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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1734.

Des rechten Pfads verfehlt der weisen Gnaden-Schrancken,
Des Buchs der Zeugenschafft vom hellen Morgenstern,
Ein kluger Lehrer wird nicht eher ein Prophet
Biß ihm des Lammes Blut durch Leib und Seele geht!

Gewiß wer Pauli Fluch mit offnem Kopfe list
Er habe gleich ein Hertz, ein zäher Hertz als Led er
Der hängt unfehlbar ein, der hemmt die schnellen Räder
Der flüchtigen Vernunfft, wenns an dem Berge ist.
Es giebt Materien auf der gelehrten Erden
Dabey nicht nöthig ist Anathema zu werden.
Jch kenne Dippels Weg, wovon er sich verirrt,
Den Zug beym ersteren Genuß des Abendmahles,
Die Gnade rührte Jhn vermittelst eines Strahles,
Der bey den Ordnungen des Lamms verheissen wird.
O wär ich, sagte er, darinnen fortgegangen,

So hätte ich erlangt, was ich noch soll erlangen
O wenn Democritus zu Christi Füssen lag
Gebückt, gerührt, geschlacht, und in sich selbst verarmet,
Gekehrt zum Sünder-Freund, der sich so gern erbarmet, (*)
Da blickte Jhm viel mahl ein Schein vom Gnaden-Tag,
Wenn er (wie ich gesehn) mit Witz und Wissen stritt;
So weinte man gewiß von gantzem Hertzen mit.
Gelehrte! kommt heran zum Sammel-Platz des Lichts,
Bemühet Euch zuerst, zu wissen, was Jhr wollet,
Dann lernet auch wie Jhr zum Zweck gelangen sollet.
Jhr wißt: ich geb es zu; was habt Jhr aber? Nichts.

O wie wird Hand und Fuß und Kopff umsonst geübt,
Der Schrifft geglaubt, die Krafft bewahrt, das Lamm geliebt.
CXXIV. Gedancken bey dem Hymno Therestä:
Virgo clamat, qvantum amat,
Uber eine junge Person, die gantz kranck nach
der Auflößung ist.
Die Jungfrau, die jetzt redte,
Jst eine Klette,
(*) Hievon ist das Lied: O JEsu siehe drein etc. nachzulesen.

1734.

Des rechten Pfads verfehlt der weiſen Gnaden-Schrancken,
Des Buchs der Zeugenſchafft vom hellen Morgenſtern,
Ein kluger Lehrer wird nicht eher ein Prophet
Biß ihm des Lammes Blut durch Leib und Seele geht!

Gewiß wer Pauli Fluch mit offnem Kopfe liſt
Er habe gleich ein Hertz, ein zaͤher Hertz als Led er
Der haͤngt unfehlbar ein, der hemmt die ſchnellen Raͤder
Der fluͤchtigen Vernunfft, wenns an dem Berge iſt.
Es giebt Materien auf der gelehrten Erden
Dabey nicht noͤthig iſt Anathema zu werden.
Jch kenne Dippels Weg, wovon er ſich verirrt,
Den Zug beym erſteren Genuß des Abendmahles,
Die Gnade ruͤhrte Jhn vermittelſt eines Strahles,
Der bey den Ordnungen des Lamms verheiſſen wird.
O waͤr ich, ſagte er, darinnen fortgegangen,

So haͤtte ich erlangt, was ich noch ſoll erlangen
O wenn Democritus zu Chriſti Fuͤſſen lag
Gebuͤckt, geruͤhrt, geſchlacht, und in ſich ſelbſt verarmet,
Gekehrt zum Suͤnder-Freund, der ſich ſo gern erbarmet, (*)
Da blickte Jhm viel mahl ein Schein vom Gnaden-Tag,
Wenn er (wie ich geſehn) mit Witz und Wiſſen ſtritt;
So weinte man gewiß von gantzem Hertzen mit.
Gelehrte! kommt heran zum Sammel-Platz des Lichts,
Bemuͤhet Euch zuerſt, zu wiſſen, was Jhr wollet,
Dann lernet auch wie Jhr zum Zweck gelangen ſollet.
Jhr wißt: ich geb es zu; was habt Jhr aber? Nichts.

O wie wird Hand und Fuß und Kopff umſonſt geuͤbt,
Der Schrifft geglaubt, die Krafft bewahrt, das Lamm geliebt.
CXXIV. Gedancken bey dem Hymno Theꝛeſtaͤ:
Virgo clamat, qvantum amat,
Uber eine junge Perſon, die gantz kranck nach
der Aufloͤßung iſt.
Die Jungfrau, die jetzt redte,
Jſt eine Klette,
(*) Hievon iſt das Lied: O JEſu ſiehe drein ꝛc. nachzuleſen.
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[299/0309] 1734. Des rechten Pfads verfehlt der weiſen Gnaden-Schrancken, Des Buchs der Zeugenſchafft vom hellen Morgenſtern, Ein kluger Lehrer wird nicht eher ein Prophet Biß ihm des Lammes Blut durch Leib und Seele geht! Gewiß wer Pauli Fluch mit offnem Kopfe liſt Er habe gleich ein Hertz, ein zaͤher Hertz als Led er Der haͤngt unfehlbar ein, der hemmt die ſchnellen Raͤder Der fluͤchtigen Vernunfft, wenns an dem Berge iſt. Es giebt Materien auf der gelehrten Erden Dabey nicht noͤthig iſt Anathema zu werden. Jch kenne Dippels Weg, wovon er ſich verirrt, Den Zug beym erſteren Genuß des Abendmahles, Die Gnade ruͤhrte Jhn vermittelſt eines Strahles, Der bey den Ordnungen des Lamms verheiſſen wird. O waͤr ich, ſagte er, darinnen fortgegangen, So haͤtte ich erlangt, was ich noch ſoll erlangen O wenn Democritus zu Chriſti Fuͤſſen lag Gebuͤckt, geruͤhrt, geſchlacht, und in ſich ſelbſt verarmet, Gekehrt zum Suͤnder-Freund, der ſich ſo gern erbarmet, (*) Da blickte Jhm viel mahl ein Schein vom Gnaden-Tag, Wenn er (wie ich geſehn) mit Witz und Wiſſen ſtritt; So weinte man gewiß von gantzem Hertzen mit. Gelehrte! kommt heran zum Sammel-Platz des Lichts, Bemuͤhet Euch zuerſt, zu wiſſen, was Jhr wollet, Dann lernet auch wie Jhr zum Zweck gelangen ſollet. Jhr wißt: ich geb es zu; was habt Jhr aber? Nichts. O wie wird Hand und Fuß und Kopff umſonſt geuͤbt, Der Schrifft geglaubt, die Krafft bewahrt, das Lamm geliebt. CXXIV. Gedancken bey dem Hymno Theꝛeſtaͤ: Virgo clamat, qvantum amat, Uber eine junge Perſon, die gantz kranck nach der Aufloͤßung iſt. Die Jungfrau, die jetzt redte, Jſt eine Klette, (*) Hievon iſt das Lied: O JEſu ſiehe drein ꝛc. nachzuleſen.

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/309>, abgerufen am 25.11.2024.