der chinesischen und der biblischen Patriarchengeschichte, daß die erstere von so hohen Lebensaltern ihrer Helden wie die der biblischen Ma- krobier nichts meldet. Kainitische und sethitische Reminiscenzen scheinen in ihr ineinander zu spielen; dabei kehrt sich, bezeichnend für den werkheiligen und industriellen Nationalgeist des Chinesenthums, das Jnteresse ihrer Erzähler weit mehr der aufsteigenden Cultur- entwicklung zu, als der absteigenden Entwicklung in ethischer Hinsicht.
Die mongolischen und japanesischen Urgeschichtssagen mit ihren wild-naturalistischen Phantasien, worin die Himmelskörper Sonne und Mond sowie die vier oder fünf Elemente eine Haupt- rolle spielen, bieten geringere Anklänge an die heil. Schrift dar. Jmmerhin ist es bemerkenswerth, daß die Kalmücken vier Weltalter annehmen, das erste mit 80000jähriger Lebensdauer der in ihm lebenden und mit besonderer Heiligkeit begabten Menschen, jedes folgende dann kürzer, schlechter und mit geringeren Lebensaltern. Deßgleichen erscheint bei den Japanesen es als eine Berührung mit der biblischen Weltalterfolge, daß eine Reihe von sechs Geistern gelehrt wird, die im Processe des Weltwerdens (jeder 1--200 000 Millionen Jahre lang!) nacheinander geherrscht haben sollen, nemlich zuerst ein erhabener Himmelsgeist, der "Verehrungswürdige des ewigen Reichs," nach ihm dann ein Wassergeist, dann ein Feuergeist, hierauf ein Holzgeist, ein Metallgeist und ein Erdgeist, wonach dann Jsa-ma-gi gekommen sei, der Schöpfer der gegenwärtigen Welt mit den japanischen Jnseln und mit Sonne und Mond als ihren Beherrschern1). -- Vier Weltalter oder "Sonnen", den vier Ele- menten entsprechend, sollen die alten Mexikaner gelehrt haben. Jhr großes Weltjahr, nach Humboldts Berechnung 18,028 Jahre betragend, nach Andern freilich kürzer, zerfiel in die vier Zeitalter: Sonne des Wassers, bis zur Sintfluth; Sonne der Erde, bis zu einem großen, die alten Riesen vertilgenden Erdbeben; Sonne der Luft, bis zu einem das Menschengeschlecht hinwegfegenden ungeheuren
1)EbrardII, 294.
III. Die Traditionen des Heidenthums.
der chineſiſchen und der bibliſchen Patriarchengeſchichte, daß die erſtere von ſo hohen Lebensaltern ihrer Helden wie die der bibliſchen Ma- krobier nichts meldet. Kainitiſche und ſethitiſche Reminiſcenzen ſcheinen in ihr ineinander zu ſpielen; dabei kehrt ſich, bezeichnend für den werkheiligen und induſtriellen Nationalgeiſt des Chineſenthums, das Jntereſſe ihrer Erzähler weit mehr der aufſteigenden Cultur- entwicklung zu, als der abſteigenden Entwicklung in ethiſcher Hinſicht.
Die mongoliſchen und japaneſiſchen Urgeſchichtsſagen mit ihren wild-naturaliſtiſchen Phantaſien, worin die Himmelskörper Sonne und Mond ſowie die vier oder fünf Elemente eine Haupt- rolle ſpielen, bieten geringere Anklänge an die heil. Schrift dar. Jmmerhin iſt es bemerkenswerth, daß die Kalmücken vier Weltalter annehmen, das erſte mit 80000jähriger Lebensdauer der in ihm lebenden und mit beſonderer Heiligkeit begabten Menſchen, jedes folgende dann kürzer, ſchlechter und mit geringeren Lebensaltern. Deßgleichen erſcheint bei den Japaneſen es als eine Berührung mit der bibliſchen Weltalterfolge, daß eine Reihe von ſechs Geiſtern gelehrt wird, die im Proceſſe des Weltwerdens (jeder 1—200 000 Millionen Jahre lang!) nacheinander geherrſcht haben ſollen, nemlich zuerſt ein erhabener Himmelsgeiſt, der „Verehrungswürdige des ewigen Reichs,‟ nach ihm dann ein Waſſergeiſt, dann ein Feuergeiſt, hierauf ein Holzgeiſt, ein Metallgeiſt und ein Erdgeiſt, wonach dann Jſa-ma-gi gekommen ſei, der Schöpfer der gegenwärtigen Welt mit den japaniſchen Jnſeln und mit Sonne und Mond als ihren Beherrſchern1). — Vier Weltalter oder „Sonnen‟, den vier Ele- menten entſprechend, ſollen die alten Mexikaner gelehrt haben. Jhr großes Weltjahr, nach Humboldts Berechnung 18,028 Jahre betragend, nach Andern freilich kürzer, zerfiel in die vier Zeitalter: Sonne des Waſſers, bis zur Sintfluth; Sonne der Erde, bis zu einem großen, die alten Rieſen vertilgenden Erdbeben; Sonne der Luft, bis zu einem das Menſchengeſchlecht hinwegfegenden ungeheuren
1)EbrardII, 294.
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III. Die Traditionen des Heidenthums.
der chineſiſchen und der bibliſchen Patriarchengeſchichte, daß die erſtere
von ſo hohen Lebensaltern ihrer Helden wie die der bibliſchen Ma-
krobier nichts meldet. Kainitiſche und ſethitiſche Reminiſcenzen
ſcheinen in ihr ineinander zu ſpielen; dabei kehrt ſich, bezeichnend
für den werkheiligen und induſtriellen Nationalgeiſt des Chineſenthums,
das Jntereſſe ihrer Erzähler weit mehr der aufſteigenden Cultur-
entwicklung zu, als der abſteigenden Entwicklung in ethiſcher Hinſicht.
Die mongoliſchen und japaneſiſchen Urgeſchichtsſagen
mit ihren wild-naturaliſtiſchen Phantaſien, worin die Himmelskörper
Sonne und Mond ſowie die vier oder fünf Elemente eine Haupt-
rolle ſpielen, bieten geringere Anklänge an die heil. Schrift dar.
Jmmerhin iſt es bemerkenswerth, daß die Kalmücken vier Weltalter
annehmen, das erſte mit 80000jähriger Lebensdauer der in ihm
lebenden und mit beſonderer Heiligkeit begabten Menſchen, jedes
folgende dann kürzer, ſchlechter und mit geringeren Lebensaltern.
Deßgleichen erſcheint bei den Japaneſen es als eine Berührung mit
der bibliſchen Weltalterfolge, daß eine Reihe von ſechs Geiſtern
gelehrt wird, die im Proceſſe des Weltwerdens (jeder 1—200 000
Millionen Jahre lang!) nacheinander geherrſcht haben ſollen, nemlich
zuerſt ein erhabener Himmelsgeiſt, der „Verehrungswürdige des
ewigen Reichs,‟ nach ihm dann ein Waſſergeiſt, dann ein Feuergeiſt,
hierauf ein Holzgeiſt, ein Metallgeiſt und ein Erdgeiſt, wonach dann
Jſa-ma-gi gekommen ſei, der Schöpfer der gegenwärtigen Welt mit
den japaniſchen Jnſeln und mit Sonne und Mond als ihren
Beherrſchern 1). — Vier Weltalter oder „Sonnen‟, den vier Ele-
menten entſprechend, ſollen die alten Mexikaner gelehrt haben.
Jhr großes Weltjahr, nach Humboldts Berechnung 18,028 Jahre
betragend, nach Andern freilich kürzer, zerfiel in die vier Zeitalter:
Sonne des Waſſers, bis zur Sintfluth; Sonne der Erde, bis zu
einem großen, die alten Rieſen vertilgenden Erdbeben; Sonne der
Luft, bis zu einem das Menſchengeſchlecht hinwegfegenden ungeheuren
1) Ebrard II, 294.
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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/97>, abgerufen am 16.02.2025.
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