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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
humani multiplicatio); endlich die fernere Absicht Gottes, die Er-
findung so mancher nützlicher Künste und Wissenschaften, zu deren
Ausbildung lange Zeiträume erforderlich waren, zu fördern (artium
inventio
).1) Die Mehrzahl dieser Gründe verdankt einer ins apo-
kryphisch-Mythische ausschweifenden Phantasie ihren Ursprung. Ledig-
lich die beiden ersten und der vorletzte streifen an das, was gemäß
biblischer Ueberlieferung vor allem und hauptsächlich die Ursache der
patriarchalen Langlebigkeit gebildet haben wird und was wir dem-
gemäß hier näher in Betracht zu ziehen haben werden. -- Der
Einmischung von so mancherlei äußerlichen Erklärungsmomenten
prekärer und phantastisch erträumter Art enthielt sich allerdings
Luther, der, wie früher gezeigt wurde, das ethische Moment beson-
ders hervorhob und die sethitischen Frommen zwar als erhabene
Helden, aber doch nicht als frei von vielerlei Leiden und geistlichen
Anfechtungen (seitens der gottlosen Kainiten) schilderte. Aber spätere
Evangelische haben doch mancherlei Phantastisches und dem schlichten
Wortlaute des Berichts Gewalt Anthuendes ausgeklügelt. So
meinte der Chiliast Thomas Burnet, wegen noch nicht vorhandner
Schiefe der Ekliptik hätte bis zur Sintfluth noch kein Jahreszeiten-
wechsel stattgefunden, sondern ein ewiger Frühling, die gleichzeitige
Ursache höchster Fruchtbarkeit des ganzen Erdbodens und vielhundert-
jähriger Länge des Menschenlebens geherrscht. Die Kometomanen
Whiston und Clüver ließen zwar die Achsendrehung der Erde nebst
dem Jahreszeitenwechsel schon gleich nach dem Sündenfalle beginnen,
nahmen jedoch bis zur Fluth eine weit größere mittlere Wärme des-
Klimas der Erde, als beruhend auf einer noch unmittelbareren Nähe
und kräftigeren Wirkung des Centralfeuers an.2) -- Noch in neuester
Zeit hat man neben anderen auch derartige Gründe, wie diese letzt-
genannten geltend zu machen versucht. So J. N. Tiele (1839),

1) Bened. Pererius, Comment. et disputatt. in Genes., l. VII, c.
1, qu.
3.
2) Burnet, Telluris theoria sacra l. II, London (1682). -- W.
Whiston, A new theory of the earth etc., Lond. 1696.

VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
humani multiplicatio); endlich die fernere Abſicht Gottes, die Er-
findung ſo mancher nützlicher Künſte und Wiſſenſchaften, zu deren
Ausbildung lange Zeiträume erforderlich waren, zu fördern (artium
inventio
).1) Die Mehrzahl dieſer Gründe verdankt einer ins apo-
kryphiſch-Mythiſche ausſchweifenden Phantaſie ihren Urſprung. Ledig-
lich die beiden erſten und der vorletzte ſtreifen an das, was gemäß
bibliſcher Ueberlieferung vor allem und hauptſächlich die Urſache der
patriarchalen Langlebigkeit gebildet haben wird und was wir dem-
gemäß hier näher in Betracht zu ziehen haben werden. — Der
Einmiſchung von ſo mancherlei äußerlichen Erklärungsmomenten
prekärer und phantaſtiſch erträumter Art enthielt ſich allerdings
Luther, der, wie früher gezeigt wurde, das ethiſche Moment beſon-
ders hervorhob und die ſethitiſchen Frommen zwar als erhabene
Helden, aber doch nicht als frei von vielerlei Leiden und geiſtlichen
Anfechtungen (ſeitens der gottloſen Kainiten) ſchilderte. Aber ſpätere
Evangeliſche haben doch mancherlei Phantaſtiſches und dem ſchlichten
Wortlaute des Berichts Gewalt Anthuendes ausgeklügelt. So
meinte der Chiliaſt Thomas Burnet, wegen noch nicht vorhandner
Schiefe der Ekliptik hätte bis zur Sintfluth noch kein Jahreszeiten-
wechſel ſtattgefunden, ſondern ein ewiger Frühling, die gleichzeitige
Urſache höchſter Fruchtbarkeit des ganzen Erdbodens und vielhundert-
jähriger Länge des Menſchenlebens geherrſcht. Die Kometomanen
Whiſton und Clüver ließen zwar die Achſendrehung der Erde nebſt
dem Jahreszeitenwechſel ſchon gleich nach dem Sündenfalle beginnen,
nahmen jedoch bis zur Fluth eine weit größere mittlere Wärme des-
Klimas der Erde, als beruhend auf einer noch unmittelbareren Nähe
und kräftigeren Wirkung des Centralfeuers an.2) — Noch in neueſter
Zeit hat man neben anderen auch derartige Gründe, wie dieſe letzt-
genannten geltend zu machen verſucht. So J. N. Tiele (1839),

