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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
zum Zwecke einer Annäherung der biblischen an die altägyptische
Zeitrechnung vorgenommen zu haben;1) zu diesem Ende haben sie
die Jahre des Söhnezeugens der Erzväter fast sämmtlich um ein
Namhaftes hinaufgerückt (Adam soll nach ihnen erst 230, nicht 130
Jahre alt den Seth gezengt haben; Seth nicht 105, sondern erst
205 Jahre alt den Enos; dieser nicht 90, sondern erst 190 Jahre
alt den Kenan u. s. f.); aber bezüglich der Lebensdauern haben sie
sich ihrem chronologischen System zulieb nur eine einzige kürzende
Abänderung erlaubt, bestehend in den 753 Jahren, welche sie dem
Vater Noahs Lamech statt der 777 Jahre des Grundtexts geben.
-- Für die Annahme, daß die Alterszahlen der zehn Makrobier-
Patriarchen auf uralter Ueberlieferung im Volke Gottes beruhen,
legt diese hinsichtlich der Mehrzahl aller Daten übereinstimmende
Haltung der drei Parallelberichte auf jeden Fall ein sehr gewichtiges
Zeugniß ab; einige Jahrhunderte vor dem Beginn der christlichen
Zeitrechnung muß die Zahlenreihe wesentlich schon so wie jetzt ge-
lautet haben. -- Für unser Vorhaben hat ebendeshalb der alte
Streit darüber, welcher der drei Texte als der ursprüngliche zu
gelten habe, keine Wichtigkeit. Erst bei Erörterung der Frage nach
dem Alter des Menschengeschlechts wird dieser Controverse nochmals
kurz zu gedenken sein.

Zu einschneidenderen Wirkungen bringt es eine zweite Gruppe
von Aenderungsversuchen. Man hat den Jahren der Erzväter-
Genealogien eine andre Bedeutung als die sonst gewöhnliche bei-
gelegt und so die gewünschte Verkürzung der hohen Lebensalter zu
bewirken gesucht. Schon Augustin wußte von chronologischen Künst-
lern zu berichten, welche die Jahre der Erzväter als bloße Zentels-
jahre darzuthun versuchten; schon er gedenkt, unter Berufung auf
Plinius u. A., ägyptischer Jahre von nur 4monatlicher Dauer,

1) Dieß jedenfalls bei weitem die wahrscheinlichste Annahme. Auf ihre
speciellen Modificationen (bei Böckh, M. v. Niebuhr rc) näher einzugehen, ist
für unsren Zweck unnöthig. Vgl. Rösch, Art. "Zeitrechnung" in Herzogs
Real-Enchklop., Bd. 18, S. 426 f.

VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
zum Zwecke einer Annäherung der bibliſchen an die altägyptiſche
Zeitrechnung vorgenommen zu haben;1) zu dieſem Ende haben ſie
die Jahre des Söhnezeugens der Erzväter faſt ſämmtlich um ein
Namhaftes hinaufgerückt (Adam ſoll nach ihnen erſt 230, nicht 130
Jahre alt den Seth gezengt haben; Seth nicht 105, ſondern erſt
205 Jahre alt den Enos; dieſer nicht 90, ſondern erſt 190 Jahre
alt den Kenan u. ſ. f.); aber bezüglich der Lebensdauern haben ſie
ſich ihrem chronologiſchen Syſtem zulieb nur eine einzige kürzende
Abänderung erlaubt, beſtehend in den 753 Jahren, welche ſie dem
Vater Noahs Lamech ſtatt der 777 Jahre des Grundtexts geben.
— Für die Annahme, daß die Alterszahlen der zehn Makrobier-
Patriarchen auf uralter Ueberlieferung im Volke Gottes beruhen,
legt dieſe hinſichtlich der Mehrzahl aller Daten übereinſtimmende
Haltung der drei Parallelberichte auf jeden Fall ein ſehr gewichtiges
Zeugniß ab; einige Jahrhunderte vor dem Beginn der chriſtlichen
Zeitrechnung muß die Zahlenreihe weſentlich ſchon ſo wie jetzt ge-
lautet haben. — Für unſer Vorhaben hat ebendeshalb der alte
Streit darüber, welcher der drei Texte als der urſprüngliche zu
gelten habe, keine Wichtigkeit. Erſt bei Erörterung der Frage nach
dem Alter des Menſchengeſchlechts wird dieſer Controverſe nochmals
kurz zu gedenken ſein.

