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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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VI. Sprach-, religions- und culturgeschichtliche Jnstanzen.
stehen, ebensowenig seien die auf gänzlich religionslose Stämme be-
züglichen Angaben glaubhaft.1) Wesentlich auf diesem Standpunkte,
wonach ein gewisses Minimum von Religion in Form des s. g.
Animismus überall, auch bei den tiefst stehenden Stämmen, anzu-
treffen wäre, hält sich selbst Darwin.2) Und von unsren deutschen
Darwinisten argumentirt beispielweise Caspari mehr gegen als für
die Annahme, daß es absolut religionslose Völker gebe; die von
ihm aus den Sitten und Traditionen australischer, brasilianischer,
südafrikanischer Völker in reichlicher Fülle beigebrachten Beispiele
widersprechen der Hypothese eines allgemeinen Ur-Atheismus auf das
Bestimmteste. Aehnlich v. Hellwald: gegen die Behauptung von
Reisenden, daß ein Volk keine Religion habe, gelte es sich stets mit
möglicher Vorsicht zu wappnen; ein religionsloses Volk sei eigentlich
"ein Unding, ebenso wie die von Manchen geträumte religionslose
Zukunft"; so lange ihre Sprache nicht genau erschlossen, müsse man
sehr "auf der Hut sein, an s. g. atheistische Völker zu glauben";
ja die Völkerkunde lehre, "daß die Existenz religionsloser Völker
fast mit positiver Gewißheit zu verneinen sei."3) Daß Forscher von
noch mehr vermittelnder, mit dem Darwinismus überhaupt nicht
oder nur theilweise engagirter Haltung wie Waitz und sein Fort-
setzer Gerland, Max Müller, Peschel etc. ähnlich urtheilen, versteht
sich von selbst. Von antidarwinistisch gerichteten Naturforschern und
Philosophen, die sich mehr oder minder eingehend und nachdrücklich
wider das in Rede stehende naturalistische Axiom erklärt haben, seien
hier nur M'Cosh, de Quatrefages, Robet Flint, Ad. Bastian,
A. Wigand, Ulrici, K. Ch. Plank, J. B. Meyer, Frohschammer

1) Anfänge der Cultur, I, 411--419. -- Ueber eine von Tylor an diese
im Ganzen so richtigen Betrachtungen geknüpfte falsche Folgerung, worin sich
doch wieder sein Rückfall in den ordinären Naturalismus auf unsrem Gebiete
vollzieht, s. oben, III, gegen Ende.
2) Abstammung des Menschen I, 55.
3) O. Caspari, Urgeschichte der Menschheit II, 157 ff. -- F. v. Hell-
wald,
Culturgeschichte S. 24. 32; Ausland 1870, S. 1038; 1875, S. 100.
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VI. Sprach-, religions- und culturgeſchichtliche Jnſtanzen.
ſtehen, ebenſowenig ſeien die auf gänzlich religionsloſe Stämme be-
züglichen Angaben glaubhaft.1) Weſentlich auf dieſem Standpunkte,
wonach ein gewiſſes Minimum von Religion in Form des ſ. g.
Animismus überall, auch bei den tiefſt ſtehenden Stämmen, anzu-
treffen wäre, hält ſich ſelbſt Darwin.2) Und von unſren deutſchen
Darwiniſten argumentirt beiſpielweiſe Caspari mehr gegen als für
die Annahme, daß es abſolut religionsloſe Völker gebe; die von
ihm aus den Sitten und Traditionen auſtraliſcher, braſilianiſcher,
ſüdafrikaniſcher Völker in reichlicher Fülle beigebrachten Beiſpiele
widerſprechen der Hypotheſe eines allgemeinen Ur-Atheismus auf das
Beſtimmteſte. Aehnlich v. Hellwald: gegen die Behauptung von
Reiſenden, daß ein Volk keine Religion habe, gelte es ſich ſtets mit
möglicher Vorſicht zu wappnen; ein religionsloſes Volk ſei eigentlich
„ein Unding, ebenſo wie die von Manchen geträumte religionsloſe
Zukunft‟; ſo lange ihre Sprache nicht genau erſchloſſen, müſſe man
ſehr „auf der Hut ſein, an ſ. g. atheiſtiſche Völker zu glauben‟;
ja die Völkerkunde lehre, „daß die Exiſtenz religionsloſer Völker
faſt mit poſitiver Gewißheit zu verneinen ſei.‟3) Daß Forſcher von
noch mehr vermittelnder, mit dem Darwinismus überhaupt nicht
oder nur theilweiſe engagirter Haltung wie Waitz und ſein Fort-
ſetzer Gerland, Max Müller, Peſchel ꝛc. ähnlich urtheilen, verſteht
ſich von ſelbſt. Von antidarwiniſtiſch gerichteten Naturforſchern und
Philoſophen, die ſich mehr oder minder eingehend und nachdrücklich
wider das in Rede ſtehende naturaliſtiſche Axiom erklärt haben, ſeien
hier nur M’Cosh, de Quatrefages, Robet Flint, Ad. Baſtian,
A. Wigand, Ulrici, K. Ch. Plank, J. B. Meyer, Frohſchammer