1) Bened. Pererius, Comment. et disputatt. in Genes., l. VII, c.
1, qu.
3.
2) Burnet, Telluris theoria sacra l. II, London (1682). — W.
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[269/0279] VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen. humani multiplicatio); endlich die fernere Abſicht Gottes, die Er- findung ſo mancher nützlicher Künſte und Wiſſenſchaften, zu deren Ausbildung lange Zeiträume erforderlich waren, zu fördern (artium inventio). 1) Die Mehrzahl dieſer Gründe verdankt einer ins apo- kryphiſch-Mythiſche ausſchweifenden Phantaſie ihren Urſprung. Ledig- lich die beiden erſten und der vorletzte ſtreifen an das, was gemäß bibliſcher Ueberlieferung vor allem und hauptſächlich die Urſache der patriarchalen Langlebigkeit gebildet haben wird und was wir dem- gemäß hier näher in Betracht zu ziehen haben werden. — Der Einmiſchung von ſo mancherlei äußerlichen Erklärungsmomenten prekärer und phantaſtiſch erträumter Art enthielt ſich allerdings Luther, der, wie früher gezeigt wurde, das ethiſche Moment beſon- ders hervorhob und die ſethitiſchen Frommen zwar als erhabene Helden, aber doch nicht als frei von vielerlei Leiden und geiſtlichen Anfechtungen (ſeitens der gottloſen Kainiten) ſchilderte. Aber ſpätere Evangeliſche haben doch mancherlei Phantaſtiſches und dem ſchlichten Wortlaute des Berichts Gewalt Anthuendes ausgeklügelt. So meinte der Chiliaſt Thomas Burnet, wegen noch nicht vorhandner Schiefe der Ekliptik hätte bis zur Sintfluth noch kein Jahreszeiten- wechſel ſtattgefunden, ſondern ein ewiger Frühling, die gleichzeitige Urſache höchſter Fruchtbarkeit des ganzen Erdbodens und vielhundert- jähriger Länge des Menſchenlebens geherrſcht. Die Kometomanen Whiſton und Clüver ließen zwar die Achſendrehung der Erde nebſt dem Jahreszeitenwechſel ſchon gleich nach dem Sündenfalle beginnen, nahmen jedoch bis zur Fluth eine weit größere mittlere Wärme des- Klimas der Erde, als beruhend auf einer noch unmittelbareren Nähe und kräftigeren Wirkung des Centralfeuers an. 2) — Noch in neueſter Zeit hat man neben anderen auch derartige Gründe, wie dieſe letzt- genannten geltend zu machen verſucht. So J. N. Tiele (1839), 1) Bened. Pererius, Comment. et disputatt. in Genes., l. VII, c. 1, qu. 3. 2) Burnet, Telluris theoria sacra l. II, London (1682). — W. Whiſton, A new theory of the earth etc., Lond. 1696.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/279>, abgerufen am 25.11.2024.