Zu einſchneidenderen Wirkungen bringt es eine zweite Gruppe
von Aenderungsverſuchen. Man hat den Jahren der Erzväter-
Genealogien eine andre Bedeutung als die ſonſt gewöhnliche bei-
gelegt und ſo die gewünſchte Verkürzung der hohen Lebensalter zu
bewirken geſucht. Schon Auguſtin wußte von chronologiſchen Künſt-
lern zu berichten, welche die Jahre der Erzväter als bloße Zentels-
jahre darzuthun verſuchten; ſchon er gedenkt, unter Berufung auf
Plinius u. A., ägyptiſcher Jahre von nur 4monatlicher Dauer,

1) Dieß jedenfalls bei weitem die wahrſcheinlichſte Annahme. Auf ihre
ſpeciellen Modificationen (bei Böckh, M. v. Niebuhr ꝛc) näher einzugehen, iſt
für unſren Zweck unnöthig. Vgl. Röſch, Art. „Zeitrechnung‟ in Herzogs
Real-Enchklop., Bd. 18, S. 426 f.
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[260/0270] VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen. zum Zwecke einer Annäherung der bibliſchen an die altägyptiſche Zeitrechnung vorgenommen zu haben; 1) zu dieſem Ende haben ſie die Jahre des Söhnezeugens der Erzväter faſt ſämmtlich um ein Namhaftes hinaufgerückt (Adam ſoll nach ihnen erſt 230, nicht 130 Jahre alt den Seth gezengt haben; Seth nicht 105, ſondern erſt 205 Jahre alt den Enos; dieſer nicht 90, ſondern erſt 190 Jahre alt den Kenan u. ſ. f.); aber bezüglich der Lebensdauern haben ſie ſich ihrem chronologiſchen Syſtem zulieb nur eine einzige kürzende Abänderung erlaubt, beſtehend in den 753 Jahren, welche ſie dem Vater Noahs Lamech ſtatt der 777 Jahre des Grundtexts geben. — Für die Annahme, daß die Alterszahlen der zehn Makrobier- Patriarchen auf uralter Ueberlieferung im Volke Gottes beruhen, legt dieſe hinſichtlich der Mehrzahl aller Daten übereinſtimmende Haltung der drei Parallelberichte auf jeden Fall ein ſehr gewichtiges Zeugniß ab; einige Jahrhunderte vor dem Beginn der chriſtlichen Zeitrechnung muß die Zahlenreihe weſentlich ſchon ſo wie jetzt ge- lautet haben. — Für unſer Vorhaben hat ebendeshalb der alte Streit darüber, welcher der drei Texte als der urſprüngliche zu gelten habe, keine Wichtigkeit. Erſt bei Erörterung der Frage nach dem Alter des Menſchengeſchlechts wird dieſer Controverſe nochmals kurz zu gedenken ſein. Zu einſchneidenderen Wirkungen bringt es eine zweite Gruppe von Aenderungsverſuchen. Man hat den Jahren der Erzväter- Genealogien eine andre Bedeutung als die ſonſt gewöhnliche bei- gelegt und ſo die gewünſchte Verkürzung der hohen Lebensalter zu bewirken geſucht. Schon Auguſtin wußte von chronologiſchen Künſt- lern zu berichten, welche die Jahre der Erzväter als bloße Zentels- jahre darzuthun verſuchten; ſchon er gedenkt, unter Berufung auf Plinius u. A., ägyptiſcher Jahre von nur 4monatlicher Dauer, 1) Dieß jedenfalls bei weitem die wahrſcheinlichſte Annahme. Auf ihre ſpeciellen Modificationen (bei Böckh, M. v. Niebuhr ꝛc) näher einzugehen, iſt für unſren Zweck unnöthig. Vgl. Röſch, Art. „Zeitrechnung‟ in Herzogs Real-Enchklop., Bd. 18, S. 426 f.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/270>, abgerufen am 09.11.2024.