſten, der ein
Nachfolger des Jeſu iſt, der es für ſeine Speiſe,
für ſein Vergnügen hielt, den Willen Gottes,
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Grund-
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[264/0286] Wider die Trägheit. erndten hoffen, da er nichts, oder ſo wenig, oder wohl gar ſchädlichen Saamen ausge- ſäet hat? Und wenn ich Hausvater (Hausmutter) bin, welch ein verderbliches Beyſpiel gebe ich nicht meinen Kindern, meinen Hausgenoſſen, wenn ich die Arbeit ſcheue, oder dieſelbe nach- läßig und mit Verdroſſenheit wahrnehme! Wird ſich nicht alles, was mich umgiebt, mehr oder weniger nach mir bilden, und in meinen Fehlern die Entſchuldigung und Rechtfertigung der ihrigen ſuchen? Kann endlich wohl die Trägheit mit einem edlen Sinne, mit einem Gott und die Men- ſchen liebenden Herzen beſtehen? Kann ſie mit dem Charakter eines Chriſten beſtehen, der ſo gern für andre ſorget, arbeitet, leidet, ſich auf- opfert? Eines Chriſten, der ſich nicht mit ei- nem von Verbrechen freyen Wandel, nicht mit gemeinen Tugenden befriedigen, ſondern ſich von andern auszeichnen, ihnen vorleuchten und vorgehen, und nach immer größerer Vollkom- menheit ſtreben ſoll? Eines Chriſten, der ein Nachfolger des Jeſu iſt, der es für ſeine Speiſe, für ſein Vergnügen hielt, den Willen Gottes, ſeines Vaters, zu thun, und deſſen beſtändiger Grund-

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Zitationshilfe: Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/286>, abgerufen am 02.10.2024.