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Ritterhold von Blauen [i. e. Zesen, Philipp von]: Adriatische Rosemund. Amsterdam, 1645.

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drittes Buhch.
gläublicher gröhsse/ welcher einen donner-käul im
schnabel führete. Der jüngling wahr nahch ahrt der
indischen bärg-leute bekleidet/ fräch und gesund von
gesichte: di hahre waren gold-färbig/ und hatten
sich auf dem rukken in falten geschlagen: di haut
wahr so weis wi schne/ und an etlichen örtern mit
einer gelinden röhte vermischet: di blauen äderlein
an den armen und händen waren so lähbhaft ent-
worfen/ und gaben dem leibe solch-ein lihbliches
aus-sähen/ daß man dahrüber gleichsam gahr ver-
zükt ward. Er sträuchelte mit der einen hand des
ahdlers kopf/ und mit der andern wolt' er dem Ju-
piter/ welcher auf seinem reichs-stuhle straks näben
ihm sahs/ den donner-käul aus der hand nähmen.
Ein wenig auf der seiten sahe man den bächcher/
dahraus diser kleine schänke den Göttern mit Him-
mels-trank aufdinet/ mit einer güldnen schale fol
rohtes weines; auf welchem/ als wan er gleichsam
nuhr izund eingeschänkt wäre/ ein stärbe-rohter
gisch und etliche blähslein stunden.

Sonsten hingen auf selbiger seiten keine andere
gemälder/ als lauter fremde Frauen-trachten/ als
Hohch-deutsche/ meisnische/ sächsische und schwäbi-
sche; Persische/ türkische/ wälsche/ änglische/ bra-
bandische/ indische/ ja was man fohr trachten erdän-
ken konte/ diselbigen waren alhihr zu schauen.

Lätslich kahmen sigegen der tühren über an eine
uberaus-köstliche tafel/ in welcher di entführung
der Helenen entworfen wahr. Bei disem gemälde
nuhn hihlt sich Markhold eine guhte zeit auf/ und
erzählte seiner Fräundin di ganze trojische ge-
schicht. Als er aber sahe/ daß es fast mittahg
wahr/ so fing er schohn widerüm an von seinem ab-
schide zu räden/ und brauchte solche bewähgliche
worte gegen di Demuht/ damit er si zur bestän-
digkeit in ihrem Glaubens-bekäntnüs ermahnte/
daß si bitterlich zu weinen anfing. Er baht si

gleich-
G 4

drittes Buhch.
glaͤublicher groͤhſſe/ welcher einen donner-kaͤul im
ſchnabel fuͤhrete. Der juͤngling wahr nahch ahrt der
indiſchen baͤrg-leute bekleidet/ fraͤch und geſund von
geſichte: di hahre waren gold-faͤrbig/ und hatten
ſich auf dem růkken in falten geſchlagen: di haut
wahr ſo weis wi ſchne/ und an etlichen oͤrtern mit
einer gelinden roͤhte vermiſchet: di blauen aͤderlein
an den armen und haͤnden waren ſo laͤhbhaft ent-
worfen/ und gaben dem leibe ſolch-ein lihbliches
aus-ſaͤhen/ daß man dahruͤber gleichſam gahr ver-
zuͤkt ward. Er ſtraͤuchelte mit der einen hand des
ahdlers kopf/ und mit der andern wolt’ er dem Ju-
piter/ welcher auf ſeinem reichs-ſtuhle ſtraks naͤben
ihm ſahs/ den donner-kaͤul aus der hand naͤhmen.
Ein wenig auf der ſeiten ſahe man den baͤchcher/
dahraus diſer kleine ſchaͤnke den Goͤttern mit Him-
mels-trank aufdinet/ mit einer guͤldnen ſchale fol
rohtes weines; auf welchem/ als wan er gleichſam
nuhr izund eingeſchaͤnkt waͤre/ ein ſtaͤrbe-rohter
giſch und etliche blaͤhslein ſtunden.

