Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: Gewisser Grund christlicher Lehre. Leipzig, 1725.Erinnerung an den Leser. gewissern Glauben finden, als wer aus Er-fahrung redet. Jch würde dir eine Anlei- tung geben, die Sache gefährlicher einzuse- hen, wenn ich dir die Worte Christi recht schärffen wolte: Da er die Pharisäer vor Leute ausgiebt, die Land und Wasser um- gehen, daß sie einen Juden-Genossen ma- chen, und wenn ers worden sey, ein Kind der Höllen aus ihm machen, zwiefältig, denn sie sind. Solte es zu viel geredet seyn, von unserer sichtbahren Kirche zu sagen: Sie sey in der Jüdischen Stelle getreten? Doch ist nicht meine Absicht, dieses hier aus- zuführen; Aber, was muß denn eine See- le thun, die gerne ohne Umschweiff seelig werden wolte? Soll sie sich kümmern und winden? Soll sie der Folianten viel auf- schlagen, und der kleinen Schrifften eine Menge durchlesen? Jch meyne nicht. Ja- cob kämpffte mit GOtt, und lag ihm ob, nicht durch die Schärffe der Schwerdter; denn die ward nicht gebraucht. Nicht mit vieler auswendigen Krafft; (ob gleich aus aller Macht,) denn ihm ward seine Hüff- te verrücket. Was siegete denn sonst über den Herrscher der gantzen Welt? Thränen und Flehen; Denn er weinete, und bath Jhn.
Erinnerung an den Leſer. gewiſſern Glauben finden, als wer aus Er-fahrung redet. Jch wuͤrde dir eine Anlei- tung geben, die Sache gefaͤhrlicher einzuſe- hen, wenn ich dir die Worte Chriſti recht ſchaͤrffen wolte: Da er die Phariſaͤer vor Leute ausgiebt, die Land und Waſſer um- gehen, daß ſie einen Juden-Genoſſen ma- chen, und wenn ers worden ſey, ein Kind der Hoͤllen aus ihm machen, zwiefaͤltig, denn ſie ſind. Solte es zu viel geredet ſeyn, von unſerer ſichtbahren Kirche zu ſagen: Sie ſey in der Juͤdiſchen Stelle getreten? Doch iſt nicht meine Abſicht, dieſes hier aus- zufuͤhren; Aber, was muß denn eine See- le thun, die gerne ohne Umſchweiff ſeelig werden wolte? Soll ſie ſich kuͤmmern und winden? Soll ſie der Folianten viel auf- ſchlagen, und der kleinen Schrifften eine Menge durchleſen? Jch meyne nicht. Ja- cob kaͤmpffte mit GOtt, und lag ihm ob, nicht durch die Schaͤrffe der Schwerdter; denn die ward nicht gebraucht. Nicht mit vieler auswendigen Krafft; (ob gleich aus aller Macht,) denn ihm ward ſeine Huͤff- te verruͤcket. Was ſiegete denn ſonſt uͤber den Herrſcher der gantzen Welt? Thraͤnen und Flehen; Denn er weinete, und bath Jhn.
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Erinnerung an den Leſer.
gewiſſern Glauben finden, als wer aus Er-
fahrung redet. Jch wuͤrde dir eine Anlei-
tung geben, die Sache gefaͤhrlicher einzuſe-
hen, wenn ich dir die Worte Chriſti recht
ſchaͤrffen wolte: Da er die Phariſaͤer vor
Leute ausgiebt, die Land und Waſſer um-
gehen, daß ſie einen Juden-Genoſſen ma-
chen, und wenn ers worden ſey, ein Kind
der Hoͤllen aus ihm machen, zwiefaͤltig,
denn ſie ſind. Solte es zu viel geredet ſeyn,
von unſerer ſichtbahren Kirche zu ſagen:
Sie ſey in der Juͤdiſchen Stelle getreten?
Doch iſt nicht meine Abſicht, dieſes hier aus-
zufuͤhren; Aber, was muß denn eine See-
le thun, die gerne ohne Umſchweiff ſeelig
werden wolte? Soll ſie ſich kuͤmmern und
winden? Soll ſie der Folianten viel auf-
ſchlagen, und der kleinen Schrifften eine
Menge durchleſen? Jch meyne nicht. Ja-
cob kaͤmpffte mit GOtt, und lag ihm ob,
nicht durch die Schaͤrffe der Schwerdter;
denn die ward nicht gebraucht. Nicht mit
vieler auswendigen Krafft; (ob gleich aus
aller Macht,) denn ihm ward ſeine Huͤff-
te verruͤcket. Was ſiegete denn ſonſt uͤber
den Herrſcher der gantzen Welt? Thraͤnen
und Flehen; Denn er weinete, und bath
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