Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen. triarchen 130, 105, 90, 70, 65, etc. Und dafür, daß die kleinerenZahlen der Bibel aus den schwindelhaft großen der Chaldäer nach einem gewissen cyklischen Princip zusammengezogen seien, scheinen doch weniger Wahrscheinlichkeitsgründe vorzuliegen, als für die um- gekehrte Annahme einer mythischen Steigerung von ursprünglich viel kleiner lautenden Angaben durch Jene. Der Vorzug ihrer größeren Einfachheit begünstigt entschieden die Voraussetzung einer verhältniß- mäßigen Originalität und Unverdorbenheit der biblischen Zahlenreihe mehr als die entgegengesetzte Hypothese. Die chaldäischen Zahlen nähern sich nur allzusehr jenem alles vernünftige Maaß übersteigenden Zahlengeflunker, dem man in der mythischen Urgeschichte solcher Völker wie die Jndier, Agypter, Chinesen, Japanesen etc. begegnet. Sie legen den Verdacht nur allzu nahe, daß tendenziös dichtende Archäomanie, das bekannte Grund- und Erdübel aller heidnisch ge- schichtlichen Ueberlieferung, bei ihrer Entstehung sehr wesentlich mit- gewirkt habe. Sie verrathen sich nur zu deutlich als "Kunststücke eines in astronomischen Rechnungen vielgeübten Geistes", als orien- talische Phantasiegebilde, die unbekümmert um geschichtliche Wirklich- keit oder Wahrscheinlichkeit, nur auf möglichste Annäherung an die eingebildete Dauer von Götterjahren ausgiengen.1) Oder dürfte man unsre biblischen Erzväterlisten selbst ohne 1) Schubert, Das Weltgebäude etc., S. 642; auch: Ahndungen einer allgemeinen Geschichte des Lebens, II, 2, S. 90 ff. -- Keerl, Der Mensch, das Ebenbild Gottes etc. I, 115. 2) Vgl. eiuerseits Kelle, Würdigung der mosaischen Schriften etc. III,
26 ff.; andrerseits Bredow, Untersuchungen über alte Geschichte und Geo- VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen. triarchen 130, 105, 90, 70, 65, ꝛc. Und dafür, daß die kleinerenZahlen der Bibel aus den ſchwindelhaft großen der Chaldäer nach einem gewiſſen cykliſchen Princip zuſammengezogen ſeien, ſcheinen doch weniger Wahrſcheinlichkeitsgründe vorzuliegen, als für die um- gekehrte Annahme einer mythiſchen Steigerung von urſprünglich viel kleiner lautenden Angaben durch Jene. Der Vorzug ihrer größeren Einfachheit begünſtigt entſchieden die Vorausſetzung einer verhältniß- mäßigen Originalität und Unverdorbenheit der bibliſchen Zahlenreihe mehr als die entgegengeſetzte Hypotheſe. Die chaldäiſchen Zahlen nähern ſich nur allzuſehr jenem alles vernünftige Maaß überſteigenden Zahlengeflunker, dem man in der mythiſchen Urgeſchichte ſolcher Völker wie die Jndier, Agypter, Chineſen, Japaneſen ꝛc. begegnet. Sie legen den Verdacht nur allzu nahe, daß tendenziös dichtende Archäomanie, das bekannte Grund- und Erdübel aller heidniſch ge- ſchichtlichen Ueberlieferung, bei ihrer Entſtehung ſehr weſentlich mit- gewirkt habe. Sie verrathen ſich nur zu deutlich als „Kunſtſtücke eines in aſtronomiſchen Rechnungen vielgeübten Geiſtes‟, als orien- taliſche Phantaſiegebilde, die unbekümmert um geſchichtliche Wirklich- keit oder Wahrſcheinlichkeit, nur auf möglichſte Annäherung an die eingebildete Dauer von Götterjahren ausgiengen.1) Oder dürfte man unſre bibliſchen Erzväterliſten ſelbſt ohne 1) Schubert, Das Weltgebäude ꝛc., S. 642; auch: Ahndungen einer allgemeinen Geſchichte des Lebens, II, 2, S. 90 ff. — Keerl, Der Menſch, das Ebenbild Gottes ꝛc. I, 115. 2) Vgl. eiuerſeits Kelle, Würdigung der moſaiſchen Schriften ꝛc. III,
26 ff.; andrerſeits Bredow, Unterſuchungen über alte Geſchichte und Geo- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0276" n="266"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Die Langlebigkeit der Patriarchen.</fw><lb/> triarchen 130, 105, 90, 70, 65, ꝛc. Und dafür, daß die kleineren<lb/> Zahlen der Bibel aus den ſchwindelhaft großen der Chaldäer nach<lb/> einem gewiſſen cykliſchen Princip zuſammengezogen ſeien, ſcheinen<lb/> doch weniger Wahrſcheinlichkeitsgründe vorzuliegen, als für die um-<lb/> gekehrte Annahme einer mythiſchen Steigerung von urſprünglich viel<lb/> kleiner lautenden Angaben durch Jene. Der Vorzug ihrer größeren<lb/> Einfachheit begünſtigt entſchieden die Vorausſetzung einer verhältniß-<lb/> mäßigen Originalität und Unverdorbenheit der bibliſchen Zahlenreihe<lb/> mehr als die entgegengeſetzte Hypotheſe. Die chaldäiſchen Zahlen<lb/> nähern ſich nur allzuſehr jenem alles vernünftige Maaß überſteigenden<lb/> Zahlengeflunker, dem man in der mythiſchen Urgeſchichte ſolcher<lb/> Völker wie die Jndier, Agypter, Chineſen, Japaneſen ꝛc. begegnet.