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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
eine schlechthinige Naturbedingtheit darstellt,1) würden wir in der
That hier weniger trauen, als wohlgesicherten historischen Exempeln,
falls nur solche in genügender Zahl erbracht werden könnten. Aber
gerade darum ist es recht dürftig bestellt, wie ein Blick auf das
immerhin uns noch näher liegende und, verglichen mit den überall
ins Fabelhafte verlaufenden Nachrichten von jenen Völkern des
Orients, relativ wohlbeglaubigte Gebiet der christlichen Heiligen-
und Mönchsgeschichte lehrt. Von ganz apokryphischen Legenden wie
die von den sieben Schläfern zu Ephesus (nach Gregor vom Tours
aus 197 jährigem Schlafe seit der Decianischen Christenverfolgung
gesund wieder erwacht 447!), oder die vom Cisterciensermönche Heron
in Gallizien um 1167, den ein von Gott gesandter lieblicher Vogel
300 Jahre lang in einer Einöde umhergeführt haben soll, um
ihm einen Begriff von der Ewigkeit zu geben,2) sehen wir selbst-
verständlich ganz ab, zumal dieselben kaum indirecterweise für die
Annahme einer lebenverlängernden Kraft des Ascetismus, bezw. des
Vegetarianismus verwerthet werden könnten. Halten wir uns an
bekannte und im Ganzen sicher bezeugte Beispiele aus der christlichen
Kirchen- und Mönchsgeschichte: was nehmen wir wahr? Die hart
arbeitenden Knechte im Weinberge Christi, soweit sie nicht durch
frühzeitigen Märtyrertod gleich Jakobus, Paulus, Petrus dahin

1) Moleschott, Physiologie der Nahrungsmittel (2. Aufl. Gießen 1859),
S. 231: "Der Mensch gehorcht also einer Naturbedingtheit, wenn er gemischte
Kost genießt." Die Natur habe ihn zum gleichzeitig carnivoren wie herbivoren
Wesen bestimmt; -- Erschwerung der Blutbereitung, Herabsinken des Körpers
zu bloßem Vegetiren, Ueberfüllung des Darmkanals mit ungelösten Stoffen, also
beständige Verstopfung, Trägheit und Unlust zum Arbeiten etc. seien die unaus-
bleiblichen Folgen einer Ernährung durch bloße Pflanzenkost etc. -- Daß andere
medicinisch-naturwissenschaftliche Autoritäten dieser Ansicht keineswegs in allen
Punkten zustimmen, s. unten.
2) Annales Cistercc., ad ann. 1167, cap. 7. -- Hieher könnten auch
die Fabeln mittelalterlicher Aerzte von der Kraft gewisser Elixire (nach Rog. Baco
in einem Falle mit der Wirkung einer Lebenverlängerung bis zu 900 Jahren)
u. dgl. m. gezogen werden.

VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
eine ſchlechthinige Naturbedingtheit darſtellt,1) würden wir in der
That hier weniger trauen, als wohlgeſicherten hiſtoriſchen Exempeln,
falls nur ſolche in genügender Zahl erbracht werden könnten. Aber
gerade darum iſt es recht dürftig beſtellt, wie ein Blick auf das
immerhin uns noch näher liegende und, verglichen mit den überall
ins Fabelhafte verlaufenden Nachrichten von jenen Völkern des
Orients, relativ wohlbeglaubigte Gebiet der chriſtlichen Heiligen-
und Mönchsgeſchichte lehrt. Von ganz apokryphiſchen Legenden wie
die von den ſieben Schläfern zu Epheſus (nach Gregor vom Tours
aus 197 jährigem Schlafe ſeit der Decianiſchen Chriſtenverfolgung
geſund wieder erwacht 447!), oder die vom Ciſtercienſermönche Heron
in Gallizien um 1167, den ein von Gott geſandter lieblicher Vogel
300 Jahre lang in einer Einöde umhergeführt haben ſoll, um
ihm einen Begriff von der Ewigkeit zu geben,2) ſehen wir ſelbſt-
verſtändlich ganz ab, zumal dieſelben kaum indirecterweiſe für die
Annahme einer lebenverlängernden Kraft des Ascetismus, bezw. des
Vegetarianismus verwerthet werden könnten. Halten wir uns an
bekannte und im Ganzen ſicher bezeugte Beiſpiele aus der chriſtlichen
Kirchen- und Mönchsgeſchichte: was nehmen wir wahr? Die hart
arbeitenden Knechte im Weinberge Chriſti, ſoweit ſie nicht durch
frühzeitigen Märtyrertod gleich Jakobus, Paulus, Petrus dahin

1) Moleſchott, Phyſiologie der Nahrungsmittel (2. Aufl. Gießen 1859),
S. 231: „Der Menſch gehorcht alſo einer Naturbedingtheit, wenn er gemiſchte
Koſt genießt.‟ Die Natur habe ihn zum gleichzeitig carnivoren wie herbivoren
Weſen beſtimmt; — Erſchwerung der Blutbereitung, Herabſinken des Körpers
zu bloßem Vegetiren, Ueberfüllung des Darmkanals mit ungelöſten Stoffen, alſo
beſtändige Verſtopfung, Trägheit und Unluſt zum Arbeiten ꝛc. ſeien die unaus-
bleiblichen Folgen einer Ernährung durch bloße Pflanzenkoſt ꝛc. — Daß andere
mediciniſch-naturwiſſenſchaftliche Autoritäten dieſer Anſicht keineswegs in allen
Punkten zuſtimmen, ſ. unten.
2) Annales Cistercc., ad ann. 1167, cap. 7. — Hieher könnten auch
die Fabeln mittelalterlicher Aerzte von der Kraft gewiſſer Elixire (nach Rog. Baco
in einem Falle mit der Wirkung einer Lebenverlängerung bis zu 900 Jahren)
u. dgl. m. gezogen werden.
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[280/0290] VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen. eine ſchlechthinige Naturbedingtheit darſtellt, 1) würden wir in der That hier weniger trauen, als wohlgeſicherten hiſtoriſchen Exempeln, falls nur ſolche in genügender Zahl erbracht werden könnten. Aber gerade darum iſt es recht dürftig beſtellt, wie ein Blick auf das immerhin uns noch näher liegende und, verglichen mit den überall ins Fabelhafte verlaufenden Nachrichten von jenen Völkern des Orients, relativ wohlbeglaubigte Gebiet der chriſtlichen Heiligen- und Mönchsgeſchichte lehrt. Von ganz apokryphiſchen Legenden wie die von den ſieben Schläfern zu Epheſus (nach Gregor vom Tours aus 197 jährigem Schlafe ſeit der Decianiſchen Chriſtenverfolgung geſund wieder erwacht 447!), oder die vom Ciſtercienſermönche Heron in Gallizien um 1167, den ein von Gott geſandter lieblicher Vogel 300 Jahre lang in einer Einöde umhergeführt haben ſoll, um ihm einen Begriff von der Ewigkeit zu geben, 2) ſehen wir ſelbſt- verſtändlich ganz ab, zumal dieſelben kaum indirecterweiſe für die Annahme einer lebenverlängernden Kraft des Ascetismus, bezw. des Vegetarianismus verwerthet werden könnten. Halten wir uns an bekannte und im Ganzen ſicher bezeugte Beiſpiele aus der chriſtlichen Kirchen- und Mönchsgeſchichte: was nehmen wir wahr? Die hart arbeitenden Knechte im Weinberge Chriſti, ſoweit ſie nicht durch frühzeitigen Märtyrertod gleich Jakobus, Paulus, Petrus dahin 1) Moleſchott, Phyſiologie der Nahrungsmittel (2. Aufl. Gießen 1859), S. 231: „Der Menſch gehorcht alſo einer Naturbedingtheit, wenn er gemiſchte Koſt genießt.‟ Die Natur habe ihn zum gleichzeitig carnivoren wie herbivoren Weſen beſtimmt; — Erſchwerung der Blutbereitung, Herabſinken des Körpers zu bloßem Vegetiren, Ueberfüllung des Darmkanals mit ungelöſten Stoffen, alſo beſtändige Verſtopfung, Trägheit und Unluſt zum Arbeiten ꝛc. ſeien die unaus- bleiblichen Folgen einer Ernährung durch bloße Pflanzenkoſt ꝛc. — Daß andere mediciniſch-naturwiſſenſchaftliche Autoritäten dieſer Anſicht keineswegs in allen Punkten zuſtimmen, ſ. unten. 2) Annales Cistercc., ad ann. 1167, cap. 7. — Hieher könnten auch die Fabeln mittelalterlicher Aerzte von der Kraft gewiſſer Elixire (nach Rog. Baco in einem Falle mit der Wirkung einer Lebenverlängerung bis zu 900 Jahren) u. dgl. m. gezogen werden.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/290>, abgerufen am 22.11.2024.