Sonſten hingen auf ſelbiger ſeiten keine andere
gemaͤlder/ als lauter fremde Frauen-trachten/ als
Hohch-deutſche/ meiſniſche/ ſaͤchſiſche und ſchwaͤbi-
ſche; Perſiſche/ tuͤrkiſche/ waͤlſche/ aͤngliſche/ bra-
bandiſche/ indiſche/ ja was man fohr trachten erdaͤn-
ken konte/ diſelbigen waren alhihr zu ſchauen.

Laͤtslich kahmen ſigegen der tuͤhren uͤber an eine
ůberaus-koͤſtliche tafel/ in welcher di entfuͤhrung
der Helenen entworfen wahr. Bei diſem gemaͤlde
nuhn hihlt ſich Markhold eine guhte zeit auf/ und
erzaͤhlte ſeiner Fraͤundin di ganze trojiſche ge-
ſchicht. Als er aber ſahe/ daß es faſt mittahg
wahr/ ſo fing er ſchohn wideruͤm an von ſeinem ab-
ſchide zu raͤden/ und brauchte ſolche bewaͤhgliche
worte gegen di Demuht/ damit er ſi zur beſtaͤn-
digkeit in ihrem Glaubens-bekaͤntnuͤs ermahnte/
daß ſi bitterlich zu weinen anfing. Er baht ſi

gleich-
G 4
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[151/0167] drittes Buhch. glaͤublicher groͤhſſe/ welcher einen donner-kaͤul im ſchnabel fuͤhrete. Der juͤngling wahr nahch ahrt der indiſchen baͤrg-leute bekleidet/ fraͤch und geſund von geſichte: di hahre waren gold-faͤrbig/ und hatten ſich auf dem růkken in falten geſchlagen: di haut wahr ſo weis wi ſchne/ und an etlichen oͤrtern mit einer gelinden roͤhte vermiſchet: di blauen aͤderlein an den armen und haͤnden waren ſo laͤhbhaft ent- worfen/ und gaben dem leibe ſolch-ein lihbliches aus-ſaͤhen/ daß man dahruͤber gleichſam gahr ver- zuͤkt ward. Er ſtraͤuchelte mit der einen hand des ahdlers kopf/ und mit der andern wolt’ er dem Ju- piter/ welcher auf ſeinem reichs-ſtuhle ſtraks naͤben ihm ſahs/ den donner-kaͤul aus der hand naͤhmen. Ein wenig auf der ſeiten ſahe man den baͤchcher/ dahraus diſer kleine ſchaͤnke den Goͤttern mit Him- mels-trank aufdinet/ mit einer guͤldnen ſchale fol rohtes weines; auf welchem/ als wan er gleichſam nuhr izund eingeſchaͤnkt waͤre/ ein ſtaͤrbe-rohter giſch und etliche blaͤhslein ſtunden. Sonſten hingen auf ſelbiger ſeiten keine andere gemaͤlder/ als lauter fremde Frauen-trachten/ als Hohch-deutſche/ meiſniſche/ ſaͤchſiſche und ſchwaͤbi- ſche; Perſiſche/ tuͤrkiſche/ waͤlſche/ aͤngliſche/ bra- bandiſche/ indiſche/ ja was man fohr trachten erdaͤn- ken konte/ diſelbigen waren alhihr zu ſchauen. Laͤtslich kahmen ſigegen der tuͤhren uͤber an eine ůberaus-koͤſtliche tafel/ in welcher di entfuͤhrung der Helenen entworfen wahr. Bei diſem gemaͤlde nuhn hihlt ſich Markhold eine guhte zeit auf/ und erzaͤhlte ſeiner Fraͤundin di ganze trojiſche ge- ſchicht. Als er aber ſahe/ daß es faſt mittahg wahr/ ſo fing er ſchohn wideruͤm an von ſeinem ab- ſchide zu raͤden/ und brauchte ſolche bewaͤhgliche worte gegen di Demuht/ damit er ſi zur beſtaͤn- digkeit in ihrem Glaubens-bekaͤntnuͤs ermahnte/ daß ſi bitterlich zu weinen anfing. Er baht ſi gleich- G 4

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Zitationshilfe: Ritterhold von Blauen [i. e. Zesen, Philipp von]: Adriatische Rosemund. Amsterdam, 1645, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_rosemund_1645/167>, abgerufen am 24.11.2024.