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Zetkin, Clara: Zur Frage des Frauenwahlrechts. Bearbeitet nach dem Referat auf der Konferenz sozialistischer Frauen zu Mannheim. Dazu drei Anhänge: [...]. Berlin, 1907.

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folge ihrer schlechteren ökonomischen Lage und ihrer komplizierteren Ver-
hältnisse würden erst recht viele Proletarierinnen die Erfahrung machen,
daß ihnen das Wahlrecht aberkannt wird. Weil sie Arme sind und nicht
etwa, weil sie Frauen sind!

Die Schwärmer für das beschränkte Frauenstimmrecht reden nun
freilich den Arbeiterinnen ein, dank dem Stimmzettel würden sie höhere
Löhne, gleiche Löhne mit den Männern erhalten. Hält man die soeben
kurz skizzierten tatsächlichen Verhältnisse fest, so kann man darauf mit
Fug und Recht antworten: Umgekehrt wird ein Schuh daraus! Wenn
das beschränkte Frauenstimmrecht eingeführt wird, so müssen die Ar-
beiterinnen erst höhere Löhne bekommen, damit sie den Stimmzettel
erhalten können --, so müssen die Arbeiter erst höher entlohnt werden,
damit sie imstande sind, für ihre Frauen und Töchter den Vorschriften
des Wahlgesetzes zu genügen vermögen. Jst es den Vorkämpfern für das
beschränkte Frauenstimmrecht ernst mit ihrem Wunsche, auch den Arbeite-
rinnen und Arbeiterfrauen den Stimmzettel zu sichern, so müßten auch
all die edelsteinübersäten Damen, die zahlreich unter den Frauen-
rechtlerinnen vertreten sind, den Kampf aufnehmen gegen die Aus-
beutung der Arbeiterinnen und Arbeiter. Das heißt aber nichts anderes,
als sie müßten kämpfen gegen ihre eigene Klasse und deren wirtschaft-
liche, soziale und politische Vorrechte; sie müßten kämpfen gegen soziale
Zustände, denen sie selbst ihre Muße, ihre Bewegungsfreiheit, ihre
Bildung und ihren Luxus verdanken. Sie müßten den Kampf auf-
nehmen für das Recht der Arbeit unbekümmert darum, ob sie vielleicht
künftighin in etwas weniger kostbaren Toiletten ihr Schicksal als
"Hunde, Ausgestoßene und Parias" bejammern könnten. Aber von
rühmlichen Ausnahmen abgesehen, nehmen die bürgerlichen Frauen-
rechtlerinnen an dem Kampf der Arbeiterklasse um bessere Entlohnung
nicht teil. Die Gewerkschaftsbewegung hat ihn ohne sie und manchmal
auch gegen sie geführt, als Kampf der Ausgebeuteten ohne Unterschied
des Geschlechts, gegen die Ausbeuter, ohne Unterschied des Geschlechts.
Nicht ihrem verkrüppelten Wahlrecht, ihrer Gewerkschaftsorganisation
und der Herrschaft Englands auf dem Weltmarkte verdanken es die
englischen Arbeiter, wenn sie "Beefsteak und Butter" essen können. Und
kein beschränktes Frauenstimmrecht, die Gewerkschaftsorganisation ist
ausschlaggebend dafür gewesen, daß die Lancashirer Textilarbeiterinnen
gleiche Löhne für gleiche Arbeit mit den Männern errungen haben.

Die Verfechter des beschränkten Frauenstimmrechts fühlen offenbar
die Schwäche der Argumente, die wir gedrängt resümierten. Sie
trumpfen daher mit der Bedeutung "des Prinzips der Gleichberech-
tigung der Geschlechter" auf. Diesem Prinzip, so erklären sie, müsse
vor allem gesetzliche Anerkennung verschafft werden. Das beschränkte
Frauenstimmrecht sei die erste notwendige Etappe auf dem Wege des
Fortschritts. Nach seiner Einführung werde das allgemeine Wahlrecht
nicht auf sich warten lassen. Wir können auch dieser Auffassung nicht
beipflichten. Jm britischen Reich ist die Schlacht für das Prinzip der
Gleichberechtigung der Geschlechter im öffentlichen Leben bereits
geschlagen. Jn den australischen Kolonien Großbritanniens besitzen die
Frauen das Wahlrecht zu dem Bundesparlament und -- von der einzigen
Kolonie Viktoria abgesehen -- auch zu den Einzelparlamenten. Jn
England selbst aber ist den Frauen das Recht zuerkannt worden, zu den
verschiedenen verwaltenden Körperschaften in Gemeinde, Bezirke, Graf-
schaft zu wählen bezw. in solche Körperschaften gewählt zu werden. Daß
dieses Recht zu den verschiedenen Körperschaften an die mannigfaltigsten

folge ihrer schlechteren ökonomischen Lage und ihrer komplizierteren Ver-
hältnisse würden erst recht viele Proletarierinnen die Erfahrung machen,
daß ihnen das Wahlrecht aberkannt wird. Weil sie Arme sind und nicht
etwa, weil sie Frauen sind!

