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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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IV. Die Opposition des modernen Naturalismus.
licher Funde schloß sich an, welche die Position der hartnäckigen
dogmatischen Leugner fossiler Menschenreste aus Cuviers Schule mehr
und mehr unhaltbar machten1). Nirgends ist seitdem mit größerem
Enthusiasmus der prähistorischen Wissenschaft gehuldigt worden,
nirgends hat das aus Dänemark stammende Schema der drei Zeit-
alter (Stein-, Bronze und Eisenzeit) bereitwilligere Gläubige gefunden,
nirgends ist man rascher und unbedachtsamer vom Glauben an den
quaternären zu dem an den tertiären Fossilmenschen fortgeschritten!
Mit dem "homme tertiaire" wird hier in alterthumsforschenden
Kreisen vielfach ein fast abgöttischer Cultus getrieben; es gibt
Fanatiker dieses Cultus (de Mortillet etc.), welche für die Annahme
halb affen- halb menschenartiger Bewohner Europas zur Pliocän-
oder gar schon zur Miocänzeit wie für ein neues Evangelium Pro-
paganda machen und bald die technischen Fertigkeiten bald die
Geschlechtssitten dieser sprachlosen "precurseurs de l'homme" mit
lebhafter Phantasie auszumalen suchen2). An besonneneren Gegnern
dieser Extravaganzen fehlt es nicht. Noch protestirt de Quatre-
fages dagegen, daß man aus den Skeletresten und Artafacten von
angeblich tertiärem Ursprung für den Darwinismus Capital schlage;
noch erklärt eine bedeutende anatomische Autorität wie Broca den
Tertiärmenschen für ein einstweilen noch unbewiesenes Problem3).
Auch entschiednere Vertreter der Entartungstheorie, die in der Weise
wie früher der edle französische Schweizer de Rougemont die biblische
Urgeschichte mit archäologischer und religionshistorischer Gelehrsamkeit
vertheidigen, hat das heutige Frankreich immer noch aufzuweisen.
Andre huldigen einer vermittelnden Richtung, indem sie zwar betreffs
der Altersfrage von der biblischen Autorität abweichen, sonst aber

1) S. besonders Meunier, Les ancetres d' Adam. Histoire de l'homme
fossile. Paris
1875. Vgl. m. Geschichte der Beziehungen etc. II, 759 f.
2) Gabr. de Mortillet, Le precurseur de l'homme. Lyon 1873. --
Giraud-Teulon, Les origines de la famille. Par. 1874, u. s. f.
3) J. Broca, Ansprache an die franz. Association Scientifique zu Havre,
1877. -- Vgl. A. de Quatrefages, das Menschengeschlecht etc. Leipzig 1878.
Zöckler, Urstand. 10

IV. Die Oppoſition des modernen Naturalismus.
licher Funde ſchloß ſich an, welche die Poſition der hartnäckigen
dogmatiſchen Leugner foſſiler Menſchenreſte aus Cuviers Schule mehr
und mehr unhaltbar machten1). Nirgends iſt ſeitdem mit größerem
Enthuſiasmus der prähiſtoriſchen Wiſſenſchaft gehuldigt worden,
nirgends hat das aus Dänemark ſtammende Schema der drei Zeit-
alter (Stein-, Bronze und Eiſenzeit) bereitwilligere Gläubige gefunden,
nirgends iſt man raſcher und unbedachtſamer vom Glauben an den
quaternären zu dem an den tertiären Foſſilmenſchen fortgeſchritten!
Mit dem „homme tertiaire‟ wird hier in alterthumsforſchenden
Kreiſen vielfach ein faſt abgöttiſcher Cultus getrieben; es gibt
Fanatiker dieſes Cultus (de Mortillet ꝛc.), welche für die Annahme
halb affen- halb menſchenartiger Bewohner Europas zur Pliocän-
oder gar ſchon zur Miocänzeit wie für ein neues Evangelium Pro-
paganda machen und bald die techniſchen Fertigkeiten bald die
Geſchlechtsſitten dieſer ſprachloſen „précurseurs de l’homme‟ mit
lebhafter Phantaſie auszumalen ſuchen2). An beſonneneren Gegnern
dieſer Extravaganzen fehlt es nicht. Noch proteſtirt de Quatre-
fages dagegen, daß man aus den Skeletreſten und Artafacten von
angeblich tertiärem Urſprung für den Darwinismus Capital ſchlage;
noch erklärt eine bedeutende anatomiſche Autorität wie Broca den
Tertiärmenſchen für ein einſtweilen noch unbewieſenes Problem3).
Auch entſchiednere Vertreter der Entartungstheorie, die in der Weiſe
wie früher der edle franzöſiſche Schweizer de Rougemont die bibliſche
Urgeſchichte mit archäologiſcher und religionshiſtoriſcher Gelehrſamkeit
vertheidigen, hat das heutige Frankreich immer noch aufzuweiſen.
Andre huldigen einer vermittelnden Richtung, indem ſie zwar betreffs
der Altersfrage von der bibliſchen Autorität abweichen, ſonſt aber

