Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: Gewisser Grund christlicher Lehre. Leipzig, 1725.Vorrede. Vaters selbst, mit aller Aufrichtigkeit und gehörigem Fleiße,suchet. Die Christliche Religion gründet sich auf blosse Offen- bahrung. Wie kan man klüger handeln, als wenn bey denen unzehlichen Meynungen und Auslegungen der Menschen man die Zeugnisse der Schrifft, zu seiner eigenen Gründung und Uberführung, in ihrem wahren Verstande heraus suchet. Man kan von der Treue GOttes gewiß versichert seyn, daß, wer die ewige Wahrheit einfältig suchen wird, solche gewiß antreffen werde. Denn was wäre das für ein GOtt, wenn man ihn hertzlich suchte, und er sich doch durchaus nicht wol- te finden lassen. Wie wolte er uns über etwas richten, daß wir nicht wissen können, so gerne wir dasselbe wissen wollen. Daß der Hoch-Gräfl. Autor den kleinen Kinder-Catechismum Lutheri mit seinen Fragen und Antworten, auf welchen er doch nicht getaufft ist zu seiner Regul und Richtsch nur gebrauchen, und nach dessen beliebten Ordnung die Biblischen Wahrheiten vortragen wollen, hat, ohne allen Zweifel, wohl in seiner Frey- heit bestanden, und gereichet sowohl diesem Büchlein zu aber- mahliger, als auch unserer Kirche, die dieses, als ein offentli- ches Lehr-Büchlein, angenommen, zugleich aber auch Jhme selbst zu wohl-verdienten Ehren, daß Er sich den blossen Rah- men eines Kinder-Catechismi nicht abschrecken lassen, sondern durch dessen Anleitung die allertheuresten Wahrheiten der göttlichen Schrifft hiermit vortragen wollen. Man kan wohl mit Grunde vermuthen, daß sich dieser hohe Autor kaum würde die Occupation gemacht haben, wenn die herrliche Lehren der Offenbahrung nicht eine solche Gewalt über seine Seele bekommen hätten, daß Er sich die Mühe willig gemachet. Und es muß Jhn wohl etwas anders dringen, als der Gesuch einer eitlen Ehre, sie mit Bücher-Schreiben zu erjagen, denn sonst würde Er bey der itzigen Welt mit Catechismis schwer- lich den Anfang gemacht haben. Vielleicht kan es die Weiß- heit GOttes dazu dienen lassen, daß, da in dem itzigen Seculo fast ein jeder Lehrer seinen eigenen Catechismum haben will, und die spottende Welt gar leichte glauben könte, es geschähe nur Nachahmungs-Gewohnheits-Gewinnsts- oder Hand- wercks-Gebrauchs wegen, daß itzo so viele Catechismi geschrie- ben würden; sie von gegenwärtigem wenigstens glauben müs- se
Vorrede. Vaters ſelbſt, mit aller Aufrichtigkeit und gehoͤrigem Fleiße,ſuchet. Die Chriſtliche Religion gruͤndet ſich auf bloſſe Offen- bahrung. Wie kan man kluͤger handeln, als wenn bey denen unzehlichen Meynungen und Auslegungen der Menſchen man die Zeugniſſe der Schrifft, zu ſeiner eigenen Gruͤndung und Uberfuͤhrung, in ihrem wahren Verſtande heraus ſuchet. Man kan von der Treue GOttes gewiß verſichert ſeyn, daß, wer die ewige Wahrheit einfaͤltig ſuchen wird, ſolche gewiß antreffen werde. Denn was waͤre das fuͤr ein GOtt, wenn man ihn hertzlich ſuchte, und er ſich doch durchaus nicht wol- te finden laſſen. Wie wolte er uns uͤber etwas richten, daß wir nicht wiſſen koͤnnen, ſo gerne wir daſſelbe wiſſen wollen. Daß der Hoch-Graͤfl. Autor den kleinen Kinder-Catechiſmum Lutheri mit ſeinen Fragen und Antworten, auf welchen er doch nicht getaufft iſt zu ſeiner Regul und Richtſch nur gebrauchen, und nach deſſen beliebten Ordnung die Bibliſchen Wahrheiten vortragen wollen, hat, ohne allen Zweifel, wohl in ſeiner Frey- heit beſtanden, und gereichet ſowohl dieſem Buͤchlein zu aber- mahliger, als auch unſerer Kirche, die dieſes, als ein offentli- ches Lehr-Buͤchlein, angenommen, zugleich aber auch Jhme ſelbſt zu wohl-verdienten Ehren, daß Er ſich den bloſſen Rah- men eines Kinder-Catechiſmi nicht abſchrecken laſſen, ſondern durch deſſen Anleitung die allertheureſten Wahrheiten der goͤttlichen Schrifft hiermit vortragen wollen. Man kan wohl mit Grunde vermuthen, daß ſich dieſer hohe Autor kaum wuͤrde die Occupation gemacht haben, wenn die herrliche Lehren der Offenbahrung nicht eine ſolche Gewalt uͤber ſeine Seele bekom̃en haͤtten, daß Er ſich die Muͤhe willig gemachet. Und es muß Jhn wohl etwas anders dringen, als der Geſuch einer eitlen Ehre, ſie mit Buͤcher-Schreiben zu erjagen, denn ſonſt wuͤrde Er bey der itzigen Welt mit Catechiſmis ſchwer- lich den Anfang gemacht haben. Vielleicht kan es die Weiß- heit GOttes dazu dienen laſſen, daß, da in dem itzigen Seculo faſt ein jeder Lehrer ſeinen eigenen Catechiſmum haben will, und die ſpottende Welt gar leichte glauben koͤnte, es geſchaͤhe nur Nachahmungs-Gewohnheits-Gewinnſts- oder Hand- wercks-Gebrauchs wegen, daß itzo ſo viele Catechiſmi geſchrie- ben wuͤrden; ſie von gegenwaͤrtigem wenigſtens glauben muͤſ- ſe
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Vorrede.
