Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite
Anwendung des Vorigen.

Und mir sollte nicht jeder Tag wichtig seyn?
Ich sollte irgend Einen gedankenlos und leicht-
sinnig vertändeln oder verträumen, ohne daß
ich mir von der Anwendung desselben Rechen-
schaft geben könnte? Ich sollte nicht einen je-
den so zuzubringen mich bemühen, daß ich mich
desselben nicht schämen und seinen Verlust nicht
bereuen dürfte, wenn es auch der letzte seyn
sollte? Ich sollte nicht stets von dem Werthe
und der Kostbarkeit der Zeit eben so urtheilen,
wie ich früher oder später, heute oder morgen,
gewiß davon urtheilen werde, wenn sie ihrem
Ende nahe, oder gänzlich verschwinden ist?
Ich sollte nicht wirken, so lange es Tag ist,
ehe denn die Nacht kommt, da niemand wir-
ken kann?

Hat aber wohl der Gedanke von der Wich-
tigkeit jedes Tages Einfluß in mein heutiges
Verhalten gehabt? Hat er mich vorsichtig und
behutsam gemacht? Habe ich dich, den Schö-
pfer und Vater meines Lebens, stets vor Au-
gen gehabt, und in allem auf deinen Willen
gesehen? Habe ich oft an meine Bestimmung,
und an die genaue Verbindung des Gegenwär-
tigen mit dem Zukünftigen gedacht? Habe ich
nicht blos auf die unmittelbaren und nächsten,

sondern
J 2
Anwendung des Vorigen.

Und mir ſollte nicht jeder Tag wichtig ſeyn?
Ich ſollte irgend Einen gedankenlos und leicht-
ſinnig vertändeln oder verträumen, ohne daß
ich mir von der Anwendung deſſelben Rechen-
ſchaft geben könnte? Ich ſollte nicht einen je-
den ſo zuzubringen mich bemühen, daß ich mich
deſſelben nicht ſchämen und ſeinen Verluſt nicht
bereuen dürfte, wenn es auch der letzte ſeyn
ſollte? Ich ſollte nicht ſtets von dem Werthe
und der Koſtbarkeit der Zeit eben ſo urtheilen,
wie ich früher oder ſpäter, heute oder morgen,
gewiß davon urtheilen werde, wenn ſie ihrem
Ende nahe, oder gänzlich verſchwinden iſt?
Ich ſollte nicht wirken, ſo lange es Tag iſt,
ehe denn die Nacht kommt, da niemand wir-
ken kann?

Hat aber wohl der Gedanke von der Wich-
tigkeit jedes Tages Einfluß in mein heutiges
Verhalten gehabt? Hat er mich vorſichtig und
behutſam gemacht? Habe ich dich, den Schö-
pfer und Vater meines Lebens, ſtets vor Au-
gen gehabt, und in allem auf deinen Willen
geſehen? Habe ich oft an meine Beſtimmung,
und an die genaue Verbindung des Gegenwär-
tigen mit dem Zukünftigen gedacht? Habe ich
nicht blos auf die unmittelbaren und nächſten,

ſondern
J 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0153" n="131"/>
              <fw place="top" type="header">Anwendung des Vorigen.</fw><lb/>
              <p>Und mir &#x017F;ollte nicht jeder Tag wichtig &#x017F;eyn?<lb/>
Ich &#x017F;ollte irgend Einen gedankenlos und leicht-<lb/>
&#x017F;innig vertändeln oder verträumen, ohne daß<lb/>
ich mir von der Anwendung de&#x017F;&#x017F;elben Rechen-<lb/>
&#x017F;chaft geben könnte? Ich &#x017F;ollte nicht einen je-<lb/>
den &#x017F;o zuzubringen mich bemühen, daß ich mich<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben nicht &#x017F;chämen und &#x017F;einen Verlu&#x017F;t nicht<lb/>
bereuen dürfte, wenn es auch der letzte &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;ollte? Ich &#x017F;ollte nicht &#x017F;tets von dem Werthe<lb/>
und der Ko&#x017F;tbarkeit der Zeit eben &#x017F;o urtheilen,<lb/>
wie ich früher oder &#x017F;päter, heute oder morgen,<lb/>
gewiß davon urtheilen werde, wenn &#x017F;ie ihrem<lb/>
Ende nahe, oder gänzlich ver&#x017F;chwinden i&#x017F;t?<lb/>
Ich &#x017F;ollte nicht wirken, &#x017F;o lange es Tag i&#x017F;t,<lb/>
ehe denn die Nacht kommt, da niemand wir-<lb/>
ken kann?</p><lb/>
              <p>Hat aber wohl der Gedanke von der Wich-<lb/>
tigkeit jedes Tages Einfluß in mein heutiges<lb/>
Verhalten gehabt? Hat er mich vor&#x017F;ichtig und<lb/>
behut&#x017F;am gemacht? Habe ich dich, den Schö-<lb/>
pfer und Vater meines Lebens, &#x017F;tets vor Au-<lb/>
gen gehabt, und in allem auf deinen Willen<lb/>
ge&#x017F;ehen? Habe ich oft an meine Be&#x017F;timmung,<lb/>
und an die genaue Verbindung des Gegenwär-<lb/>
tigen mit dem Zukünftigen gedacht? Habe ich<lb/>
nicht blos auf die unmittelbaren und näch&#x017F;ten,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 2</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ondern</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0153] Anwendung des Vorigen. Und mir ſollte nicht jeder Tag wichtig ſeyn? Ich ſollte irgend Einen gedankenlos und leicht- ſinnig vertändeln oder verträumen, ohne daß ich mir von der Anwendung deſſelben Rechen- ſchaft geben könnte? Ich ſollte nicht einen je- den ſo zuzubringen mich bemühen, daß ich mich deſſelben nicht ſchämen und ſeinen Verluſt nicht bereuen dürfte, wenn es auch der letzte ſeyn ſollte? Ich ſollte nicht ſtets von dem Werthe und der Koſtbarkeit der Zeit eben ſo urtheilen, wie ich früher oder ſpäter, heute oder morgen, gewiß davon urtheilen werde, wenn ſie ihrem Ende nahe, oder gänzlich verſchwinden iſt? Ich ſollte nicht wirken, ſo lange es Tag iſt, ehe denn die Nacht kommt, da niemand wir- ken kann? Hat aber wohl der Gedanke von der Wich- tigkeit jedes Tages Einfluß in mein heutiges Verhalten gehabt? Hat er mich vorſichtig und behutſam gemacht? Habe ich dich, den Schö- pfer und Vater meines Lebens, ſtets vor Au- gen gehabt, und in allem auf deinen Willen geſehen? Habe ich oft an meine Beſtimmung, und an die genaue Verbindung des Gegenwär- tigen mit dem Zukünftigen gedacht? Habe ich nicht blos auf die unmittelbaren und nächſten, ſondern J 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/153
Zitationshilfe: Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/153>, abgerufen am 25.08.2024.