1) S. beſonders Meunier, Les ancêtres d’ Adam. Histoire de l’homme
fossile. Paris
1875. Vgl. m. Geſchichte der Beziehungen ꝛc. II, 759 f.
2) Gabr. de Mortillet, Le précurseur de l’homme. Lyon 1873. —
Giraud-Teulon, Les origines de la famille. Par. 1874, u. ſ. f.
3) J. Broca, Anſprache an die franz. Association Scientifique zu Havre,
1877. — Vgl. A. de Quatrefages, das Menſchengeſchlecht ꝛc. Leipzig 1878.
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[145/0155] IV. Die Oppoſition des modernen Naturalismus. licher Funde ſchloß ſich an, welche die Poſition der hartnäckigen dogmatiſchen Leugner foſſiler Menſchenreſte aus Cuviers Schule mehr und mehr unhaltbar machten 1). Nirgends iſt ſeitdem mit größerem Enthuſiasmus der prähiſtoriſchen Wiſſenſchaft gehuldigt worden, nirgends hat das aus Dänemark ſtammende Schema der drei Zeit- alter (Stein-, Bronze und Eiſenzeit) bereitwilligere Gläubige gefunden, nirgends iſt man raſcher und unbedachtſamer vom Glauben an den quaternären zu dem an den tertiären Foſſilmenſchen fortgeſchritten! Mit dem „homme tertiaire‟ wird hier in alterthumsforſchenden Kreiſen vielfach ein faſt abgöttiſcher Cultus getrieben; es gibt Fanatiker dieſes Cultus (de Mortillet ꝛc.), welche für die Annahme halb affen- halb menſchenartiger Bewohner Europas zur Pliocän- oder gar ſchon zur Miocänzeit wie für ein neues Evangelium Pro- paganda machen und bald die techniſchen Fertigkeiten bald die Geſchlechtsſitten dieſer ſprachloſen „précurseurs de l’homme‟ mit lebhafter Phantaſie auszumalen ſuchen 2). An beſonneneren Gegnern dieſer Extravaganzen fehlt es nicht. Noch proteſtirt de Quatre- fages dagegen, daß man aus den Skeletreſten und Artafacten von angeblich tertiärem Urſprung für den Darwinismus Capital ſchlage; noch erklärt eine bedeutende anatomiſche Autorität wie Broca den Tertiärmenſchen für ein einſtweilen noch unbewieſenes Problem 3). Auch entſchiednere Vertreter der Entartungstheorie, die in der Weiſe wie früher der edle franzöſiſche Schweizer de Rougemont die bibliſche Urgeſchichte mit archäologiſcher und religionshiſtoriſcher Gelehrſamkeit vertheidigen, hat das heutige Frankreich immer noch aufzuweiſen. Andre huldigen einer vermittelnden Richtung, indem ſie zwar betreffs der Altersfrage von der bibliſchen Autorität abweichen, ſonſt aber 1) S. beſonders Meunier, Les ancêtres d’ Adam. Histoire de l’homme fossile. Paris 1875. Vgl. m. Geſchichte der Beziehungen ꝛc. II, 759 f. 2) Gabr. de Mortillet, Le précurseur de l’homme. Lyon 1873. — Giraud-Teulon, Les origines de la famille. Par. 1874, u. ſ. f. 3) J. Broca, Anſprache an die franz. Association Scientifique zu Havre, 1877. — Vgl. A. de Quatrefages, das Menſchengeſchlecht ꝛc. Leipzig 1878. Zöckler, Urſtand. 10

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/155>, abgerufen am 22.11.2024.