Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.VII. Der Ursitz des Menschengeschlechts. transatlantischen, zu gewinnen sucht; die christlich-kirchliche Sageverlege ihr Paradies in den fernen Osten, eine urheidnisch-mytholo- gische celtischen oder iberischen Ursprungs aber das ihrige (die Wonne-Jnsel Flathinnis mit ihrem ewigen Frühling, oder auch die Atlantis griechischer Sagen) in den fernen Westen, in den Schooß des atlantischen Oceans.1) -- Zahlreicher, obschon auch unter sich keineswegs ganz einig, sind die Vertreter des polygenistischen Präadamitismns, welche etwa mit Schelling vier getrennte vor- adamische Urracen: die der Neger, Mongolen, Amerikaner und Malayen setzen und diesen alsdann den biblischen Adam als idealen Urmenschen, der die zerstreuten Menschheitselemente in sich als höherer geistiger Einheit gesammelt habe, folgen lassen; oder welche mit der nordamerikanischen Anthropologenschule von Morton, Nott und Gliddon die Zahl der radikal verschiednen menschlichen Familien, die dem kaukasischen Adamsgeschlecht vorausgegangen sei, auf minde- stens 30, wo nicht gar auf über 100 steigern; oder welche mit dem maaßvoller und in etwas strengerem Auschluß an die Bibel speculi- renden Dominick M'Causland (1864) drei Hauptracen oder -Arten von Menschen: Mongolen, Neger, Kaukasier, daneben aber noch einige andre, minder bedeutende autochthone Racen statuiren.2) Von irgendwelcher biblischen Begründung solcher Theorien kann 1) Ueber Keary's Vortrag: On the earthly Paradise of European Mythology, vgl. Academy, 7. Dec. 1878, p. 547. -- Ueber alte Sagen von einem West-Paradiese s. auch Tylor II, 61. 63 ff. 2) Siehe besonders Dom. M'Causland, Adam and the Adamite, or
the Harmony between Scripture and Ethnology (London 1864; 3. edit. 1872, und vgl., was dessen Vorgänger (Schelling, Philos. der Mythologie; Morton, Nott etc.) sowie seine Nachfolger wie W. Woods Smyth (1874) u AA. betrifft, meine oben angeführten Schriften. VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts. transatlantiſchen, zu gewinnen ſucht; die chriſtlich-kirchliche Sageverlege ihr Paradies in den fernen Oſten, eine urheidniſch-mytholo- giſche celtiſchen oder iberiſchen Urſprungs aber das ihrige (die Wonne-Jnſel Flathinnis mit ihrem ewigen Frühling, oder auch die Atlantis griechiſcher Sagen) in den fernen Weſten, in den Schooß des atlantiſchen Oceans.1) — Zahlreicher, obſchon auch unter ſich keineswegs ganz einig, ſind die Vertreter des polygeniſtiſchen Präadamitismns, welche etwa mit Schelling vier getrennte vor- adamiſche Urracen: die der Neger, Mongolen, Amerikaner und Malayen ſetzen und dieſen alsdann den bibliſchen Adam als idealen Urmenſchen, der die zerſtreuten Menſchheitselemente in ſich als höherer geiſtiger Einheit geſammelt habe, folgen laſſen; oder welche mit der nordamerikaniſchen Anthropologenſchule von Morton, Nott und Gliddon die Zahl der radikal verſchiednen menſchlichen Familien, die dem kaukaſiſchen Adamsgeſchlecht vorausgegangen ſei, auf minde- ſtens 30, wo nicht gar auf über 100 ſteigern; oder welche mit dem maaßvoller und in etwas ſtrengerem Auſchluß an die Bibel ſpeculi- renden Dominick M’Causland (1864) drei Hauptracen oder -Arten von Menſchen: Mongolen, Neger, Kaukaſier, daneben aber noch einige andre, minder bedeutende autochthone Racen ſtatuiren.2) Von irgendwelcher bibliſchen Begründung ſolcher Theorien kann 1) Ueber Keary’s Vortrag: On the earthly Paradise of European Mythology, vgl. Academy, 7. Dec. 1878, p. 547. — Ueber alte Sagen von einem Weſt-Paradieſe ſ. auch Tylor II, 61. 63 ff. 2) Siehe beſonders Dom. M’Causland, Adam and the Adamite, or
the Harmony between Scripture and Ethnology (London 1864; 3. edit. 1872, und vgl., was deſſen Vorgänger (Schelling, Philoſ. der Mythologie; Morton, Nott ꝛc.) ſowie ſeine Nachfolger wie W. Woods Smyth (1874) u AA. betrifft, meine oben angeführten Schriften. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0244" n="234"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VII.</hi> Der Urſitz des Menſchengeſchlechts.</fw><lb/> transatlantiſchen, zu gewinnen ſucht; die chriſtlich-kirchliche Sage<lb/> verlege ihr Paradies in den fernen Oſten, eine urheidniſch-mytholo-<lb/> giſche celtiſchen oder iberiſchen Urſprungs aber das ihrige (die<lb/> Wonne-Jnſel Flathinnis mit ihrem ewigen Frühling, oder auch die<lb/> Atlantis griechiſcher Sagen) in den fernen Weſten, in den Schooß<lb/> des atlantiſchen Oceans.