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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1724.

Von ihren Meynungen, die sonderlich gewesen,
Hab ich biß diesen Tag noch keinen Satz gelesen.

Was aber bauet ihr ein Denckmahl bey uns auf?
Jhr eingekehrter Mensch in sanft- und stillem Geiste,1. Pet. 3, 4.
Damit sie unverrückt die JEsus-Liebe preißte:
Jhr vor der gantzen Welt untadelhafter Lauf,
Jhr helles Glaubens-Licht, ihr Zeugniß von der Spur1. Cor.
(12, 10.

Und von dem gantzen Lauf der neuen Creatur.
Es ist Bedenckens werth, was dort der Heyland spricht:
Jch hätte, Kinder, euch noch mancherley zu sagen;Joh. 16, 12.
Allein, ihr könnets itzt nicht allerdings ertragen.
Drum sucht man billig nur das nöth'ge Glaubens-Licht:
Man darf dem Menschen bloß den Weg zu Christo zeigen;
Was GOtt sonst offenbart, das kan man nur verschweigen.
Jch höre aber wol, das hat sie nicht gethan,
Die Edle Jüngerin, die nun bey JEsu thronet;
Sie hat es kund gemacht, was ihr im Sinn gewohnet,
Und hat nicht einmal recht im Grunde; (saget man.)
Dem sey denn, wie ihm sey, mein Leser, ich und du,
Verstehns wol beyde nicht: Und sie ist in der Ruh.
Allein, sie stunde doch in dem und jenem Wahn?
Und ich begehre sie auf keine Art zu retten,
Noch über künftigen, mein Freund mit dir zu wetten,
Jch seye, oder nicht, der Meynung zugethan;
Das aber wünsch ich dir vom Grunde meiner Seelen:

Den schmalen Lebens-Pfad, den sie vollführt, zu wehlen.
Was soll der Meynungs-Kram? was nützt der Schulen-
Zanck?

Wer Christum JEsum kennt, als eine Lebens-Quelle,
Setzt keinen fremden Born an diese hohe Stelle,
Und lechtzt, und sehnt sich nur nach diesem Lebens-Tranck:
Den dürstet ewig nicht, der wird ins Leben gehn,(13, 12.
1 Cor.

Er mag die Creutz und Quer in Meynungs-Spiegel sehn.
Das ist des Glaubens Wort: HErr JEsu, ich bin nichts;
Du bist mir aber ja, mein Freund, zu allem worden,
Verbirgst der Gottheit Pracht in einen Knechtes-Orden:
Zu

1724.

Von ihren Meynungen, die ſonderlich geweſen,
Hab ich biß dieſen Tag noch keinen Satz geleſen.

Was aber bauet ihr ein Denckmahl bey uns auf?
Jhr eingekehrter Menſch in ſanft- und ſtillem Geiſte,1. Pet. 3, 4.
Damit ſie unverruͤckt die JEſus-Liebe preißte:
Jhr vor der gantzen Welt untadelhafter Lauf,
Jhr helles Glaubens-Licht, ihr Zeugniß von der Spur1. Cor.
(12, 10.

Und von dem gantzen Lauf der neuen Creatur.
Es iſt Bedenckens werth, was dort der Heyland ſpricht:
Jch haͤtte, Kinder, euch noch mancherley zu ſagen;Joh. 16, 12.
Allein, ihr koͤnnets itzt nicht allerdings ertragen.
Drum ſucht man billig nur das noͤth’ge Glaubens-Licht:
Man darf dem Menſchen bloß den Weg zu Chriſto zeigen;
Was GOtt ſonſt offenbart, das kan man nur verſchweigen.
Jch hoͤre aber wol, das hat ſie nicht gethan,
Die Edle Juͤngerin, die nun bey JEſu thronet;
Sie hat es kund gemacht, was ihr im Sinn gewohnet,
Und hat nicht einmal recht im Grunde; (ſaget man.)
Dem ſey denn, wie ihm ſey, mein Leſer, ich und du,
Verſtehns wol beyde nicht: Und ſie iſt in der Ruh.
Allein, ſie ſtunde doch in dem und jenem Wahn?
Und ich begehre ſie auf keine Art zu retten,
Noch uͤber kuͤnftigen, mein Freund mit dir zu wetten,
Jch ſeye, oder nicht, der Meynung zugethan;
Das aber wuͤnſch ich dir vom Grunde meiner Seelen:

