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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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VI. Sprach-, religions- und culturgeschichtliche Jnstanzen.
zur Fixirung von Racentypen unbrauchbares Kriterium.1) Wird
darum die Ureinheit des Menschengeschlechts bezweifelt, so geschieht
dieß nicht wissenschaftlichen Thatsachen oder zwingenden Analogien,
sondern vorgefaßten Meinungen zulieb. Der Polygenismus unsrer
Sprachgelehrten und Ethnologen ist Dogma, nicht aus linguistischen
Thatsachen mit Nothwendigkeit resultirende wissenschaftliche Ueber-
zeugung.



2. Mit der vergleichenden Religionswissenschaft verhält
es sich nicht wesentlich anders. Was von ihrem Standpunkte aus
gegen die Ureinheit und Jntegrität des Menschengeschlechts vor-
gebracht wird, trägt regelmäßig die Gestalt nicht inductiv sondern
deductiv erbrachter Lehrsätze. Wo man es versucht hat, mittelst
Zurückgehens hinter jede concrete Erscheinungsform der Religion die
allerersten Regungen religiösen Empfindens und Vorstellens genetisch
zu erklären, da hat, wenn naturalistische Leugnung der biblischen Lehre
vom gottbildlichen Urstande und der paradiesischen Urgemeinschaft
mit Gott resultirte, jederzeit das Festhalten an gewissen dogmatischen
Voraussetzungen älterer oder jüngerer glaubensfeindlicher Speculation
den Spruch dictirt. So erklären sich insbesondere die bekannten
Versuche Spencers, Darwins, Lubbocks und ihrer Geistesverwandten,
die Religion überhaupt als etwas dem Menschen mit den Thieren
relativ Gemeinsames darzustellen, das sich nur dem Grade, nicht der

1) Vgl. einerseits, was die Unerheblichkeit des kraniologischen Moments
für jedweden Versuch zur Racen-Eintheilung betrifft: Peschel (Ansl. 1872, Nr.
10), H. v. Jhering (Ztschr. f. Ethnol. 1873, S. 121. 163 ff.); Virchow
(Rede beim Wiesbadener Anthropologen-Congr. 1873); E. Zuckerkandl
(Cranien der Novara-Sammlung, Wien 1875, S. 48); auch G. Retzius,
Henle
u. AA., -- andrerseits was die Belanglosigkeit des linguistischen Ein-
theiluugsprincips betrifft: Bastian (Ztschr. f. Ethnologie, I, H. IV, S. 279);
Max Müller (Vorl. üb. d. Wissensch. d. Sprache); v. Hellwald (in Bär-
Hellwald, Der vorgeschichtliche Mensch, S. 523 f.); ferner Fr. Müller, A. de
Quatrefages, F. Kanitz etc.

VI. Sprach-, religions- und culturgeſchichtliche Jnſtanzen.
zur Fixirung von Racentypen unbrauchbares Kriterium.1) Wird
darum die Ureinheit des Menſchengeſchlechts bezweifelt, ſo geſchieht
dieß nicht wiſſenſchaftlichen Thatſachen oder zwingenden Analogien,
ſondern vorgefaßten Meinungen zulieb. Der Polygenismus unſrer
Sprachgelehrten und Ethnologen iſt Dogma, nicht aus linguiſtiſchen
Thatſachen mit Nothwendigkeit reſultirende wiſſenſchaftliche Ueber-
zeugung.



2. Mit der vergleichenden Religionswiſſenſchaft verhält
es ſich nicht weſentlich anders. Was von ihrem Standpunkte aus
gegen die Ureinheit und Jntegrität des Menſchengeſchlechts vor-
gebracht wird, trägt regelmäßig die Geſtalt nicht inductiv ſondern
deductiv erbrachter Lehrſätze. Wo man es verſucht hat, mittelſt
Zurückgehens hinter jede concrete Erſcheinungsform der Religion die
allererſten Regungen religiöſen Empfindens und Vorſtellens genetiſch
zu erklären, da hat, wenn naturaliſtiſche Leugnung der bibliſchen Lehre
vom gottbildlichen Urſtande und der paradieſiſchen Urgemeinſchaft
mit Gott reſultirte, jederzeit das Feſthalten an gewiſſen dogmatiſchen
Vorausſetzungen älterer oder jüngerer glaubensfeindlicher Speculation
den Spruch dictirt. So erklären ſich insbeſondere die bekannten
Verſuche Spencers, Darwins, Lubbocks und ihrer Geiſtesverwandten,
die Religion überhaupt als etwas dem Menſchen mit den Thieren
relativ Gemeinſames darzuſtellen, das ſich nur dem Grade, nicht der

