Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: Gewisser Grund christlicher Lehre. Leipzig, 1725.Vorrede. Lande. Wer weiß, warum unser GOtt den lieben Hn. Grafendurch böse und gute Gerüchte schon zu voraus hat so bekannt werden lassen, daß vielleicht auch diese wohlmeynende Schrifft desto mehrere Leser, und hoffentlich auch desto mehrern Seegen haben wird. Wolte ich das Büchlein und dessen Jnnhalt vor- läuffig allzusehr loben, so würde mir es ohne allem Zweifel vor eine Partialität ausgeleget werden, da das Band der Liebe, nemlich die besondere Zuneigung des hohen Autoris gegen mich, und die Hochachtung, so ich vor ihn hege, so wenig als un- sre Nahmen, unbekannt seyn können. Jch überlasse also eines jeden Lesers eignem Urthel diesen Spruch-Catechismum; Zu heucheln bin ich nicht gebohren; GOtt hat mich auch in solche Umstände gesetzet, daß ich es, menschlicher Weise, nicht nöthig habe; Was ich also sagen und schreiben könte, das würde wohl aus dem Grunde meines Hertzens gehen, so gut ich die Sache verstehe und einsehe; Doch, da ich jedem gar gerne gönne, und wenn ich es nicht thäte, thöricht handelte, wenn er mit den Augen seines Leibes weiter sehen kan, als ich mit den Meinigen; warum solte ichs ihm nicht gönnen, wann es mit den Augen des Gemüthes geschähe? Aber, das dinge ich mir aus, daß er die Brillen oder Vergrösserungs-Gläser sei- ner Vorurtheile und Affecten weglasse; denn sonst würden wir miteinander in einen Handel gerathen, der alsdenn schwerlich unter uns würde ausgemacht werden. Wer da vermeynete nöthig zu haben, etwas gegründetes zu erinnern, der thue es mit gehöriger Moderation, oder er wisse, daß man sich durch die Rusticität eines vermeynten Theologischen Eifers, in seiner Theologischen Stille so wenig wird hindern lassen, als man sonst gewohnet ist, in seinem Singen und Beten das Klingen der Dresch-Flegel sich aufhalten zu lassen. Gnug hiervon. Mein hertzlicher Wunsch und Hoffnung zu GOtt ge- het dahin: Daß diese Arbeit und die dabey geführte Intention ihren Endzweck erreiche. Geben Görlitz am 15. Nov. 1724. M. Melchior Scheffer, Past. ad SS. Trin. in der Kön. Churfl. Sächß. Sechs-Stadt Görlitz. Ein-
Vorrede. Lande. Wer weiß, warum unſer GOtt den lieben Hn. Grafendurch boͤſe und gute Geruͤchte ſchon zu voraus hat ſo bekannt werden laſſen, daß vielleicht auch dieſe wohlmeynende Schrifft deſto mehrere Leſer, und hoffentlich auch deſto mehrern Seegen haben wird. Wolte ich das Buͤchlein und deſſen Jnnhalt vor- laͤuffig allzuſehr loben, ſo wuͤrde mir es ohne allem Zweifel vor eine Partialitaͤt ausgeleget werden, da das Band der Liebe, nemlich die beſondere Zuneigung des hohen Autoris gegen mich, und die Hochachtung, ſo ich vor ihn hege, ſo wenig als un- ſre Nahmen, unbekannt ſeyn koͤnnen. Jch uͤberlaſſe alſo eines jeden Leſers eignem Urthel dieſen Spruch-Catechiſmum; Zu heucheln bin ich nicht gebohren; GOtt hat mich auch in ſolche Umſtaͤnde geſetzet, daß ich es, menſchlicher Weiſe, nicht noͤthig habe; Was ich alſo ſagen und ſchreiben koͤnte, das wuͤrde wohl aus dem Grunde meines Hertzens gehen, ſo gut ich die Sache verſtehe und einſehe; Doch, da ich