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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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III. Die Traditionen des Heidenthums.
bei Seneca und Florus eine Rolle spielende Verwendung der mensch-
lichen Lebensalter, Kindheit, Jugend, Mannheit, Greisenalter zur
Periodisirung der Gesammtgeschichte, besser zusagen:1) auf die alt-
hergebrachten religiösen Volksvorstellungen vom Ursprung und der
Urzeit unsres Geschlechts hat das alles doch nur geringen Einfluß
geübt. Noch zu Pauli Zeit lebt die Erinnerung an das einstige
Wandeln der Götter unter den Menschenkindern auf Erden bei den
Lykaoniern zu Lystra in voller Stärke fort, steht aber auch bei
Athens Philosophen das Dichterwort vom Zeus-Ursprung oder
"göttlichen Geschlechte" der Menschen in Ehren (Apg. 14, 11 f.;
17, 28). Später noch sieht man einen Plutarch über die Empe-
dokleischen Fischursprungslehren bitter spotten, und andre Philosophen
in ihren Bemühungen um Rettung und Stärkung des alten Volks-
glaubens noch viel weiter gehn.2)

Die Bekräftigung der biblischen Urstandslehre in ihren allge-
meinen Umrissen durch das Zeugniß der heidnischen Mythen und
auch vieler angesehener Philosophen (argumentum e consensu
gentium et philosophorum potiorum
) läßt in der That wenig
zu wünschen übrig. Die zurückbleibenden Discrepanzen sind in der
Hauptsache nur solche, die sich jeweilig aus der Grundrichtung der
betr. Nationalreligionen sowie aus dem bedingenden Einflusse ört-
licher Ueberlieferungen mit Nothwendigkeit ergeben, ohne den Kern
der Sache zu berühren. Ein goldnes Zeitalter mit darauf
gefolgtem allmähligem Herabsinken zur Dürftigkeit
und Kümmerlichkeit heutiger Zustände, eine Paradieses-
sonne mit langsam erbleichendem Glanze ist in der
That Gemeinbesitz der Traditionen aller älteren
Völker.
Darf dieses Ergebniß als so ganz bedeutungslos auf
Seite gelegt werden?

Man hat der Thatsache durch mehrerlei Betrachtungen ihr

1) Seneca b. Lactanz, Instit. VII, 15. -- Florus, Epit., Prooem.
2) Plut. (Sympos. VIII, 8). Vgl. Maximus v. Tyrus, Aelian etc.

III. Die Traditionen des Heidenthums.
bei Seneca und Florus eine Rolle ſpielende Verwendung der menſch-
lichen Lebensalter, Kindheit, Jugend, Mannheit, Greiſenalter zur
Periodiſirung der Geſammtgeſchichte, beſſer zuſagen:1) auf die alt-
hergebrachten religiöſen Volksvorſtellungen vom Urſprung und der
Urzeit unſres Geſchlechts hat das alles doch nur geringen Einfluß
geübt. Noch zu Pauli Zeit lebt die Erinnerung an das einſtige
Wandeln der Götter unter den Menſchenkindern auf Erden bei den
Lykaoniern zu Lyſtra in voller Stärke fort, ſteht aber auch bei
Athens Philoſophen das Dichterwort vom Zeus-Urſprung oder
„göttlichen Geſchlechte‟ der Menſchen in Ehren (Apg. 14, 11 f.;
17, 28). Später noch ſieht man einen Plutarch über die Empe-
dokleiſchen Fiſchurſprungslehren bitter ſpotten, und andre Philoſophen
in ihren Bemühungen um Rettung und Stärkung des alten Volks-
glaubens noch viel weiter gehn.2)

Die Bekräftigung der bibliſchen Urſtandslehre in ihren allge-
meinen Umriſſen durch das Zeugniß der heidniſchen Mythen und
auch vieler angeſehener Philoſophen (argumentum e consensu
gentium et philosophorum potiorum
) läßt in der That wenig
zu wünſchen übrig. Die zurückbleibenden Discrepanzen ſind in der
Hauptſache nur ſolche, die ſich jeweilig aus der Grundrichtung der
betr. Nationalreligionen ſowie aus dem bedingenden Einfluſſe ört-
licher Ueberlieferungen mit Nothwendigkeit ergeben, ohne den Kern
der Sache zu berühren. Ein goldnes Zeitalter mit darauf
gefolgtem allmähligem Herabſinken zur Dürftigkeit
und Kümmerlichkeit heutiger Zuſtände, eine Paradieſes-
ſonne mit langſam erbleichendem Glanze iſt in der
That Gemeinbeſitz der Traditionen aller älteren
Völker.
Darf dieſes Ergebniß als ſo ganz bedeutungslos auf
Seite gelegt werden?

Man hat der Thatſache durch mehrerlei Betrachtungen ihr

1) Seneca b. Lactanz, Instit. VII, 15. — Florus, Epit., Prooem.
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[103/0113] III. Die Traditionen des Heidenthums. bei Seneca und Florus eine Rolle ſpielende Verwendung der menſch- lichen Lebensalter, Kindheit, Jugend, Mannheit, Greiſenalter zur Periodiſirung der Geſammtgeſchichte, beſſer zuſagen: 1) auf die alt- hergebrachten religiöſen Volksvorſtellungen vom Urſprung und der Urzeit unſres Geſchlechts hat das alles doch nur geringen Einfluß geübt. Noch zu Pauli Zeit lebt die Erinnerung an das einſtige Wandeln der Götter unter den Menſchenkindern auf Erden bei den Lykaoniern zu Lyſtra in voller Stärke fort, ſteht aber auch bei Athens Philoſophen das Dichterwort vom Zeus-Urſprung oder „göttlichen Geſchlechte‟ der Menſchen in Ehren (Apg. 14, 11 f.; 17, 28). Später noch ſieht man einen Plutarch über die Empe- dokleiſchen Fiſchurſprungslehren bitter ſpotten, und andre Philoſophen in ihren Bemühungen um Rettung und Stärkung des alten Volks- glaubens noch viel weiter gehn. 2) Die Bekräftigung der bibliſchen Urſtandslehre in ihren allge- meinen Umriſſen durch das Zeugniß der heidniſchen Mythen und auch vieler angeſehener Philoſophen (argumentum e consensu gentium et philosophorum potiorum) läßt in der That wenig zu wünſchen übrig. Die zurückbleibenden Discrepanzen ſind in der Hauptſache nur ſolche, die ſich jeweilig aus der Grundrichtung der betr. Nationalreligionen ſowie aus dem bedingenden Einfluſſe ört- licher Ueberlieferungen mit Nothwendigkeit ergeben, ohne den Kern der Sache zu berühren. Ein goldnes Zeitalter mit darauf gefolgtem allmähligem Herabſinken zur Dürftigkeit und Kümmerlichkeit heutiger Zuſtände, eine Paradieſes- ſonne mit langſam erbleichendem Glanze iſt in der That Gemeinbeſitz der Traditionen aller älteren Völker. Darf dieſes Ergebniß als ſo ganz bedeutungslos auf Seite gelegt werden? Man hat der Thatſache durch mehrerlei Betrachtungen ihr 1) Seneca b. Lactanz, Instit. VII, 15. — Florus, Epit., Prooem. 2) Plut. (Sympos. VIII, 8). Vgl. Maximus v. Tyrus, Aelian ꝛc.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/113>, abgerufen am 22.11.2024.