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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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VII. Der Ursitz des Menschengeschlechts.
Vivien de St. Martin etc.). Und in der That erscheint die eine
wie die andre dieser beiden Theorien durch manche Umstände
begünstigt, durch andre erschwert, sodaß man sehr wohl zwischen
ihnen zu schwanken veranlaßt werden kann. Nationale Sagen sowohl
der Armenier, als der Babylonier beanspruchen das Paradies für
ihre Heimathgegend; jene wollen, daß dasselbe bei Edschmiazin, diese
daß es da, wo jetzt die Stadt Kornah liegt, unmittelbar am Zusammen-
flusse von Euphrat und Tigris, sich befunden habe.1) Hätten nun die
Assyriologen H. Rawlinson, A. H. Sayce und Friedrich Delitzsch Recht,
welche auf verschiednen Wegen zur Vertretung eben dieser Pasitigris-
Theorie geführt wurden und auch keilinschriftliche Bestätigungen für die-
selbe gewonnen haben wollen2), so wäre die Sache endgiltig entschieden
und jeder weitere Streit um sie überflüssig gemacht. Doch bleiben
immer noch einzelne Bedenken zurück, vor allem die jetzige Beschaffen-
heit der Schat-el-Arab-Gegend, welche die Vorstellung, daß hier
einst ein üppig reicher Natursegen von der Art des im biblischen
Paradiesesberichte geschilderten ausgegossen gewesen sei, zu erschweren
scheint; deßgleichen auch die Schwierigkeit, gerade vier ungefähr von
Einem Punkte ausgehende Flußarme, wie sie doch der biblische Text

1) Ueber die Kurnah-Sage s. das jüngst erschienene Reisewerk des englischen
Publicisten Grattan Geary: Through Asiatic Turkey, London 1879.
2) Auf Keilinschriften des Brit. Museums behauptet Friedr. Delitzsch (laut
s. Vortrag in der Leipz. Gesellschaft f. Erdkunde am 28. Jan. 1878) die Namen
Pisan und Guchan als Beziehung zweier Schat-el-Arab-Arme aufgefunden zu
haben. Und zwar entspreche der Name Pisan dem Pallakopas-Canal, der zu
Alexanders d. Gr. Zeit dem Euphrat südlich parallel lief, u. s. f. -- H. Raw-
linson identificirt Gan-Eden mit der keilinschriftlich bezeugten babylonischen Land-
schaft Kardunijas (Südchaldäa), als deren vier Flüsse er den Euphrat, Tigris,
Surappi und Ukni bezeichnet (vgl. Schrader, D. Keilinschriften u. das A. T.,
S. 221 f.). -- Sayce sucht, hierin wie es scheint einer ähnlichen Hypothese des
französ. Geographen Vivien de St. Martin folgend, einen jetzt vertrockneten
westlichen Nebenfluß des Euphrat, der einst aus Central-Arabien kam (entdeckt
von Consul Wetstein 1865), als den Gihon der Genesis zu erweisen, während
der Pison = dem Pasitigris, d. i. dem Euläus sei (Academy 1875, 20. March.)

VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts.
Vivien de St. Martin ꝛc.). Und in der That erſcheint die eine
wie die andre dieſer beiden Theorien durch manche Umſtände
begünſtigt, durch andre erſchwert, ſodaß man ſehr wohl zwiſchen
ihnen zu ſchwanken veranlaßt werden kann. Nationale Sagen ſowohl
der Armenier, als der Babylonier beanſpruchen das Paradies für
ihre Heimathgegend; jene wollen, daß daſſelbe bei Edſchmiazin, dieſe
daß es da, wo jetzt die Stadt Kornah liegt, unmittelbar am Zuſammen-
fluſſe von Euphrat und Tigris, ſich befunden habe.1) Hätten nun die
Aſſyriologen H. Rawlinſon, A. H. Sayce und Friedrich Delitzſch Recht,
welche auf verſchiednen Wegen zur Vertretung eben dieſer Paſitigris-
Theorie geführt wurden und auch keilinſchriftliche Beſtätigungen für die-
ſelbe gewonnen haben wollen2), ſo wäre die Sache endgiltig entſchieden
und jeder weitere Streit um ſie überflüſſig gemacht. Doch bleiben
immer noch einzelne Bedenken zurück, vor allem die jetzige Beſchaffen-
heit der Schat-el-Arab-Gegend, welche die Vorſtellung, daß hier
einſt ein üppig reicher Naturſegen von der Art des im bibliſchen
Paradieſesberichte geſchilderten ausgegoſſen geweſen ſei, zu erſchweren
ſcheint; deßgleichen auch die Schwierigkeit, gerade vier ungefähr von
Einem Punkte ausgehende Flußarme, wie ſie doch der bibliſche Text