<note place="foot" n="1)">Ueber <hi rendition="#g">Keary’s</hi> Vortrag: <hi rendition="#aq">On the earthly Paradise of European<lb/> Mythology,</hi> vgl. <hi rendition="#aq">Academy,</hi> 7. Dec. 1878, <hi rendition="#aq">p.</hi> 547. — Ueber alte Sagen von<lb/> einem Weſt-Paradieſe ſ. auch <hi rendition="#g">Tylor</hi> <hi rendition="#aq">II,</hi> 61. 63 ff.</note> — Zahlreicher, obſchon auch unter ſich<lb/> keineswegs ganz einig, ſind die Vertreter des <hi rendition="#g">polygeniſtiſchen</hi><lb/> Präadamitismns, welche etwa mit Schelling vier getrennte vor-<lb/> adamiſche Urracen: die der Neger, Mongolen, Amerikaner und<lb/> Malayen ſetzen und dieſen alsdann den bibliſchen Adam als idealen<lb/> Urmenſchen, der die zerſtreuten Menſchheitselemente in ſich als höherer<lb/> geiſtiger Einheit geſammelt habe, folgen laſſen; oder welche mit der<lb/> nordamerikaniſchen Anthropologenſchule von Morton, Nott und<lb/> Gliddon die Zahl der radikal verſchiednen menſchlichen Familien,<lb/> die dem kaukaſiſchen Adamsgeſchlecht vorausgegangen ſei, auf minde-<lb/> ſtens 30, wo nicht gar auf über 100 ſteigern; oder welche mit dem<lb/> maaßvoller und in etwas ſtrengerem Auſchluß an die Bibel ſpeculi-<lb/> renden Dominick M’Causland (1864) drei Hauptracen oder -Arten<lb/> von Menſchen: Mongolen, Neger, Kaukaſier, daneben aber noch<lb/> einige andre, minder bedeutende autochthone Racen ſtatuiren.<note place="foot" n="2)">Siehe beſonders Dom. <hi rendition="#g">M’Causland,</hi> <hi rendition="#aq">Adam and the Adamite, or<lb/> the Harmony between Scripture and Ethnology</hi> (London 1864; 3. <hi rendition="#aq">edit.</hi><lb/> 1872, und vgl., was deſſen Vorgänger (<hi rendition="#g">Schelling,</hi> Philoſ. der Mythologie;<lb/><hi rendition="#g">Morton, Nott</hi> ꝛc.) ſowie ſeine Nachfolger wie W. <hi rendition="#g">Woods Smyth</hi> (1874)<lb/> u AA. betrifft, meine oben angeführten Schriften.</note></p><lb/> <p>Von irgendwelcher bibliſchen Begründung ſolcher Theorien kann<lb/> im Grunde nicht die Rede ſein, mag immerhin die Geſchichte Kains,<lb/> insbeſondere deſſen Furcht vor Todtſchlägern und Heirath im Lande<lb/> Nod (Gen. 4, 14 ff), einen gewiſſen Anhaltspunkt für ſie zu bieten<lb/> ſcheinen. Die h. Schrift <hi rendition="#g">will</hi> offenbar — dieſe Tendenz gibt ſie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [234/0244]
VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts.
transatlantiſchen, zu gewinnen ſucht; die chriſtlich-kirchliche Sage
verlege ihr Paradies in den fernen Oſten, eine urheidniſch-mytholo-
giſche celtiſchen oder iberiſchen Urſprungs aber das ihrige (die
Wonne-Jnſel Flathinnis mit ihrem ewigen Frühling, oder auch die
Atlantis griechiſcher Sagen) in den fernen Weſten, in den Schooß
des atlantiſchen Oceans. 1) — Zahlreicher, obſchon auch unter ſich
keineswegs ganz einig, ſind die Vertreter des polygeniſtiſchen
Präadamitismns, welche etwa mit Schelling vier getrennte vor-
adamiſche Urracen: die der Neger, Mongolen, Amerikaner und
Malayen ſetzen und dieſen alsdann den bibliſchen Adam als idealen
Urmenſchen, der die zerſtreuten Menſchheitselemente in ſich als höherer
geiſtiger Einheit geſammelt habe, folgen laſſen; oder welche mit der
nordamerikaniſchen Anthropologenſchule von Morton, Nott und
Gliddon die Zahl der radikal verſchiednen menſchlichen Familien,
die dem kaukaſiſchen Adamsgeſchlecht vorausgegangen ſei, auf minde-
ſtens 30, wo nicht gar auf über 100 ſteigern; oder welche mit dem
maaßvoller und in etwas ſtrengerem Auſchluß an die Bibel ſpeculi-
renden Dominick M’Causland (1864) drei Hauptracen oder -Arten
von Menſchen: Mongolen, Neger, Kaukaſier, daneben aber noch
einige andre, minder bedeutende autochthone Racen ſtatuiren. 2)
Von irgendwelcher bibliſchen Begründung ſolcher Theorien kann
im Grunde nicht die Rede ſein, mag immerhin die Geſchichte Kains,
insbeſondere deſſen Furcht vor Todtſchlägern und Heirath im Lande
Nod (Gen. 4, 14 ff), einen gewiſſen Anhaltspunkt für ſie zu bieten
ſcheinen. Die h. Schrift will offenbar — dieſe Tendenz gibt ſie
1) Ueber Keary’s Vortrag: On the earthly Paradise of European
Mythology, vgl. Academy, 7. Dec. 1878, p. 547. — Ueber alte Sagen von
einem Weſt-Paradieſe ſ. auch Tylor II, 61. 63 ff.
2) Siehe beſonders Dom. M’Causland, Adam and the Adamite, or
the Harmony between Scripture and Ethnology (London 1864; 3. edit.
1872, und vgl., was deſſen Vorgänger (Schelling, Philoſ. der Mythologie;
Morton, Nott ꝛc.) ſowie ſeine Nachfolger wie W. Woods Smyth (1874)
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