1) Vgl. einerſeits, was die Unerheblichkeit des kraniologiſchen Moments
für jedweden Verſuch zur Racen-Eintheilung betrifft: Peſchel (Ansl. 1872, Nr.
10), H. v. Jhering (Ztſchr. f. Ethnol. 1873, S. 121. 163 ff.); Virchow
(Rede beim Wiesbadener Anthropologen-Congr. 1873); E. Zuckerkandl
(Cranien der Novara-Sammlung, Wien 1875, S. 48); auch G. Retzius,
Henle
u. AA., — andrerſeits was die Belangloſigkeit des linguiſtiſchen Ein-
theiluugsprincips betrifft: Baſtian (Ztſchr. f. Ethnologie, I, H. IV, S. 279);
Max Müller (Vorl. üb. d. Wiſſenſch. d. Sprache); v. Hellwald (in Bär-
Hellwald, Der vorgeſchichtliche Menſch, S. 523 f.); ferner Fr. Müller, A. de
Quatrefages, F. Kanitz ꝛc.
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[188/0198] VI. Sprach-, religions- und culturgeſchichtliche Jnſtanzen. zur Fixirung von Racentypen unbrauchbares Kriterium. 1) Wird darum die Ureinheit des Menſchengeſchlechts bezweifelt, ſo geſchieht dieß nicht wiſſenſchaftlichen Thatſachen oder zwingenden Analogien, ſondern vorgefaßten Meinungen zulieb. Der Polygenismus unſrer Sprachgelehrten und Ethnologen iſt Dogma, nicht aus linguiſtiſchen Thatſachen mit Nothwendigkeit reſultirende wiſſenſchaftliche Ueber- zeugung. 2. Mit der vergleichenden Religionswiſſenſchaft verhält es ſich nicht weſentlich anders. Was von ihrem Standpunkte aus gegen die Ureinheit und Jntegrität des Menſchengeſchlechts vor- gebracht wird, trägt regelmäßig die Geſtalt nicht inductiv ſondern deductiv erbrachter Lehrſätze. Wo man es verſucht hat, mittelſt Zurückgehens hinter jede concrete Erſcheinungsform der Religion die allererſten Regungen religiöſen Empfindens und Vorſtellens genetiſch zu erklären, da hat, wenn naturaliſtiſche Leugnung der bibliſchen Lehre vom gottbildlichen Urſtande und der paradieſiſchen Urgemeinſchaft mit Gott reſultirte, jederzeit das Feſthalten an gewiſſen dogmatiſchen Vorausſetzungen älterer oder jüngerer glaubensfeindlicher Speculation den Spruch dictirt. So erklären ſich insbeſondere die bekannten Verſuche Spencers, Darwins, Lubbocks und ihrer Geiſtesverwandten, die Religion überhaupt als etwas dem Menſchen mit den Thieren relativ Gemeinſames darzuſtellen, das ſich nur dem Grade, nicht der 1) Vgl. einerſeits, was die Unerheblichkeit des kraniologiſchen Moments für jedweden Verſuch zur Racen-Eintheilung betrifft: Peſchel (Ansl. 1872, Nr. 10), H. v. Jhering (Ztſchr. f. Ethnol. 1873, S. 121. 163 ff.); Virchow (Rede beim Wiesbadener Anthropologen-Congr. 1873); E. Zuckerkandl (Cranien der Novara-Sammlung, Wien 1875, S. 48); auch G. Retzius, Henle u. AA., — andrerſeits was die Belangloſigkeit des linguiſtiſchen Ein- theiluugsprincips betrifft: Baſtian (Ztſchr. f. Ethnologie, I, H. IV, S. 279); Max Müller (Vorl. üb. d. Wiſſenſch. d. Sprache); v. Hellwald (in Bär- Hellwald, Der vorgeſchichtliche Menſch, S. 523 f.); ferner Fr. Müller, A. de Quatrefages, F. Kanitz ꝛc.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/198>, abgerufen am 22.11.2024.