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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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III. Die Traditionen des Heidenthums.
jede 750 Jahre gedauert habe.1) -- Von den durch römische
Berichterstatter überlieferten urgeschichtlichen Sagen gehört vor allen
die vom Saturnischen goldnen Zeitalter hieher. Jn der bekannten
späteren Fassung, welche Vergil im 8. Buche seiner Aeneide dieser
Sage ertheilt hat, spielt ein an die evolutionistischen Speculationen
eines Lucrez etc. erinnernder Zug roh-naturalistischer Art in das
überwiegend degradationistisch gehaltene Gemälde von den guten
alten Zeiten hinein: ungeschlachte und unwissende Urmenschen, "aus
Baumstämmen und hartem Holze gewachsen," sind es, welche der
vom Olymp ausgestoßene Fremdling Saturnus sammelt, an bessere
Sitten gewöhnt und während des goldnen Zeitalters in Latium
friedlich regiert --

"Bis, jenes Glanzes beraubt (decolor), ein schlechteres Weltalter folgte,
Mit ihm des Krieges Wuth und die leidige Gier nach dem Haben".

Der Kern dieser Sage ist jedenfalls altitalischen Ursprungs; wie
denn insbesondere auch das Moment der langen Lebensdauer in
der glückseligen Urzeit schon im ältesten Sagengute der Römer
vorhanden gewesen sein muß, da bereits Varro und später Plinius
durch die vielhundertjährigen Alter der urzeitlichen Tradition zu
ihren rationalistischen Versuchen, die betreffenden Jahre auf Zehntels-
jahre oder auch auf Vierteljahre zu reduciren, veranlaßt wurden.2)

Wohl erst ziemlich späten Ursprungs und außer durch römische
und griechische vielleicht auch durch christliche Quellen in ihrem Ent-
stehen beeinflußt, sind die germanischen Sagen vom Urstande in
der jüngeren Edda. Sie lassen inmitten der Stadt Asgard, des
nordischen Paradieses, einen großen Saal, inwendig und auswendig
vom lautersten Gold, gebaut werden, genannt "Gladsheim" (Freuden-
land) und verbunden mit Wingolf, der schönen Wohnstätte für die
Göttinnen. Jn dieser köstlichsten und größten Wohnung auf dem

1) Suid. Lex. s. v. [fremdsprachliches Material - 1 Wort fehlt]. Vgl. Rocholl, Philos. der Geschichte,
S. 18.
2) Vergil. Aen. VIII, 315--327. Vgl. den Scholiasten Servius z. d
St., sowie Plin. H. N. VII, 49.

III. Die Traditionen des Heidenthums.
jede 750 Jahre gedauert habe.1) — Von den durch römiſche
Berichterſtatter überlieferten urgeſchichtlichen Sagen gehört vor allen
die vom Saturniſchen goldnen Zeitalter hieher. Jn der bekannten
ſpäteren Faſſung, welche Vergil im 8. Buche ſeiner Aeneide dieſer
Sage ertheilt hat, ſpielt ein an die evolutioniſtiſchen Speculationen
eines Lucrez ꝛc. erinnernder Zug roh-naturaliſtiſcher Art in das
überwiegend degradationiſtiſch gehaltene Gemälde von den guten
alten Zeiten hinein: ungeſchlachte und unwiſſende Urmenſchen, „aus
Baumſtämmen und hartem Holze gewachſen,‟ ſind es, welche der
vom Olymp ausgeſtoßene Fremdling Saturnus ſammelt, an beſſere
Sitten gewöhnt und während des goldnen Zeitalters in Latium
friedlich regiert —

„Bis, jenes Glanzes beraubt (decolor), ein ſchlechteres Weltalter folgte,
Mit ihm des Krieges Wuth und die leidige Gier nach dem Haben‟.