Vaters ſelbſt, mit aller Aufrichtigkeit und gehoͤrigem Fleiße,
ſuchet. Die Chriſtliche Religion gruͤndet ſich auf bloſſe Offen-
bahrung. Wie kan man kluͤger handeln, als wenn bey denen
unzehlichen Meynungen und Auslegungen der Menſchen
man die Zeugniſſe der Schrifft, zu ſeiner eigenen Gruͤndung
und Uberfuͤhrung, in ihrem wahren Verſtande heraus ſuchet.
Man kan von der Treue GOttes gewiß verſichert ſeyn, daß,
wer die ewige Wahrheit einfaͤltig ſuchen wird, ſolche gewiß
antreffen werde. Denn was waͤre das fuͤr ein GOtt, wenn
man ihn hertzlich ſuchte, und er ſich doch durchaus nicht wol-
te finden laſſen. Wie wolte er uns uͤber etwas richten, daß
wir nicht wiſſen koͤnnen, ſo gerne wir daſſelbe wiſſen wollen.
Daß der Hoch-Graͤfl. Autor den kleinen Kinder-Catechiſmum
Lutheri mit ſeinen Fragen und Antworten, auf welchen er doch
nicht getaufft iſt zu ſeiner Regul und Richtſch nur gebrauchen,
und nach deſſen beliebten Ordnung die Bibliſchen Wahrheiten
vortragen wollen, hat, ohne allen Zweifel, wohl in ſeiner Frey-
heit beſtanden, und gereichet ſowohl dieſem Buͤchlein zu aber-
mahliger, als auch unſerer Kirche, die dieſes, als ein offentli-
ches Lehr-Buͤchlein, angenommen, zugleich aber auch Jhme
ſelbſt zu wohl-verdienten Ehren, daß Er ſich den bloſſen Rah-
men eines Kinder-Catechiſmi nicht abſchrecken laſſen, ſondern
durch deſſen Anleitung die allertheureſten Wahrheiten der
goͤttlichen Schrifft hiermit vortragen wollen. Man kan wohl
mit Grunde vermuthen, daß ſich dieſer hohe Autor kaum
wuͤrde die Occupation gemacht haben, wenn die herrliche
Lehren der Offenbahrung nicht eine ſolche Gewalt uͤber ſeine
Seele bekom̃en haͤtten, daß Er ſich die Muͤhe willig gemachet.
Und es muß Jhn wohl etwas anders dringen, als der Geſuch
einer eitlen Ehre, ſie mit Buͤcher-Schreiben zu erjagen, denn
ſonſt wuͤrde Er bey der itzigen Welt mit Catechiſmis ſchwer-
lich den Anfang gemacht haben. Vielleicht kan es die Weiß-
heit GOttes dazu dienen laſſen, daß, da in dem itzigen Seculo
faſt ein jeder Lehrer ſeinen eigenen Catechiſmum haben will,
und die ſpottende Welt gar leichte glauben koͤnte, es geſchaͤhe
nur Nachahmungs-Gewohnheits-Gewinnſts- oder Hand-
wercks-Gebrauchs wegen, daß itzo ſo viele Catechiſmi geſchrie-
ben wuͤrden; ſie von gegenwaͤrtigem wenigſtens glauben muͤſ-
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