Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite
1722.
Wenn andre Menschen sich vor seinen Wegen scheun,
So windet sie ihr Freund aus den verwirrt'sten Sachen.
Sein Seegen breitet sich auf Kindes-Kinder aus,
Jns weit entfernt'ste Glied verdoppelt sich die Gnade,
Und endlich bringt Er die in ein beständigs Hauß,
Die hier nicht wohneten. Denn Welt war ihnen Schade. Phil. 3.
Wohlan, die Zeit ist kurtz, die Gnade sey mit dir!
Jch wolte dir wohl sonst, mein Hertz! genauer sagen;
Allein dis sey genug: Gehülfin! tragen wir
Sein Joch; so werden wir auch seine Palmen tragen.
XXII. Auf Heinrich des Andern Promotion
zur Ruhe in die Hand GOttes.
Was höre ich von dir? Reuß-Plauisches Geschlechte!
Es ist ein Riß geschehn durch Stamm, durch Stadt
und Land:
Der Graf zu Ober-Greitz wird selig ausgespannt.

Dir ist vollkommen wohl, vollendeter Gerechte.
Allein, was dringet nicht vor ein gebrochner Thon
Der Klage über dich, biß zu des Lammes Thron?
Jhr Seelen, die ihr jüngst den jungen Held empfangen,
Jndem er, von der Last des Jrrdischen befreyt,
Zum seeligen Genuß der stillen Ewigkeit,
Nach wohl vollbrachtem Lauff, im Seegen eingegangen;
Bewundert, neben mir, den unerforschten Rath,
Der diesen Cederbaum so bald versetzet hat.
Was, treue Gärtners Hand, was hat dich wohl bewogen,
Daß du dem edelsten dem Hoffnungs-vollen Reiß,
Gewurtzelt und gepflantzt zu deiner Liebe Preiß,
Bald nach der ersten Frucht, den Safft der Erd entzogen?
Die Pflantze Libanons ist allzu hoch beglückt,

Die jetzt dein Tempel-Hauß gleich einem Pfeiler schmückt.
Ach, aber HErr, die Zahl beginnet abzunehmen
Der Heiligen, die du in dieser argen Welt,

Zum Zeichen jederman, zum Preise dir bestellt.
Wenn wird sichs denn einmahl zur bessern Zeit beqvemen?
Wenn
D
1722.
Wenn andre Menſchen ſich vor ſeinen Wegen ſcheun,
So windet ſie ihr Freund aus den verwirrt’ſten Sachen.
Sein Seegen breitet ſich auf Kindes-Kinder aus,
Jns weit entfernt’ſte Glied verdoppelt ſich die Gnade,
Und endlich bringt Er die in ein beſtaͤndigs Hauß,
Die hier nicht wohneten. Denn Welt war ihnen Schade. Phil. 3.
Wohlan, die Zeit iſt kurtz, die Gnade ſey mit dir!
Jch wolte dir wohl ſonſt, mein Hertz! genauer ſagen;
Allein dis ſey genug: Gehuͤlfin! tragen wir
Sein Joch; ſo werden wir auch ſeine Palmen tragen.
XXII. Auf Heinrich des Andern Promotion
zur Ruhe in die Hand GOttes.
Was hoͤre ich von dir? Reuß-Plauiſches Geſchlechte!
Es iſt ein Riß geſchehn durch Stamm, durch Stadt
und Land:
Der Graf zu Ober-Greitz wird ſelig ausgeſpannt.

Dir iſt vollkommen wohl, vollendeter Gerechte.
Allein, was dringet nicht vor ein gebrochner Thon
Der Klage uͤber dich, biß zu des Lammes Thron?
Jhr Seelen, die ihr juͤngſt den jungen Held empfangen,
Jndem er, von der Laſt des Jrrdiſchen befreyt,
Zum ſeeligen Genuß der ſtillen Ewigkeit,
Nach wohl vollbrachtem Lauff, im Seegen eingegangen;
Bewundert, neben mir, den unerforſchten Rath,
Der dieſen Cederbaum ſo bald verſetzet hat.
Was, treue Gaͤrtners Hand, was hat dich wohl bewogen,
Daß du dem edelſten dem Hoffnungs-vollen Reiß,
Gewurtzelt und gepflantzt zu deiner Liebe Preiß,
Bald nach der erſten Frucht, den Safft der Erd entzogen?
Die Pflantze Libanons iſt allzu hoch begluͤckt,

Die jetzt dein Tempel-Hauß gleich einem Pfeiler ſchmuͤckt.
Ach, aber HErr, die Zahl beginnet abzunehmen
Der Heiligen, die du in dieſer argen Welt,

Zum Zeichen jederman, zum Preiſe dir beſtellt.
Wenn wird ſichs denn einmahl zur beſſern Zeit beqvemen?
Wenn
D
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0059" n="49"/>
          <fw place="top" type="header">1722.</fw><lb/>
          <l>Wenn andre Men&#x017F;chen &#x017F;ich vor &#x017F;einen Wegen &#x017F;cheun,</l><lb/>
          <l>So windet &#x017F;ie ihr Freund aus den verwirrt&#x2019;&#x017F;ten Sachen.</l><lb/>
          <l>Sein Seegen breitet &#x017F;ich auf Kindes-Kinder aus,</l><lb/>
          <l>Jns weit entfernt&#x2019;&#x017F;te Glied verdoppelt &#x017F;ich die Gnade,</l><lb/>
          <l>Und endlich bringt Er die in ein be&#x017F;ta&#x0364;ndigs Hauß,</l><lb/>
          <l>Die hier nicht wohneten. Denn Welt war ihnen Schade. Phil. 3.</l><lb/>
          <l>Wohlan, die Zeit i&#x017F;t kurtz, die Gnade &#x017F;ey mit dir!</l><lb/>
          <l>Jch wolte dir wohl &#x017F;on&#x017F;t, mein Hertz! genauer &#x017F;agen;</l><lb/>
          <l>Allein dis &#x017F;ey genug: Gehu&#x0364;lfin! tragen wir</l><lb/>
          <l>Sein Joch; &#x017F;o werden wir auch &#x017F;eine Palmen tragen.</l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XXII.</hi> Auf Heinrich des Andern Promotion<lb/>
zur Ruhe in die Hand GOttes.</hi> </head><lb/>
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">W</hi>as ho&#x0364;re ich von dir? <hi rendition="#fr">Reuß-Plaui&#x017F;ches Ge&#x017F;chlechte!</hi></l><lb/>
            <l>Es i&#x017F;t ein Riß ge&#x017F;chehn durch <hi rendition="#fr">Stamm,</hi> durch <hi rendition="#fr">Stadt</hi><lb/><hi rendition="#et">und <hi rendition="#fr">Land:</hi></hi><lb/><hi rendition="#fr">Der Graf zu Ober-Greitz</hi> wird &#x017F;elig ausge&#x017F;pannt.</l><lb/>
            <l>Dir i&#x017F;t vollkommen wohl, <hi rendition="#fr">vollendeter Gerechte.</hi></l><lb/>
            <l>Allein, was dringet nicht vor ein gebrochner Thon</l><lb/>
            <l>Der Klage u&#x0364;ber dich, biß zu des Lammes Thron?</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Jhr Seelen, die ihr ju&#x0364;ng&#x017F;t den <hi rendition="#fr">jungen Held</hi> empfangen,</l><lb/>
            <l>Jndem er, von der La&#x017F;t des Jrrdi&#x017F;chen befreyt,</l><lb/>
            <l>Zum &#x017F;eeligen Genuß der &#x017F;tillen Ewigkeit,</l><lb/>