1) Ueber die Kurnah-Sage ſ. das jüngſt erſchienene Reiſewerk des engliſchen
Publiciſten Grattan Geary: Through Asiatic Turkey, London 1879.
2) Auf Keilinſchriften des Brit. Muſeums behauptet Friedr. Delitzſch (laut
ſ. Vortrag in der Leipz. Geſellſchaft f. Erdkunde am 28. Jan. 1878) die Namen
Pisan und Guchan als Beziehung zweier Schat-el-Arab-Arme aufgefunden zu
haben. Und zwar entſpreche der Name Pisan dem Pallakopas-Canal, der zu
Alexanders d. Gr. Zeit dem Euphrat ſüdlich parallel lief, u. ſ. f. — H. Raw-
linſon identificirt Gan-Eden mit der keilinſchriftlich bezeugten babyloniſchen Land-
ſchaft Kardunijas (Südchaldäa), als deren vier Flüſſe er den Euphrat, Tigris,
Surappi und Ukni bezeichnet (vgl. Schrader, D. Keilinſchriften u. das A. T.,
S. 221 f.). — Sayce ſucht, hierin wie es ſcheint einer ähnlichen Hypotheſe des
franzöſ. Geographen Vivien de St. Martin folgend, einen jetzt vertrockneten
weſtlichen Nebenfluß des Euphrat, der einſt aus Central-Arabien kam (entdeckt
von Conſul Wetſtein 1865), als den Gihon der Geneſis zu erweiſen, während
der Piſon = dem Paſitigris, d. i. dem Euläus ſei (Academy 1875, 20. March.)
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[223/0233] VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts. Vivien de St. Martin ꝛc.). Und in der That erſcheint die eine wie die andre dieſer beiden Theorien durch manche Umſtände begünſtigt, durch andre erſchwert, ſodaß man ſehr wohl zwiſchen ihnen zu ſchwanken veranlaßt werden kann. Nationale Sagen ſowohl der Armenier, als der Babylonier beanſpruchen das Paradies für ihre Heimathgegend; jene wollen, daß daſſelbe bei Edſchmiazin, dieſe daß es da, wo jetzt die Stadt Kornah liegt, unmittelbar am Zuſammen- fluſſe von Euphrat und Tigris, ſich befunden habe. 1) Hätten nun die Aſſyriologen H. Rawlinſon, A. H. Sayce und Friedrich Delitzſch Recht, welche auf verſchiednen Wegen zur Vertretung eben dieſer Paſitigris- Theorie geführt wurden und auch keilinſchriftliche Beſtätigungen für die- ſelbe gewonnen haben wollen 2), ſo wäre die Sache endgiltig entſchieden und jeder weitere Streit um ſie überflüſſig gemacht. Doch bleiben immer noch einzelne Bedenken zurück, vor allem die jetzige Beſchaffen- heit der Schat-el-Arab-Gegend, welche die Vorſtellung, daß hier einſt ein üppig reicher Naturſegen von der Art des im bibliſchen Paradieſesberichte geſchilderten ausgegoſſen geweſen ſei, zu erſchweren ſcheint; deßgleichen auch die Schwierigkeit, gerade vier ungefähr von Einem Punkte ausgehende Flußarme, wie ſie doch der bibliſche Text 1) Ueber die Kurnah-Sage ſ. das jüngſt erſchienene Reiſewerk des engliſchen Publiciſten Grattan Geary: Through Asiatic Turkey, London 1879. 2) Auf Keilinſchriften des Brit. Muſeums behauptet Friedr. Delitzſch (laut ſ. Vortrag in der Leipz. Geſellſchaft f. Erdkunde am 28. Jan. 1878) die Namen Pisan und Guchan als Beziehung zweier Schat-el-Arab-Arme aufgefunden zu haben. Und zwar entſpreche der Name Pisan dem Pallakopas-Canal, der zu Alexanders d. Gr. Zeit dem Euphrat ſüdlich parallel lief, u. ſ. f. — H. Raw- linſon identificirt Gan-Eden mit der keilinſchriftlich bezeugten babyloniſchen Land- ſchaft Kardunijas (Südchaldäa), als deren vier Flüſſe er den Euphrat, Tigris, Surappi und Ukni bezeichnet (vgl. Schrader, D. Keilinſchriften u. das A. T., S. 221 f.). — Sayce ſucht, hierin wie es ſcheint einer ähnlichen Hypotheſe des franzöſ. Geographen Vivien de St. Martin folgend, einen jetzt vertrockneten weſtlichen Nebenfluß des Euphrat, der einſt aus Central-Arabien kam (entdeckt von Conſul Wetſtein 1865), als den Gihon der Geneſis zu erweiſen, während der Piſon = dem Paſitigris, d. i. dem Euläus ſei (Academy 1875, 20. March.)

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/233>, abgerufen am 24.11.2024.