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Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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chirurg war gekommen. Als nach einigen Stunden der Justizrath in seinem Bette erwachte, stand eine weiße Gestalt vor ihm. In seiner Schwäche glaubte er noch zu träumen, aber die Gestalt näherte sich ihm, er erkannte sie, es war Marie, die ihn anlächelte und dann laut aufschrie und kreischte. Hülfe! rief sie, und dann reckte sie die Arme in die Luft und griff krampfhaft in den leeren Raum, wie ein Ertrinkender. Kommt! sagte sie, helft ihn suchen, kommt; pfui die Menschen, er ist ja noch nicht begraben. Ja, ein Grab soll er haben, nicht so groß, so weit, hu! so weit, sondern so klein, so klein! und nun schloß sie die Arme, als wolle sie das Grab umspannen und an das Herz drücken. Hülfe! schrie sie wieder; da stürzte der Chirurg herein.

Um Gottes Willen! wer hat denn das Mädchen herein gelassen? Sie ist von Sinnen, Herr Justizrath. --

Verlaßt uns Alle! rief der hinzukommende Müller.

Dem Justizrath waren die Augen aus dem Kopfe getreten, es schüttelte ihn. Fieberhaft. Er faltete die Hände und betete leise: Herr, du gehst mit mir ins Gericht! --

Beruhigt Euch, sagte der Müller, beruhigt Euch.

Versprecht mir Eins noch, rief der Justizrath. Wenn ich wieder gesund bin, überlaßt mir das Mädchen, ich will sie pflegen, ich will für sie sorgen, ich will --

Es sei, erwiderte der Müller, und nun beruhigt Euch.

Der Justizrath genas langsam. Ehe er die Mühle verließ, schrieb er viel und sandte Briefe ab.

chirurg war gekommen. Als nach einigen Stunden der Justizrath in seinem Bette erwachte, stand eine weiße Gestalt vor ihm. In seiner Schwäche glaubte er noch zu träumen, aber die Gestalt näherte sich ihm, er erkannte sie, es war Marie, die ihn anlächelte und dann laut aufschrie und kreischte. Hülfe! rief sie, und dann reckte sie die Arme in die Luft und griff krampfhaft in den leeren Raum, wie ein Ertrinkender. Kommt! sagte sie, helft ihn suchen, kommt; pfui die Menschen, er ist ja noch nicht begraben. Ja, ein Grab soll er haben, nicht so groß, so weit, hu! so weit, sondern so klein, so klein! und nun schloß sie die Arme, als wolle sie das Grab umspannen und an das Herz drücken. Hülfe! schrie sie wieder; da stürzte der Chirurg herein.

Um Gottes Willen! wer hat denn das Mädchen herein gelassen? Sie ist von Sinnen, Herr Justizrath. —

Verlaßt uns Alle! rief der hinzukommende Müller.

Dem Justizrath waren die Augen aus dem Kopfe getreten, es schüttelte ihn. Fieberhaft. Er faltete die Hände und betete leise: Herr, du gehst mit mir ins Gericht! —

Beruhigt Euch, sagte der Müller, beruhigt Euch.

Versprecht mir Eins noch, rief der Justizrath. Wenn ich wieder gesund bin, überlaßt mir das Mädchen, ich will sie pflegen, ich will für sie sorgen, ich will —

Es sei, erwiderte der Müller, und nun beruhigt Euch.

Der Justizrath genas langsam. Ehe er die Mühle verließ, schrieb er viel und sandte Briefe ab.

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[0068] chirurg war gekommen. Als nach einigen Stunden der Justizrath in seinem Bette erwachte, stand eine weiße Gestalt vor ihm. In seiner Schwäche glaubte er noch zu träumen, aber die Gestalt näherte sich ihm, er erkannte sie, es war Marie, die ihn anlächelte und dann laut aufschrie und kreischte. Hülfe! rief sie, und dann reckte sie die Arme in die Luft und griff krampfhaft in den leeren Raum, wie ein Ertrinkender. Kommt! sagte sie, helft ihn suchen, kommt; pfui die Menschen, er ist ja noch nicht begraben. Ja, ein Grab soll er haben, nicht so groß, so weit, hu! so weit, sondern so klein, so klein! und nun schloß sie die Arme, als wolle sie das Grab umspannen und an das Herz drücken. Hülfe! schrie sie wieder; da stürzte der Chirurg herein. Um Gottes Willen! wer hat denn das Mädchen herein gelassen? Sie ist von Sinnen, Herr Justizrath. — Verlaßt uns Alle! rief der hinzukommende Müller. Dem Justizrath waren die Augen aus dem Kopfe getreten, es schüttelte ihn. Fieberhaft. Er faltete die Hände und betete leise: Herr, du gehst mit mir ins Gericht! — Beruhigt Euch, sagte der Müller, beruhigt Euch. Versprecht mir Eins noch, rief der Justizrath. Wenn ich wieder gesund bin, überlaßt mir das Mädchen, ich will sie pflegen, ich will für sie sorgen, ich will — Es sei, erwiderte der Müller, und nun beruhigt Euch. Der Justizrath genas langsam. Ehe er die Mühle verließ, schrieb er viel und sandte Briefe ab.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:10:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:10:09Z)

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Zitationshilfe: Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910/68>, abgerufen am 27.11.2024.