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Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.

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Vorrede.
tesliebe und Menschenliebe, die Liebe zu
allem, was wahr und schön und recht
und gut ist, das Uebergewicht über alle
andere Triebe und Neigungen haben;
die also zwar irren und fehlen, aber
nicht vorsetzlich sündigen, die wohl zu-
weilen verdrossen und träge im Guten,
aber doch nie ganz gleichgültig gegen
Pflicht und Tugend werden, und die,
wenn sie ja das Unglück haben, zuwei-
len zu sündigen, das heißt, die göttli-
chen Gesetze oder die Vorschriften ihres
Gewissens mit Wissen und Willen zu
übertreten, doch nur selten sich so weit
vergehen, und sobald sie dessen gewahr
werden, unverzüglich von ihren Jrrwe-
gen zurückkehren. Solchen gutgesinn-
ten
Christen kann ich also nicht täglich
Sündenbekenntnisse in den Mund legen;
solche Christen kann ich nicht als Men-
schen denken und reden lassen, deren Ge-
sinnungen und Neigungen verkehrt, de-
ren Handlungen böse sind, und die sich
immer wegen jener und dieser ängstigen
und fürchten müssen. So gewöhnlich
solche Vorstellungsarten in den meisten

Andachts-

Vorrede.
tesliebe und Menſchenliebe, die Liebe zu
allem, was wahr und ſchön und recht
und gut iſt, das Uebergewicht über alle
andere Triebe und Neigungen haben;
die alſo zwar irren und fehlen, aber
nicht vorſetzlich ſündigen, die wohl zu-
weilen verdroſſen und träge im Guten,
aber doch nie ganz gleichgültig gegen
Pflicht und Tugend werden, und die,
wenn ſie ja das Unglück haben, zuwei-
len zu ſündigen, das heißt, die göttli-
chen Geſetze oder die Vorſchriften ihres
Gewiſſens mit Wiſſen und Willen zu
übertreten, doch nur ſelten ſich ſo weit
vergehen, und ſobald ſie deſſen gewahr
werden, unverzüglich von ihren Jrrwe-
gen zurückkehren. Solchen gutgeſinn-
ten
Chriſten kann ich alſo nicht täglich
Sündenbekenntniſſe in den Mund legen;
ſolche Chriſten kann ich nicht als Men-
ſchen denken und reden laſſen, deren Ge-
ſinnungen und Neigungen verkehrt, de-
ren Handlungen böſe ſind, und die ſich
immer wegen jener und dieſer ängſtigen
und fürchten müſſen. So gewöhnlich
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[VI/0012] Vorrede. tesliebe und Menſchenliebe, die Liebe zu allem, was wahr und ſchön und recht und gut iſt, das Uebergewicht über alle andere Triebe und Neigungen haben; die alſo zwar irren und fehlen, aber nicht vorſetzlich ſündigen, die wohl zu- weilen verdroſſen und träge im Guten, aber doch nie ganz gleichgültig gegen Pflicht und Tugend werden, und die, wenn ſie ja das Unglück haben, zuwei- len zu ſündigen, das heißt, die göttli- chen Geſetze oder die Vorſchriften ihres Gewiſſens mit Wiſſen und Willen zu übertreten, doch nur ſelten ſich ſo weit vergehen, und ſobald ſie deſſen gewahr werden, unverzüglich von ihren Jrrwe- gen zurückkehren. Solchen gutgeſinn- ten Chriſten kann ich alſo nicht täglich Sündenbekenntniſſe in den Mund legen; ſolche Chriſten kann ich nicht als Men- ſchen denken und reden laſſen, deren Ge- ſinnungen und Neigungen verkehrt, de- ren Handlungen böſe ſind, und die ſich immer wegen jener und dieſer ängſtigen und fürchten müſſen. So gewöhnlich ſolche Vorſtellungsarten in den meiſten Andachts-

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Zitationshilfe: Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/12>, abgerufen am 24.11.2024.