Die Schwärmer für das beschränkte Frauenstimmrecht reden nun
freilich den Arbeiterinnen ein, dank dem Stimmzettel würden sie höhere
Löhne, gleiche Löhne mit den Männern erhalten. Hält man die soeben
kurz skizzierten tatsächlichen Verhältnisse fest, so kann man darauf mit
Fug und Recht antworten: Umgekehrt wird ein Schuh daraus! Wenn
das beschränkte Frauenstimmrecht eingeführt wird, so müssen die Ar-
beiterinnen erst höhere Löhne bekommen, damit sie den Stimmzettel
erhalten können —, so müssen die Arbeiter erst höher entlohnt werden,
damit sie imstande sind, für ihre Frauen und Töchter den Vorschriften
des Wahlgesetzes zu genügen vermögen. Jst es den Vorkämpfern für das
beschränkte Frauenstimmrecht ernst mit ihrem Wunsche, auch den Arbeite-
rinnen und Arbeiterfrauen den Stimmzettel zu sichern, so müßten auch
all die edelsteinübersäten Damen, die zahlreich unter den Frauen-
rechtlerinnen vertreten sind, den Kampf aufnehmen gegen die Aus-
beutung der Arbeiterinnen und Arbeiter. Das heißt aber nichts anderes,
als sie müßten kämpfen gegen ihre eigene Klasse und deren wirtschaft-
liche, soziale und politische Vorrechte; sie müßten kämpfen gegen soziale
Zustände, denen sie selbst ihre Muße, ihre Bewegungsfreiheit, ihre
Bildung und ihren Luxus verdanken. Sie müßten den Kampf auf-
nehmen für das Recht der Arbeit unbekümmert darum, ob sie vielleicht
künftighin in etwas weniger kostbaren Toiletten ihr Schicksal als
„Hunde, Ausgestoßene und Parias‟ bejammern könnten. Aber von
rühmlichen Ausnahmen abgesehen, nehmen die bürgerlichen Frauen-
rechtlerinnen an dem Kampf der Arbeiterklasse um bessere Entlohnung
nicht teil. Die Gewerkschaftsbewegung hat ihn ohne sie und manchmal
auch gegen sie geführt, als Kampf der Ausgebeuteten ohne Unterschied
des Geschlechts, gegen die Ausbeuter, ohne Unterschied des Geschlechts.
Nicht ihrem verkrüppelten Wahlrecht, ihrer Gewerkschaftsorganisation
und der Herrschaft Englands auf dem Weltmarkte verdanken es die
englischen Arbeiter, wenn sie „Beefsteak und Butter‟ essen können. Und
kein beschränktes Frauenstimmrecht, die Gewerkschaftsorganisation ist
ausschlaggebend dafür gewesen, daß die Lancashirer Textilarbeiterinnen
gleiche Löhne für gleiche Arbeit mit den Männern errungen haben.

Die Verfechter des beschränkten Frauenstimmrechts fühlen offenbar
die Schwäche der Argumente, die wir gedrängt resümierten. Sie
trumpfen daher mit der Bedeutung „des Prinzips der Gleichberech-
tigung der Geschlechter‟ auf. Diesem Prinzip, so erklären sie, müsse
vor allem gesetzliche Anerkennung verschafft werden. Das beschränkte
Frauenstimmrecht sei die erste notwendige Etappe auf dem Wege des
Fortschritts. Nach seiner Einführung werde das allgemeine Wahlrecht
nicht auf sich warten lassen. Wir können auch dieser Auffassung nicht
beipflichten. Jm britischen Reich ist die Schlacht für das Prinzip der
Gleichberechtigung der Geschlechter im öffentlichen Leben bereits
geschlagen. Jn den australischen Kolonien Großbritanniens besitzen die
Frauen das Wahlrecht zu dem Bundesparlament und — von der einzigen
Kolonie Viktoria abgesehen — auch zu den Einzelparlamenten. Jn
England selbst aber ist den Frauen das Recht zuerkannt worden, zu den
verschiedenen verwaltenden Körperschaften in Gemeinde, Bezirke, Graf-
schaft zu wählen bezw. in solche Körperschaften gewählt zu werden. Daß
dieses Recht zu den verschiedenen Körperschaften an die mannigfaltigsten

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-08-28T12:13:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-28T12:13:05Z)

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Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: wie Vorlage; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Zetkin, Clara: Zur Frage des Frauenwahlrechts. Bearbeitet nach dem Referat auf der Konferenz sozialistischer Frauen zu Mannheim. Dazu drei Anhänge: [...]. Berlin, 1907, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zetkin_frauenwahlrecht2_1907/42>, abgerufen am 24.11.2024.