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Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.

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Allgemeines Gebet.
fähig sind. Freylich auf sehr mannichfaltigen
und verschiedenen Wegen; oft auf Wegen,
wo wir keinen Ausgang vor uns sehen, wo je-
der Schritt Gefahr zu seyn scheint; auf We-
gen, die wir, kurzsichtige Sterbliche, weder
für uns noch für andere wählen würden. Aber
deine Gedanken, o Gott, sind nicht unsre Ge-
danken, deine Wege sind nicht unsre Wege.
Deine Gedanken umfassen alle Zeiten und alle
Welten; deine Wege gehen weit über den Tod
und über das Grab hinaus, und verknüpfen
den Augenblick der Zeit mit der endlosen Dauer
der Ewigkeit. Das beruhiget mich über den
Zustand und die Schicksale aller meiner Brü-
der, so wie über meinen eignen Zustand und
über meine gegenwärtigen und zukünftigen
Schicksale. Das läßt mich für sie, wie für
mich, lauter Gutes, und stets das Beste von
dir erwarten. Auch dann, wenn lauter Dun-
kel vor mir ist, wenn ich lauter Klagen und
Seufzer um mich her höre, und kein Mittel
erblicke, Licht in jene Finsterniß zu bringen,
und diesen Trauerton in Freude zu verwan-
deln! Du bist unser aller Vater, und wirst es
ewig seyn! Mehr bedürfen wir, die wir hier
glauben lernen, und uns im Gehorsam und im

Ver-

Allgemeines Gebet.
fähig ſind. Freylich auf ſehr mannichfaltigen
und verſchiedenen Wegen; oft auf Wegen,
wo wir keinen Ausgang vor uns ſehen, wo je-
der Schritt Gefahr zu ſeyn ſcheint; auf We-
gen, die wir, kurzſichtige Sterbliche, weder
für uns noch für andere wählen würden. Aber
deine Gedanken, o Gott, ſind nicht unſre Ge-
danken, deine Wege ſind nicht unſre Wege.
Deine Gedanken umfaſſen alle Zeiten und alle
Welten; deine Wege gehen weit über den Tod
und über das Grab hinaus, und verknüpfen
den Augenblick der Zeit mit der endloſen Dauer
der Ewigkeit. Das beruhiget mich über den
Zuſtand und die Schickſale aller meiner Brü-
der, ſo wie über meinen eignen Zuſtand und
über meine gegenwärtigen und zukünftigen
Schickſale. Das läßt mich für ſie, wie für
mich, lauter Gutes, und ſtets das Beſte von
dir erwarten. Auch dann, wenn lauter Dun-
kel vor mir iſt, wenn ich lauter Klagen und
Seufzer um mich her höre, und kein Mittel
erblicke, Licht in jene Finſterniß zu bringen,
und dieſen Trauerton in Freude zu verwan-
deln! Du biſt unſer aller Vater, und wirſt es
ewig ſeyn! Mehr bedürfen wir, die wir hier
glauben lernen, und uns im Gehorſam und im

Ver-
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[102/0124] Allgemeines Gebet. fähig ſind. Freylich auf ſehr mannichfaltigen und verſchiedenen Wegen; oft auf Wegen, wo wir keinen Ausgang vor uns ſehen, wo je- der Schritt Gefahr zu ſeyn ſcheint; auf We- gen, die wir, kurzſichtige Sterbliche, weder für uns noch für andere wählen würden. Aber deine Gedanken, o Gott, ſind nicht unſre Ge- danken, deine Wege ſind nicht unſre Wege. Deine Gedanken umfaſſen alle Zeiten und alle Welten; deine Wege gehen weit über den Tod und über das Grab hinaus, und verknüpfen den Augenblick der Zeit mit der endloſen Dauer der Ewigkeit. Das beruhiget mich über den Zuſtand und die Schickſale aller meiner Brü- der, ſo wie über meinen eignen Zuſtand und über meine gegenwärtigen und zukünftigen Schickſale. Das läßt mich für ſie, wie für mich, lauter Gutes, und ſtets das Beſte von dir erwarten. Auch dann, wenn lauter Dun- kel vor mir iſt, wenn ich lauter Klagen und Seufzer um mich her höre, und kein Mittel erblicke, Licht in jene Finſterniß zu bringen, und dieſen Trauerton in Freude zu verwan- deln! Du biſt unſer aller Vater, und wirſt es ewig ſeyn! Mehr bedürfen wir, die wir hier glauben lernen, und uns im Gehorſam und im Ver-

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Zitationshilfe: Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/124>, abgerufen am 24.08.2024.