<lb/> Sie legen den Verdacht nur allzu nahe, daß tendenziös dichtende<lb/> Archäomanie, das bekannte Grund- und Erdübel aller heidniſch ge-<lb/> ſchichtlichen Ueberlieferung, bei ihrer Entſtehung ſehr weſentlich mit-<lb/> gewirkt habe. Sie verrathen ſich nur zu deutlich als „Kunſtſtücke<lb/> eines in aſtronomiſchen Rechnungen vielgeübten Geiſtes‟, als orien-<lb/> taliſche Phantaſiegebilde, die unbekümmert um geſchichtliche Wirklich-<lb/> keit oder Wahrſcheinlichkeit, nur auf möglichſte Annäherung an die<lb/> eingebildete Dauer von Götterjahren ausgiengen.<note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Schubert,</hi> Das Weltgebäude ꝛc., S. 642; auch: Ahndungen einer<lb/> allgemeinen Geſchichte des Lebens, <hi rendition="#aq">II,</hi> 2, S. 90 ff. — <hi rendition="#g">Keerl,</hi> Der Menſch,<lb/> das Ebenbild Gottes ꝛc. <hi rendition="#aq">I,</hi> 115.</note></p><lb/> <p>Oder dürfte man unſre bibliſchen Erzväterliſten ſelbſt ohne<lb/> Weiteres dem Bereiche ſolcher Mythengebilde zuweiſen? Es geſchieht<lb/> dieß allerdings ſeitens der ganzen kritiſchen Ausleger-Schule neuerer<lb/> Zeit, ſei es nun, daß man eine gewiſſe Planmäßigkeit des Verfah-<lb/> rens bei Bemeſſung der einzelnen Lebensalter ſtatuirt (Kelle), ſei<lb/> es daß man nur in der abſteigenden Folge der vier Weltalter etwas<lb/> Planmäßiges, in den einzelnen Altersangaben aber pure Willkür er-<lb/> blickt (Bredow, v. Bohlen, Winer, Knobel, Tuch, Ewald, Fürſt ꝛc.).<note xml:id="seg2pn_12_1" next="#seg2pn_12_2" place="foot" n="2)">Vgl. eiuerſeits <hi rendition="#g">Kelle,</hi> Würdigung der moſaiſchen Schriften ꝛc. <hi rendition="#aq">III,</hi><lb/> 26 ff.; andrerſeits <hi rendition="#g">Bredow,</hi> Unterſuchungen über alte Geſchichte und Geo-</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [266/0276]
VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
triarchen 130, 105, 90, 70, 65, ꝛc. Und dafür, daß die kleineren
Zahlen der Bibel aus den ſchwindelhaft großen der Chaldäer nach
einem gewiſſen cykliſchen Princip zuſammengezogen ſeien, ſcheinen
doch weniger Wahrſcheinlichkeitsgründe vorzuliegen, als für die um-
gekehrte Annahme einer mythiſchen Steigerung von urſprünglich viel
kleiner lautenden Angaben durch Jene. Der Vorzug ihrer größeren
Einfachheit begünſtigt entſchieden die Vorausſetzung einer verhältniß-
mäßigen Originalität und Unverdorbenheit der bibliſchen Zahlenreihe
mehr als die entgegengeſetzte Hypotheſe. Die chaldäiſchen Zahlen
nähern ſich nur allzuſehr jenem alles vernünftige Maaß überſteigenden
Zahlengeflunker, dem man in der mythiſchen Urgeſchichte ſolcher
Völker wie die Jndier, Agypter, Chineſen, Japaneſen ꝛc. begegnet.
Sie legen den Verdacht nur allzu nahe, daß tendenziös dichtende
Archäomanie, das bekannte Grund- und Erdübel aller heidniſch ge-
ſchichtlichen Ueberlieferung, bei ihrer Entſtehung ſehr weſentlich mit-
gewirkt habe. Sie verrathen ſich nur zu deutlich als „Kunſtſtücke
eines in aſtronomiſchen Rechnungen vielgeübten Geiſtes‟, als orien-
taliſche Phantaſiegebilde, die unbekümmert um geſchichtliche Wirklich-
keit oder Wahrſcheinlichkeit, nur auf möglichſte Annäherung an die
eingebildete Dauer von Götterjahren ausgiengen. 1)
Oder dürfte man unſre bibliſchen Erzväterliſten ſelbſt ohne
Weiteres dem Bereiche ſolcher Mythengebilde zuweiſen? Es geſchieht
dieß allerdings ſeitens der ganzen kritiſchen Ausleger-Schule neuerer
Zeit, ſei es nun, daß man eine gewiſſe Planmäßigkeit des Verfah-
rens bei Bemeſſung der einzelnen Lebensalter ſtatuirt (Kelle), ſei
es daß man nur in der abſteigenden Folge der vier Weltalter etwas
Planmäßiges, in den einzelnen Altersangaben aber pure Willkür er-
blickt (Bredow, v. Bohlen, Winer, Knobel, Tuch, Ewald, Fürſt ꝛc.). 2)
1) Schubert, Das Weltgebäude ꝛc., S. 642; auch: Ahndungen einer
allgemeinen Geſchichte des Lebens, II, 2, S. 90 ff. — Keerl, Der Menſch,
das Ebenbild Gottes ꝛc. I, 115.
2) Vgl. eiuerſeits Kelle, Würdigung der moſaiſchen Schriften ꝛc. III,
26 ff.; andrerſeits Bredow, Unterſuchungen über alte Geſchichte und Geo-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |