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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1728.
Auf deren Triebe nun der Eiche Schicksal ruht,
Dieselbigen sind auch zu Aesten aufgewachsen.
Ast Friedrich (n) breitet sich in Meissen mächtig aus,
Er treibet liebliche und wohlbelaubte Reiser;
Er baut diß in der Welt berühmte Herren-Hauß,
Und überschattet noch viel andre hohe Häuser. (o)
Jch baue seine Pracht diß erstere Gerüst,
Und wohl mit meiner Hand von dieser Art das letzte;
Jch bau es diesen Tag, daran du Bräutgam bist,
Und weil ich deiner Lieb' auch gern ein Denckmahl setzte.
Der Wahlspruch unsers Stamms von Graf Alberto (p) her,
Jst der: Jch weiche nicht, nicht einem, auch nicht allen.
Jch zeih es der Natur: das Weichen wird uns schwer;
Vor einem aber ist mein Muth dahin gefallen.
Der JEsus, der einmal an einem Holtze hieng,
Mit dem das Alterthum so schnöden Spott getrieben,
Zu dem nicht lange drauf der Erd-Kreiß übergieng,
Des Zeichen Königen am Halse hängen blieben,
Der hat von Kindheit auf nach meiner Brust gezielt,
Sein unbezwungner Zug hat sich davon bemeistert:
Mein Hertz hat seine Kraft gar dringende gefühlt,
Als sie die Kraft und Trieb der Eigen-Ehr entgeistert.
Jch war ein Zinzendorf, die sind nicht Lebens-wehrt,
Wenn sie ihr Leben nicht zu rechten Sachen brauchen:
Drum hat die Sorge mich bey nahe gantz verzehrt,
Zu früh, und ohne Nutz der Erden, auszurauchen. Matth. 5.
Nun hieß ich gar ein Christ, verdoppeltes Gesetz!
Die Christen dürffen nicht verbrennen ohne Leuchten;
Der Glaube, der nichts thut, ist ein verdammt Ge-
schwätz,

Und muß Vernünftigen sehr unvernünftig deuchten.
Drum nahm ich diesen Schluß fast von der Wiegen an:
Mit JEsu, den man itzt den Ehren-König nennet,
Zuförderst aus dem Buch der Ehren ausgerhan,
Darnach vor aller Welt für seinen Knecht bekennet!
Jch
(n) Der Herr Bräutigam.
(o) Seit 1719. da er seines Herrn Va-
ters Bruder in dem Seniorat gefolget.
(p) Einer aus unsern
Stamm-Vätern.
1728.
Auf deren Triebe nun der Eiche Schickſal ruht,
Dieſelbigen ſind auch zu Aeſten aufgewachſen.
Aſt Friedrich (n) breitet ſich in Meiſſen maͤchtig aus,
Er treibet liebliche und wohlbelaubte Reiſer;
Er baut diß in der Welt beruͤhmte Herren-Hauß,
Und uͤberſchattet noch viel andre hohe Haͤuſer. (o)
Jch baue ſeine Pracht diß erſtere Geruͤſt,
Und wohl mit meiner Hand von dieſer Art das letzte;
Jch bau es dieſen Tag, daran du Braͤutgam biſt,
Und weil ich deiner Lieb’ auch gern ein Denckmahl ſetzte.
Der Wahlſpruch unſers Stamms von Graf Alberto (p) her,
Jſt der: Jch weiche nicht, nicht einem, auch nicht allen.
Jch zeih es der Natur: das Weichen wird uns ſchwer;
Vor einem aber iſt mein Muth dahin gefallen.
Der JEſus, der einmal an einem Holtze hieng,
Mit dem das Alterthum ſo ſchnoͤden Spott getrieben,
Zu dem nicht lange drauf der Erd-Kreiß uͤbergieng,
Des Zeichen Koͤnigen am Halſe haͤngen blieben,
Der hat von Kindheit auf nach meiner Bruſt gezielt,
Sein unbezwungner Zug hat ſich davon bemeiſtert:
Mein Hertz hat ſeine Kraft gar dringende gefuͤhlt,
Als ſie die Kraft und Trieb der Eigen-Ehr entgeiſtert.
Jch war ein Zinzendorf, die ſind nicht Lebens-wehrt,
Wenn ſie ihr Leben nicht zu rechten Sachen brauchen:
Drum hat die Sorge mich bey nahe gantz verzehrt,
Zu fruͤh, und ohne Nutz der Erden, auszurauchen. Matth. 5.
Nun hieß ich gar ein Chriſt, verdoppeltes Geſetz!
Die Chriſten duͤrffen nicht verbrennen ohne Leuchten;
Der Glaube, der nichts thut, iſt ein verdammt Ge-
ſchwaͤtz,

Und muß Vernuͤnftigen ſehr unvernuͤnftig deuchten.
Drum nahm ich dieſen Schluß faſt von der Wiegen an:
Mit JEſu, den man itzt den Ehren-Koͤnig nennet,
Zufoͤrderſt aus dem Buch der Ehren ausgerhan,
Darnach vor aller Welt fuͤr ſeinen Knecht bekennet!
Jch
(n) Der Herr Braͤutigam.
(o) Seit 1719. da er ſeines Herrn Va-
ters Bruder in dem Seniorat gefolget.
(p) Einer aus unſern
Stamm-Vaͤtern.
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[143/0153] 1728. Auf deren Triebe nun der Eiche Schickſal ruht, Dieſelbigen ſind auch zu Aeſten aufgewachſen. Aſt Friedrich (n) breitet ſich in Meiſſen maͤchtig aus, Er treibet liebliche und wohlbelaubte Reiſer; Er baut diß in der Welt beruͤhmte Herren-Hauß, Und uͤberſchattet noch viel andre hohe Haͤuſer. (o) Jch baue ſeine Pracht diß erſtere Geruͤſt, Und wohl mit meiner Hand von dieſer Art das letzte; Jch bau es dieſen Tag, daran du Braͤutgam biſt, Und weil ich deiner Lieb’ auch gern ein Denckmahl ſetzte. Der Wahlſpruch unſers Stamms von Graf Alberto (p) her, Jſt der: Jch weiche nicht, nicht einem, auch nicht allen. Jch zeih es der Natur: das Weichen wird uns ſchwer; Vor einem aber iſt mein Muth dahin gefallen. Der JEſus, der einmal an einem Holtze hieng, Mit dem das Alterthum ſo ſchnoͤden Spott getrieben, Zu dem nicht lange drauf der Erd-Kreiß uͤbergieng, Des Zeichen Koͤnigen am Halſe haͤngen blieben, Der hat von Kindheit auf nach meiner Bruſt gezielt, Sein unbezwungner Zug hat ſich davon bemeiſtert: Mein Hertz hat ſeine Kraft gar dringende gefuͤhlt, Als ſie die Kraft und Trieb der Eigen-Ehr entgeiſtert. Jch war ein Zinzendorf, die ſind nicht Lebens-wehrt, Wenn ſie ihr Leben nicht zu rechten Sachen brauchen: Drum hat die Sorge mich bey nahe gantz verzehrt, Zu fruͤh, und ohne Nutz der Erden, auszurauchen. Matth. 5. Nun hieß ich gar ein Chriſt, verdoppeltes Geſetz! Die Chriſten duͤrffen nicht verbrennen ohne Leuchten; Der Glaube, der nichts thut, iſt ein verdammt Ge- ſchwaͤtz, Und muß Vernuͤnftigen ſehr unvernuͤnftig deuchten. Drum nahm ich dieſen Schluß faſt von der Wiegen an: Mit JEſu, den man itzt den Ehren-Koͤnig nennet, Zufoͤrderſt aus dem Buch der Ehren ausgerhan, Darnach vor aller Welt fuͤr ſeinen Knecht bekennet! Jch (n) Der Herr Braͤutigam. (o) Seit 1719. da er ſeines Herrn Va- ters Bruder in dem Seniorat gefolget. (p) Einer aus unſern Stamm-Vaͤtern.

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/153>, abgerufen am 24.11.2024.