            <l>Nach wohl vollbrachtem Lauff, im Seegen eingegangen;</l><lb/>
            <l>Bewundert, neben mir, den unerfor&#x017F;chten Rath,</l><lb/>
            <l>Der die&#x017F;en <hi rendition="#fr">Cederbaum</hi> &#x017F;o bald ver&#x017F;etzet hat.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Was, treue Ga&#x0364;rtners Hand, was hat dich wohl bewogen,</l><lb/>
            <l>Daß du dem <hi rendition="#fr">edel&#x017F;ten dem Hoffnungs-vollen Reiß,</hi></l><lb/>
            <l>Gewurtzelt und gepflantzt zu deiner Liebe Preiß,</l><lb/>
            <l>Bald nach der er&#x017F;ten Frucht, den Safft der Erd entzogen?<lb/><hi rendition="#fr">Die Pflantze Libanons</hi> i&#x017F;t allzu hoch beglu&#x0364;ckt,</l><lb/>
            <l>Die jetzt dein Tempel-Hauß gleich einem Pfeiler &#x017F;chmu&#x0364;ckt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Ach, aber HErr, die Zahl beginnet abzunehmen<lb/><hi rendition="#fr">Der Heiligen,</hi> die du in die&#x017F;er argen Welt,</l><lb/>
            <l>Zum Zeichen jederman, zum Prei&#x017F;e dir be&#x017F;tellt.</l><lb/>
            <l>Wenn wird &#x017F;ichs denn einmahl zur be&#x017F;&#x017F;ern Zeit beqvemen?<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D</fw><fw place="bottom" type="catch">Wenn</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0059] 1722. Wenn andre Menſchen ſich vor ſeinen Wegen ſcheun, So windet ſie ihr Freund aus den verwirrt’ſten Sachen. Sein Seegen breitet ſich auf Kindes-Kinder aus, Jns weit entfernt’ſte Glied verdoppelt ſich die Gnade, Und endlich bringt Er die in ein beſtaͤndigs Hauß, Die hier nicht wohneten. Denn Welt war ihnen Schade. Phil. 3. Wohlan, die Zeit iſt kurtz, die Gnade ſey mit dir! Jch wolte dir wohl ſonſt, mein Hertz! genauer ſagen; Allein dis ſey genug: Gehuͤlfin! tragen wir Sein Joch; ſo werden wir auch ſeine Palmen tragen. XXII. Auf Heinrich des Andern Promotion zur Ruhe in die Hand GOttes. Was hoͤre ich von dir? Reuß-Plauiſches Geſchlechte! Es iſt ein Riß geſchehn durch Stamm, durch Stadt und Land: Der Graf zu Ober-Greitz wird ſelig ausgeſpannt. Dir iſt vollkommen wohl, vollendeter Gerechte. Allein, was dringet nicht vor ein gebrochner Thon Der Klage uͤber dich, biß zu des Lammes Thron? Jhr Seelen, die ihr juͤngſt den jungen Held empfangen, Jndem er, von der Laſt des Jrrdiſchen befreyt, Zum ſeeligen Genuß der ſtillen Ewigkeit, Nach wohl vollbrachtem Lauff, im Seegen eingegangen; Bewundert, neben mir, den unerforſchten Rath, Der dieſen Cederbaum ſo bald verſetzet hat. Was, treue Gaͤrtners Hand, was hat dich wohl bewogen, Daß du dem edelſten dem Hoffnungs-vollen Reiß, Gewurtzelt und gepflantzt zu deiner Liebe Preiß, Bald nach der erſten Frucht, den Safft der Erd entzogen? Die Pflantze Libanons iſt allzu hoch begluͤckt, Die jetzt dein Tempel-Hauß gleich einem Pfeiler ſchmuͤckt. Ach, aber HErr, die Zahl beginnet abzunehmen Der Heiligen, die du in dieſer argen Welt, Zum Zeichen jederman, zum Preiſe dir beſtellt. Wenn wird ſichs denn einmahl zur beſſern Zeit beqvemen? Wenn D

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/59
Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/59>, abgerufen am 22.11.2024.