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Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.

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X.
Pflichten nach den verschiedenen Ver-
hältnissen des Menschen.
Des Morgens.

Mannichfaltig und groß, o Gott, sind die
Pflichten, zu welchen ich wieder erwache;
aber mannichfaltig und groß sind auch die
Kräfte und Mittel, die du mir zur Erfüllung
derselben schenkest. Ich bin ein Mensch, ein
Christ, ein Bürger, ein Hausvater, ein Freund,
ein Erbe der Unsterblichkeit. Was kann, was
soll ich nicht als ein solcher alles seyn, und thun
und leisten! Was kann ich je denken, oder wol-
len, oder reden, oder thun, das nicht in Rück-
sicht auf irgend eines dieser Verhältnisse gut
oder böse, schicklich oder unschicklich, gemein-
nützlich oder gemeinschädlich wäre.

Als Mensch soll ich die Vorzüge, mit wel-
chen du mich vor den Thieren des Feldes be-
gabt hast, behaupten, mich selbst beherrschen,
meine Sinnlichkeit bezwingen, meine Geistes-
kräfte, Vernunft und Freyheit, anbauen und
gebrauchen, die Ehre und das Wohl der Mensch-
heit so viel möglich befördern, und so dein Bild

immer
N 2


X.
Pflichten nach den verſchiedenen Ver-
hältniſſen des Menſchen.
Des Morgens.

Mannichfaltig und groß, o Gott, ſind die
Pflichten, zu welchen ich wieder erwache;
aber mannichfaltig und groß ſind auch die
Kräfte und Mittel, die du mir zur Erfüllung
derſelben ſchenkeſt. Ich bin ein Menſch, ein
Chriſt, ein Bürger, ein Hausvater, ein Freund,
ein Erbe der Unſterblichkeit. Was kann, was
ſoll ich nicht als ein ſolcher alles ſeyn, und thun
und leiſten! Was kann ich je denken, oder wol-
len, oder reden, oder thun, das nicht in Rück-
ſicht auf irgend eines dieſer Verhältniſſe gut
oder böſe, ſchicklich oder unſchicklich, gemein-
nützlich oder gemeinſchädlich wäre.

Als Menſch ſoll ich die Vorzüge, mit wel-
chen du mich vor den Thieren des Feldes be-
gabt haſt, behaupten, mich ſelbſt beherrſchen,
meine Sinnlichkeit bezwingen, meine Geiſtes-
kräfte, Vernunft und Freyheit, anbauen und
gebrauchen, die Ehre und das Wohl der Menſch-
heit ſo viel möglich befördern, und ſo dein Bild

immer
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[195/0217] X. Pflichten nach den verſchiedenen Ver- hältniſſen des Menſchen. Des Morgens. Mannichfaltig und groß, o Gott, ſind die Pflichten, zu welchen ich wieder erwache; aber mannichfaltig und groß ſind auch die Kräfte und Mittel, die du mir zur Erfüllung derſelben ſchenkeſt. Ich bin ein Menſch, ein Chriſt, ein Bürger, ein Hausvater, ein Freund, ein Erbe der Unſterblichkeit. Was kann, was ſoll ich nicht als ein ſolcher alles ſeyn, und thun und leiſten! Was kann ich je denken, oder wol- len, oder reden, oder thun, das nicht in Rück- ſicht auf irgend eines dieſer Verhältniſſe gut oder böſe, ſchicklich oder unſchicklich, gemein- nützlich oder gemeinſchädlich wäre. Als Menſch ſoll ich die Vorzüge, mit wel- chen du mich vor den Thieren des Feldes be- gabt haſt, behaupten, mich ſelbſt beherrſchen, meine Sinnlichkeit bezwingen, meine Geiſtes- kräfte, Vernunft und Freyheit, anbauen und gebrauchen, die Ehre und das Wohl der Menſch- heit ſo viel möglich befördern, und ſo dein Bild immer N 2

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Zitationshilfe: Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/217>, abgerufen am 22.11.2024.