Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.Rücksicht Und ich insbesondere, was habe ich heute sichtba-
Rückſicht Und ich insbeſondere, was habe ich heute ſichtba-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0146" n="124"/> <fw place="top" type="header">Rückſicht</fw><lb/> <p>Und ich insbeſondere, was habe ich heute<lb/> Gutes oder Böſes gethan? — — Gott, du<lb/> erforſcheſt und prüfeſt mein Herz. Du ſiehſt,<lb/> ob ich auf dem rechten Wege wandele, oder<lb/> ob ich auf Abwege und Jrrwege gerathe! O<lb/> lehre mich, mich ſelbſt immer beſſer kennen, im-<lb/> mer richtiger beurtheilen, immer ſorgfältiger<lb/> über mich ſelbſt wachen, auf dem Pfade des<lb/> Lebens immer vorſichtiger wandeln, und ſo<lb/> meinem Ziele immer näher kommen. Je kür-<lb/> zer und ungewiſſer meine irrdiſche Laufbahn,<lb/> und je verſchiedener der Ausgang iſt, zu wel-<lb/> chem ſie führet; deſto wichtiger müſſe mir jeder<lb/> größere oder kleinere Abſchnitt derſelben, jeder<lb/> Tag meiner Pilgrimſchaft ſeyn. Gott, wie<lb/> viele Menſchen erreichen nicht täglich, wie viele<lb/> haben auch heute ihr Ziel erreicht! Und auf<lb/> welchen verſchiedenen Wegen, in welcher ver-<lb/> ſchiedenen Verfaſſung haben ſie nicht daſſelbe<lb/> erreicht! Mit welcher Zufriedenheit und Freu-<lb/> digkeit müſſen nun nicht die einen, und mit<lb/> welcher Schaam und Reue die andern auf ihre<lb/> Laufbahn zurückſehen! Wenn aber der Tod<lb/> täglich die Sterblichen bey vielen Tauſenden<lb/> und wieder tauſenden hinwegraffet, wie viele<lb/> andre betreten nicht täglich den Schauplatz der<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſichtba-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [124/0146]
Rückſicht
Und ich insbeſondere, was habe ich heute
Gutes oder Böſes gethan? — — Gott, du
erforſcheſt und prüfeſt mein Herz. Du ſiehſt,
ob ich auf dem rechten Wege wandele, oder
ob ich auf Abwege und Jrrwege gerathe! O
lehre mich, mich ſelbſt immer beſſer kennen, im-
mer richtiger beurtheilen, immer ſorgfältiger
über mich ſelbſt wachen, auf dem Pfade des
Lebens immer vorſichtiger wandeln, und ſo
meinem Ziele immer näher kommen. Je kür-
zer und ungewiſſer meine irrdiſche Laufbahn,
und je verſchiedener der Ausgang iſt, zu wel-
chem ſie führet; deſto wichtiger müſſe mir jeder
größere oder kleinere Abſchnitt derſelben, jeder
Tag meiner Pilgrimſchaft ſeyn. Gott, wie
viele Menſchen erreichen nicht täglich, wie viele
haben auch heute ihr Ziel erreicht! Und auf
welchen verſchiedenen Wegen, in welcher ver-
ſchiedenen Verfaſſung haben ſie nicht daſſelbe
erreicht! Mit welcher Zufriedenheit und Freu-
digkeit müſſen nun nicht die einen, und mit
welcher Schaam und Reue die andern auf ihre
Laufbahn zurückſehen! Wenn aber der Tod
täglich die Sterblichen bey vielen Tauſenden
und wieder tauſenden hinwegraffet, wie viele
andre betreten nicht täglich den Schauplatz der
ſichtba-
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