Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.VII. Der Ursitz des Menschengeschlechts. um einen sichren Aufschluß auch nur darüber zu |gewähren, ob ihreletzte Ausbildung nahe der Quellgegend oder nahe den Mündungen des Euphrat erfolgte. Möglicherweise verhilft diese oder jene assyriologische Entdeckung zur endlichen Ueberwindung dieses letzteren Dilemma; die im Uebrigen über der ganzen Schilderung des Para- diesesgartens lagernde geheimnißvolle Unbestimmtheit, ihr auch durch die beiden Bäume, das Wandeln Gottes im Garten, die redende Schlange, die bewachenden Cherubim angedeuteter mystisch- supranaturaler Charakter würde aber damit doch nicht gehoben werden. Man lasse sich daran genügen, daß wenn nicht der Garten, doch die Landschaft Eden hinreichend scharf umrissen vor uns liegt. Luther traf auch in dieser Frage den Nagel auf den Kopf: "Darumb wollt ich also sagen, daß der Lustgarten irgend ein Ort sei gegen dem Morgen, der nu verborgen oder vielleicht zurissen ist, das Gott wohl weiß. Es muß aber fast ein weiter Raum gewesen sein, denn die Wasser liegen mächtig weit von einander, ja schier gegen- einander. Darumb will ich meine Vernunft gefangen geben und dabei bleiben, daß es ein rechter natürlicher Garten sei gewesen, wie noch möcht ein Lustgarten sein".1) 1) Erl. Ausg., Bd. 33, 73 f. 16*
VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts. um einen ſichren Aufſchluß auch nur darüber zu |gewähren, ob ihreletzte Ausbildung nahe der Quellgegend oder nahe den Mündungen des Euphrat erfolgte. Möglicherweiſe verhilft dieſe oder jene aſſyriologiſche Entdeckung zur endlichen Ueberwindung dieſes letzteren Dilemma; die im Uebrigen über der ganzen Schilderung des Para- dieſesgartens lagernde geheimnißvolle Unbeſtimmtheit, ihr auch durch die beiden Bäume, das Wandeln Gottes im Garten, die redende Schlange, die bewachenden Cherubim angedeuteter myſtiſch- ſupranaturaler Charakter würde aber damit doch nicht gehoben werden. Man laſſe ſich daran genügen, daß wenn nicht der Garten, doch die Landſchaft Eden hinreichend ſcharf umriſſen vor uns liegt. Luther traf auch in dieſer Frage den Nagel auf den Kopf: „Darumb wollt ich alſo ſagen, daß der Luſtgarten irgend ein Ort ſei gegen dem Morgen, der nu verborgen oder vielleicht zuriſſen iſt, das Gott wohl weiß. Es muß aber faſt ein weiter Raum geweſen ſein, denn die Waſſer liegen mächtig weit von einander, ja ſchier gegen- einander. Darumb will ich meine Vernunft gefangen geben und dabei bleiben, daß es ein rechter natürlicher Garten ſei geweſen, wie noch möcht ein Luſtgarten ſein‟.1) 1) Erl. Ausg., Bd. 33, 73 f. 16*
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VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts.
um einen ſichren Aufſchluß auch nur darüber zu |gewähren, ob ihre
letzte Ausbildung nahe der Quellgegend oder nahe den Mündungen
des Euphrat erfolgte. Möglicherweiſe verhilft dieſe oder jene
aſſyriologiſche Entdeckung zur endlichen Ueberwindung dieſes letzteren
Dilemma; die im Uebrigen über der ganzen Schilderung des Para-
dieſesgartens lagernde geheimnißvolle Unbeſtimmtheit, ihr auch
durch die beiden Bäume, das Wandeln Gottes im Garten, die
redende Schlange, die bewachenden Cherubim angedeuteter myſtiſch-
ſupranaturaler Charakter würde aber damit doch nicht gehoben
werden. Man laſſe ſich daran genügen, daß wenn nicht der Garten,
doch die Landſchaft Eden hinreichend ſcharf umriſſen vor uns liegt.
Luther traf auch in dieſer Frage den Nagel auf den Kopf: „Darumb
wollt ich alſo ſagen, daß der Luſtgarten irgend ein Ort ſei gegen
dem Morgen, der nu verborgen oder vielleicht zuriſſen iſt, das
Gott wohl weiß. Es muß aber faſt ein weiter Raum geweſen ſein,
denn die Waſſer liegen mächtig weit von einander, ja ſchier gegen-
einander. Darumb will ich meine Vernunft gefangen geben und
dabei bleiben, daß es ein rechter natürlicher Garten ſei geweſen,
wie noch möcht ein Luſtgarten ſein‟. 1)
1) Erl. Ausg., Bd. 33, 73 f.
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