Den ſchmalen Lebens-Pfad, den ſie vollfuͤhrt, zu wehlen.
Was ſoll der Meynungs-Kram? was nuͤtzt der Schulen-
Zanck?

Wer Chriſtum JEſum kennt, als eine Lebens-Quelle,
Setzt keinen fremden Born an dieſe hohe Stelle,
Und lechtzt, und ſehnt ſich nur nach dieſem Lebens-Tranck:
Den duͤrſtet ewig nicht, der wird ins Leben gehn,(13, 12.
1 Cor.

Er mag die Creutz und Quer in Meynungs-Spiegel ſehn.
Das iſt des Glaubens Wort: HErr JEſu, ich bin nichts;
Du biſt mir aber ja, mein Freund, zu allem worden,
Verbirgſt der Gottheit Pracht in einen Knechtes-Orden:
Zu
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[70/0080] 1724. Von ihren Meynungen, die ſonderlich geweſen, Hab ich biß dieſen Tag noch keinen Satz geleſen. Was aber bauet ihr ein Denckmahl bey uns auf? Jhr eingekehrter Menſch in ſanft- und ſtillem Geiſte, Damit ſie unverruͤckt die JEſus-Liebe preißte: Jhr vor der gantzen Welt untadelhafter Lauf, Jhr helles Glaubens-Licht, ihr Zeugniß von der Spur Und von dem gantzen Lauf der neuen Creatur. Es iſt Bedenckens werth, was dort der Heyland ſpricht: Jch haͤtte, Kinder, euch noch mancherley zu ſagen; Allein, ihr koͤnnets itzt nicht allerdings ertragen. Drum ſucht man billig nur das noͤth’ge Glaubens-Licht: Man darf dem Menſchen bloß den Weg zu Chriſto zeigen; Was GOtt ſonſt offenbart, das kan man nur verſchweigen. Jch hoͤre aber wol, das hat ſie nicht gethan, Die Edle Juͤngerin, die nun bey JEſu thronet; Sie hat es kund gemacht, was ihr im Sinn gewohnet, Und hat nicht einmal recht im Grunde; (ſaget man.) Dem ſey denn, wie ihm ſey, mein Leſer, ich und du, Verſtehns wol beyde nicht: Und ſie iſt in der Ruh. Allein, ſie ſtunde doch in dem und jenem Wahn? Und ich begehre ſie auf keine Art zu retten, Noch uͤber kuͤnftigen, mein Freund mit dir zu wetten, Jch ſeye, oder nicht, der Meynung zugethan; Das aber wuͤnſch ich dir vom Grunde meiner Seelen: Den ſchmalen Lebens-Pfad, den ſie vollfuͤhrt, zu wehlen. Was ſoll der Meynungs-Kram? was nuͤtzt der Schulen- Zanck? Wer Chriſtum JEſum kennt, als eine Lebens-Quelle, Setzt keinen fremden Born an dieſe hohe Stelle, Und lechtzt, und ſehnt ſich nur nach dieſem Lebens-Tranck: Den duͤrſtet ewig nicht, der wird ins Leben gehn, Er mag die Creutz und Quer in Meynungs-Spiegel ſehn. Das iſt des Glaubens Wort: HErr JEſu, ich bin nichts; Du biſt mir aber ja, mein Freund, zu allem worden, Verbirgſt der Gottheit Pracht in einen Knechtes-Orden: Zu

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/80>, abgerufen am 23.11.2024.