jedem gar gerne goͤnne, und wenn ich es nicht thaͤte, thoͤricht handelte, wenn er mit den Augen ſeines Leibes weiter ſehen kan, als ich mit den Meinigen; warum ſolte ichs ihm nicht goͤnnen, wann es mit den Augen des Gemuͤthes geſchaͤhe? Aber, das dinge ich mir aus, daß er die Brillen oder Vergroͤſſerungs-Glaͤſer ſei- ner Vorurtheile und Affecten weglaſſe; denn ſonſt wuͤrden wir miteinander in einen Handel gerathen, der alsdenn ſchwerlich unter uns wuͤrde ausgemacht werden. Wer da vermeynete noͤthig zu haben, etwas gegruͤndetes zu erinnern, der thue es mit gehoͤriger Moderation, oder er wiſſe, daß man ſich durch die Ruſticitaͤt eines vermeynten Theologiſchen Eifers, in ſeiner Theologiſchen Stille ſo wenig wird hindern laſſen, als man ſonſt gewohnet iſt, in ſeinem Singen und Beten das Klingen der Dreſch-Flegel ſich aufhalten zu laſſen. Gnug hiervon. Mein hertzlicher Wunſch und Hoffnung zu GOtt ge- het dahin: Daß dieſe Arbeit und die dabey gefuͤhrte Intention ihren Endzweck erreiche. Geben Goͤrlitz am 15. Nov. 1724. M. Melchior Scheffer, Paſt. ad SS. Trin. in der Koͤn. Churfl. Saͤchß. Sechs-Stadt Goͤrlitz. Ein-
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deſto mehrere Leſer, und hoffentlich auch deſto mehrern Seegen
haben wird. Wolte ich das Buͤchlein und deſſen Jnnhalt vor-
laͤuffig allzuſehr loben, ſo wuͤrde mir es ohne allem Zweifel vor
eine Partialitaͤt ausgeleget werden, da das Band der Liebe,
nemlich die beſondere Zuneigung des hohen Autoris gegen
mich, und die Hochachtung, ſo ich vor ihn hege, ſo wenig als un-
ſre Nahmen, unbekannt ſeyn koͤnnen. Jch uͤberlaſſe alſo eines
jeden Leſers eignem Urthel dieſen Spruch-Catechiſmum;
Zu heucheln bin ich nicht gebohren; GOtt hat mich auch in
ſolche Umſtaͤnde geſetzet, daß ich es, menſchlicher Weiſe, nicht
noͤthig habe; Was ich alſo ſagen und ſchreiben koͤnte, das
wuͤrde wohl aus dem Grunde meines Hertzens gehen, ſo gut
ich die Sache verſtehe und einſehe; Doch, da ich jedem gar
gerne goͤnne, und wenn ich es nicht thaͤte, thoͤricht handelte,
wenn er mit den Augen ſeines Leibes weiter ſehen kan, als ich
mit den Meinigen; warum ſolte ichs ihm nicht goͤnnen, wann
es mit den Augen des Gemuͤthes geſchaͤhe? Aber, das dinge
ich mir aus, daß er die Brillen oder Vergroͤſſerungs-Glaͤſer ſei-
ner Vorurtheile und Affecten weglaſſe; denn ſonſt wuͤrden
wir miteinander in einen Handel gerathen, der alsdenn
ſchwerlich unter uns wuͤrde ausgemacht werden. Wer da
vermeynete noͤthig zu haben, etwas gegruͤndetes zu erinnern,
der thue es mit gehoͤriger Moderation, oder er wiſſe, daß man
ſich durch die Ruſticitaͤt eines vermeynten Theologiſchen
Eifers, in ſeiner Theologiſchen Stille ſo wenig wird hindern
laſſen, als man ſonſt gewohnet iſt, in ſeinem Singen und Beten
das Klingen der Dreſch-Flegel ſich aufhalten zu laſſen. Gnug
hiervon. Mein hertzlicher Wunſch und Hoffnung zu GOtt ge-
het dahin: Daß dieſe Arbeit und die dabey gefuͤhrte Intention
ihren Endzweck erreiche. Geben Goͤrlitz am 15. Nov. 1724.
M. Melchior Scheffer, Paſt. ad SS. Trin.
in der Koͤn. Churfl. Saͤchß. Sechs-Stadt Goͤrlitz.
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