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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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Prüfung der vorgeschichtlich-anthropologischen Gegeninstanzen.
Character tragen ihre Einwürfe in der That erst, seitdem sie diese
Waffenstücke ins Feld zu führen begonnen hat. Erst seit Lyell,
Lubbock und Tylor hat die antibiblische Urstands-Speculation ihre
frühere, einseitig theoretische und vielfach schwindelhaft phantastische
Argumentationsweise allmälig fahren gelassen. Sie ist erst seitdem
ein Factor geworden, mit dem man wissenschaftlich zu rechnen hat,
wenn man der in unsrem Problem beschlossenen Wahrheit auf den
Grund kommen will.

Aber kommt denn diese Waffe, deren soliden Werth wir berei-
willig zugestehen, auch wirklich der Opposition gegen den biblischen
Urstandsbegriff ausschließlich zu Gute? Jst es in der That die prä-
historische Wissenschaft als bib elfeindliche, als mit der Urge-
schichte der Genesis schlechthin nicht auszusöhnende, die damit gestützt
wird? Muß der Glaube an eine paradiesische Hoheit und Reinheit
des Ausgangspunktes der menschlichen Entwicklung an jenen Stein-
und Knochengeräthen der Quaternärzeit zerschellen und zu Schanden
werden?

Wir bestreiten das mit aller Bestimmtheit, und zwar zuvörderst
aus dem exegetischen und biblisch-historischen Grunde, den das vierte
Kapitel der Genesis uns schon früher vor Augen gestellt hat. Auch
die mosaische Urkunde kennt eine Steinzeit
als der Stufe
der Metallbearbeitung vorhergegangen. Die Baumäste und Steine,
welche der römische Dichter als frühestes Waffenmaterial dem Erz
und Eisen vorausgehen läßt, stimmen ebenso gut mit der biblischen
Darstellung wie mit dem Zeugnisse der prähistorischen Forschung
überein. Von Kain dem ersten Todtschläger, bis auf Thubalkain
den ersten Waffenschmied herrscht Steincultur, mit dem letzteren
beginnt Erz- und Eisencultur; wo bleibt da die Discrepanz zwischen
Bibel und Prähistorie? -- Und muß denn nothwendig gerade nur
der frühesten Urzeit die Steincultur als specifisch Eigenthümliches
reservirt werden? Fordert die Bibel, daß man ein sofortiges und
allgemeines Uebergehen aller Stämme zum Gebrauche der Erfin-
dungen der Söhne Lamechs voraussetze? daß man die nachsint-

Prüfung der vorgeſchichtlich-anthropologiſchen Gegeninſtanzen.
Character tragen ihre Einwürfe in der That erſt, ſeitdem ſie dieſe
Waffenſtücke ins Feld zu führen begonnen hat. Erſt ſeit Lyell,
Lubbock und Tylor hat die antibibliſche Urſtands-Speculation ihre
frühere, einſeitig theoretiſche und vielfach ſchwindelhaft phantaſtiſche
Argumentationsweiſe allmälig fahren gelaſſen. Sie iſt erſt ſeitdem
ein Factor geworden, mit dem man wiſſenſchaftlich zu rechnen hat,
wenn man der in unſrem Problem beſchloſſenen Wahrheit auf den
Grund kommen will.

Aber kommt denn dieſe Waffe, deren ſoliden Werth wir berei-
willig zugeſtehen, auch wirklich der Oppoſition gegen den bibliſchen
Urſtandsbegriff ausſchließlich zu Gute? Jſt es in der That die prä-
hiſtoriſche Wiſſenſchaft als bib elfeindliche, als mit der Urge-
ſchichte der Geneſis ſchlechthin nicht auszuſöhnende, die damit geſtützt
wird? Muß der Glaube an eine paradieſiſche Hoheit und Reinheit
des Ausgangspunktes der menſchlichen Entwicklung an jenen Stein-
und Knochengeräthen der Quaternärzeit zerſchellen und zu Schanden
werden?