Der Kern dieſer Sage iſt jedenfalls altitaliſchen Urſprungs; wie
denn insbeſondere auch das Moment der langen Lebensdauer in
der glückſeligen Urzeit ſchon im älteſten Sagengute der Römer
vorhanden geweſen ſein muß, da bereits Varro und ſpäter Plinius
durch die vielhundertjährigen Alter der urzeitlichen Tradition zu
ihren rationaliſtiſchen Verſuchen, die betreffenden Jahre auf Zehntels-
jahre oder auch auf Vierteljahre zu reduciren, veranlaßt wurden.2)

Wohl erſt ziemlich ſpäten Urſprungs und außer durch römiſche
und griechiſche vielleicht auch durch chriſtliche Quellen in ihrem Ent-
ſtehen beeinflußt, ſind die germaniſchen Sagen vom Urſtande in
der jüngeren Edda. Sie laſſen inmitten der Stadt Asgard, des
nordiſchen Paradieſes, einen großen Saal, inwendig und auswendig
vom lauterſten Gold, gebaut werden, genannt „Gladsheim‟ (Freuden-
land) und verbunden mit Wingolf, der ſchönen Wohnſtätte für die
Göttinnen. Jn dieſer köſtlichſten und größten Wohnung auf dem

1) Suid. Lex. s. v. [fremdsprachliches Material – 1 Wort fehlt]. Vgl. Rocholl, Philoſ. der Geſchichte,
S. 18.
2) Vergil. Aen. VIII, 315—327. Vgl. den Scholiaſten Servius z. d
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[96/0106] III. Die Traditionen des Heidenthums. jede 750 Jahre gedauert habe. 1) — Von den durch römiſche Berichterſtatter überlieferten urgeſchichtlichen Sagen gehört vor allen die vom Saturniſchen goldnen Zeitalter hieher. Jn der bekannten ſpäteren Faſſung, welche Vergil im 8. Buche ſeiner Aeneide dieſer Sage ertheilt hat, ſpielt ein an die evolutioniſtiſchen Speculationen eines Lucrez ꝛc. erinnernder Zug roh-naturaliſtiſcher Art in das überwiegend degradationiſtiſch gehaltene Gemälde von den guten alten Zeiten hinein: ungeſchlachte und unwiſſende Urmenſchen, „aus Baumſtämmen und hartem Holze gewachſen,‟ ſind es, welche der vom Olymp ausgeſtoßene Fremdling Saturnus ſammelt, an beſſere Sitten gewöhnt und während des goldnen Zeitalters in Latium friedlich regiert — „Bis, jenes Glanzes beraubt (decolor), ein ſchlechteres Weltalter folgte, Mit ihm des Krieges Wuth und die leidige Gier nach dem Haben‟. Der Kern dieſer Sage iſt jedenfalls altitaliſchen Urſprungs; wie denn insbeſondere auch das Moment der langen Lebensdauer in der glückſeligen Urzeit ſchon im älteſten Sagengute der Römer vorhanden geweſen ſein muß, da bereits Varro und ſpäter Plinius durch die vielhundertjährigen Alter der urzeitlichen Tradition zu ihren rationaliſtiſchen Verſuchen, die betreffenden Jahre auf Zehntels- jahre oder auch auf Vierteljahre zu reduciren, veranlaßt wurden. 2) Wohl erſt ziemlich ſpäten Urſprungs und außer durch römiſche und griechiſche vielleicht auch durch chriſtliche Quellen in ihrem Ent- ſtehen beeinflußt, ſind die germaniſchen Sagen vom Urſtande in der jüngeren Edda. Sie laſſen inmitten der Stadt Asgard, des nordiſchen Paradieſes, einen großen Saal, inwendig und auswendig vom lauterſten Gold, gebaut werden, genannt „Gladsheim‟ (Freuden- land) und verbunden mit Wingolf, der ſchönen Wohnſtätte für die Göttinnen. Jn dieſer köſtlichſten und größten Wohnung auf dem 1) Suid. Lex. s. v. _. Vgl. Rocholl, Philoſ. der Geſchichte, S. 18. 2) Vergil. Aen. VIII, 315—327. Vgl. den Scholiaſten Servius z. d St., ſowie Plin. H. N. VII, 49.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/106>, abgerufen am 25.11.2024.