1) Anfänge der Cultur, I, 411—419. — Ueber eine von Tylor an dieſe
im Ganzen ſo richtigen Betrachtungen geknüpfte falſche Folgerung, worin ſich
doch wieder ſein Rückfall in den ordinären Naturalismus auf unſrem Gebiete
vollzieht, ſ. oben, III, gegen Ende.
2) Abſtammung des Menſchen I, 55.
3) O. Caspari, Urgeſchichte der Menſchheit II, 157 ff. — F. v. Hell-
wald,
Culturgeſchichte S. 24. 32; Ausland 1870, S. 1038; 1875, S. 100.
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[195/0205] VI. Sprach-, religions- und culturgeſchichtliche Jnſtanzen. ſtehen, ebenſowenig ſeien die auf gänzlich religionsloſe Stämme be- züglichen Angaben glaubhaft. 1) Weſentlich auf dieſem Standpunkte, wonach ein gewiſſes Minimum von Religion in Form des ſ. g. Animismus überall, auch bei den tiefſt ſtehenden Stämmen, anzu- treffen wäre, hält ſich ſelbſt Darwin. 2) Und von unſren deutſchen Darwiniſten argumentirt beiſpielweiſe Caspari mehr gegen als für die Annahme, daß es abſolut religionsloſe Völker gebe; die von ihm aus den Sitten und Traditionen auſtraliſcher, braſilianiſcher, ſüdafrikaniſcher Völker in reichlicher Fülle beigebrachten Beiſpiele widerſprechen der Hypotheſe eines allgemeinen Ur-Atheismus auf das Beſtimmteſte. Aehnlich v. Hellwald: gegen die Behauptung von Reiſenden, daß ein Volk keine Religion habe, gelte es ſich ſtets mit möglicher Vorſicht zu wappnen; ein religionsloſes Volk ſei eigentlich „ein Unding, ebenſo wie die von Manchen geträumte religionsloſe Zukunft‟; ſo lange ihre Sprache nicht genau erſchloſſen, müſſe man ſehr „auf der Hut ſein, an ſ. g. atheiſtiſche Völker zu glauben‟; ja die Völkerkunde lehre, „daß die Exiſtenz religionsloſer Völker faſt mit poſitiver Gewißheit zu verneinen ſei.‟ 3) Daß Forſcher von noch mehr vermittelnder, mit dem Darwinismus überhaupt nicht oder nur theilweiſe engagirter Haltung wie Waitz und ſein Fort- ſetzer Gerland, Max Müller, Peſchel ꝛc. ähnlich urtheilen, verſteht ſich von ſelbſt. Von antidarwiniſtiſch gerichteten Naturforſchern und Philoſophen, die ſich mehr oder minder eingehend und nachdrücklich wider das in Rede ſtehende naturaliſtiſche Axiom erklärt haben, ſeien hier nur M’Cosh, de Quatrefages, Robet Flint, Ad. Baſtian, A. Wigand, Ulrici, K. Ch. Plank, J. B. Meyer, Frohſchammer 1) Anfänge der Cultur, I, 411—419. — Ueber eine von Tylor an dieſe im Ganzen ſo richtigen Betrachtungen geknüpfte falſche Folgerung, worin ſich doch wieder ſein Rückfall in den ordinären Naturalismus auf unſrem Gebiete vollzieht, ſ. oben, III, gegen Ende. 2) Abſtammung des Menſchen I, 55. 3) O. Caspari, Urgeſchichte der Menſchheit II, 157 ff. — F. v. Hell- wald, Culturgeſchichte S. 24. 32; Ausland 1870, S. 1038; 1875, S. 100. 13*

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/205>, abgerufen am 23.11.2024.