Wir beſtreiten das mit aller Beſtimmtheit, und zwar zuvörderſt
aus dem exegetiſchen und bibliſch-hiſtoriſchen Grunde, den das vierte
Kapitel der Geneſis uns ſchon früher vor Augen geſtellt hat. Auch
die moſaiſche Urkunde kennt eine Steinzeit
als der Stufe
der Metallbearbeitung vorhergegangen. Die Baumäſte und Steine,
welche der römiſche Dichter als früheſtes Waffenmaterial dem Erz
und Eiſen vorausgehen läßt, ſtimmen ebenſo gut mit der bibliſchen
Darſtellung wie mit dem Zeugniſſe der prähiſtoriſchen Forſchung
überein. Von Kain dem erſten Todtſchläger, bis auf Thubalkain
den erſten Waffenſchmied herrſcht Steincultur, mit dem letzteren
beginnt Erz- und Eiſencultur; wo bleibt da die Discrepanz zwiſchen
Bibel und Prähiſtorie? — Und muß denn nothwendig gerade nur
der früheſten Urzeit die Steincultur als ſpecifiſch Eigenthümliches
reſervirt werden? Fordert die Bibel, daß man ein ſofortiges und
allgemeines Uebergehen aller Stämme zum Gebrauche der Erfin-
dungen der Söhne Lamechs vorausſetze? daß man die nachſint-

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[153/0163] Prüfung der vorgeſchichtlich-anthropologiſchen Gegeninſtanzen. Character tragen ihre Einwürfe in der That erſt, ſeitdem ſie dieſe Waffenſtücke ins Feld zu führen begonnen hat. Erſt ſeit Lyell, Lubbock und Tylor hat die antibibliſche Urſtands-Speculation ihre frühere, einſeitig theoretiſche und vielfach ſchwindelhaft phantaſtiſche Argumentationsweiſe allmälig fahren gelaſſen. Sie iſt erſt ſeitdem ein Factor geworden, mit dem man wiſſenſchaftlich zu rechnen hat, wenn man der in unſrem Problem beſchloſſenen Wahrheit auf den Grund kommen will. Aber kommt denn dieſe Waffe, deren ſoliden Werth wir berei- willig zugeſtehen, auch wirklich der Oppoſition gegen den bibliſchen Urſtandsbegriff ausſchließlich zu Gute? Jſt es in der That die prä- hiſtoriſche Wiſſenſchaft als bib elfeindliche, als mit der Urge- ſchichte der Geneſis ſchlechthin nicht auszuſöhnende, die damit geſtützt wird? Muß der Glaube an eine paradieſiſche Hoheit und Reinheit des Ausgangspunktes der menſchlichen Entwicklung an jenen Stein- und Knochengeräthen der Quaternärzeit zerſchellen und zu Schanden werden? Wir beſtreiten das mit aller Beſtimmtheit, und zwar zuvörderſt aus dem exegetiſchen und bibliſch-hiſtoriſchen Grunde, den das vierte Kapitel der Geneſis uns ſchon früher vor Augen geſtellt hat. Auch die moſaiſche Urkunde kennt eine Steinzeit als der Stufe der Metallbearbeitung vorhergegangen. Die Baumäſte und Steine, welche der römiſche Dichter als früheſtes Waffenmaterial dem Erz und Eiſen vorausgehen läßt, ſtimmen ebenſo gut mit der bibliſchen Darſtellung wie mit dem Zeugniſſe der prähiſtoriſchen Forſchung überein. Von Kain dem erſten Todtſchläger, bis auf Thubalkain den erſten Waffenſchmied herrſcht Steincultur, mit dem letzteren beginnt Erz- und Eiſencultur; wo bleibt da die Discrepanz zwiſchen Bibel und Prähiſtorie? — Und muß denn nothwendig gerade nur der früheſten Urzeit die Steincultur als ſpecifiſch Eigenthümliches reſervirt werden? Fordert die Bibel, daß man ein ſofortiges und allgemeines Uebergehen aller Stämme zum Gebrauche der Erfin- dungen der Söhne Lamechs vorausſetze? daß man die nachſint-

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/163>, abgerufen am 22.11.2024.