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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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erstes Buch.
men/ und diesem zur stunde gehohrsamlich nachleben.
Ich bin nur eine einfältige Jungfrau. Ich bin nicht
geschikt meine reden ordentlich vor zu bringen. Darzu
weis ich sehr wenig. Doch was ich weis/ wil ich alles
entdekken: und geschiehet solches schon durcheinander
verworfen; so laße ich mich doch damit vergnügen/ daß
ich seinem befehle so guht/ als ich kan/ gehorche. Sein
verstand wird das verworfene schon ordentlicher ent-
werfen. Seine geschikligkeit wird das verworrene schon
auseinander entwürren. Und seine scharfsinnigkeit
wird aus meiner undeutlichen rede gleichwohl den rech-
ten sin und die rechte bedeutung zu ziehen wissen.

So bald der liebliche Mei- oder Rosen-mohnd vor-
bei ist/ und der rükgängige Kräbs/ im Liljenmohnde/
die Sonne von ihrer höchsten straße/ wieder nach unten
zu/ gleichsam kräbs- oder rük-gängig gemacht: dan fäl-
let in der nacht über das Erdreich alhier ein fruchtbah-
rer Tau. Dieser wird zwar des tages/ der großen dürre
wegen/ nicht vermärket: doch gleichwohl ist er ein gewis-
ses zeichen und ein unfehlbarer vorbohte des im wachs-
tuhme begriffenen Nieles. Auf den sechs oder sieben
und zwanzigsten tag des Kräbs- oder Liljen-mohndes
fänget sich dieses wachsen bei uns gemeiniglich an. So
lange die Sonne im Kräbse bleibet/ wird der anwachs
zwar noch wenig gespühret. Etwan zwee oder drei fin-
ger breit hoch erhöbet sich der Niel auf ieden tag. Wan
sie aber in den Leuen trit/ und der Hundesstern aufge-
gangen/ dan steiget er immer höher und höher. Dan
wächset er erst einen halben fuß/ darnach eine spanne:
endlich gar eine elle/ und so fort zu zwölf/ vierzehen/ sech-
zehen/ ja aufs höchste zu zwanzig ellen zu: welches aber
gar selten/ und nur zu unsrem schaden/ sonderlich wan
er solche zwanzig ellen noch überschreitet/ geschiehet.
Wan er nicht höher als zwölf ellen wächset/ wie es zu
weilen sich zuträgt; dan hat man ein mis- und hungers-

jahr
C ij

erſtes Buch.
men/ und dieſem zur ſtunde gehohrſamlich nachleben.
Ich bin nur eine einfaͤltige Jungfrau. Ich bin nicht
geſchikt meine reden ordentlich vor zu bringen. Darzu
weis ich ſehr wenig. Doch was ich weis/ wil ich alles
entdekken: und geſchiehet ſolches ſchon durcheinander
verworfen; ſo laße ich mich doch damit vergnuͤgen/ daß
ich ſeinem befehle ſo guht/ als ich kan/ gehorche. Sein
verſtand wird das verworfene ſchon ordentlicher ent-
werfen. Seine geſchikligkeit wird das verworrene ſchon
auseinander entwuͤrren. Und ſeine ſcharfſinnigkeit
wird aus meiner undeutlichen rede gleichwohl den rech-
ten ſin und die rechte bedeutung zu ziehen wiſſen.

So bald der liebliche Mei- oder Roſen-mohnd vor-
bei iſt/ und der ruͤkgaͤngige Kraͤbs/ im Liljenmohnde/
die Sonne von ihrer hoͤchſten ſtraße/ wieder nach unten
zu/ gleichſam kraͤbs- oder ruͤk-gaͤngig gemacht: dan faͤl-
let in der nacht uͤber das Erdreich alhier ein fruchtbah-
rer Tau. Dieſer wird zwar des tages/ der großen duͤrre
wegen/ nicht vermaͤrket: doch gleichwohl iſt er ein gewiſ-
ſes zeichen und ein unfehlbarer vorbohte des im wachs-
tuhme begriffenen Nieles. Auf den ſechs oder ſieben
und zwanzigſten tag des Kraͤbs- oder Liljen-mohndes
faͤnget ſich dieſes wachſen bei uns gemeiniglich an. So
lange die Sonne im Kraͤbſe bleibet/ wird der anwachs
zwar noch wenig geſpuͤhret. Etwan zwee oder drei fin-
ger breit hoch erhoͤbet ſich der Niel auf ieden tag. Wan
ſie aber in den Leuen trit/ und der Hundesſtern aufge-
gangen/ dan ſteiget er immer hoͤher und hoͤher. Dan
waͤchſet er erſt einen halben fuß/ darnach eine ſpanne:
endlich gar eine elle/ und ſo fort zu zwoͤlf/ vierzehen/ ſech-
zehen/ ja aufs hoͤchſte zu zwanzig ellen zu: welches aber
gar ſelten/ und nur zu unſrem ſchaden/ ſonderlich wan
er ſolche zwanzig ellen noch uͤberſchreitet/ geſchiehet.
Wan er nicht hoͤher als zwoͤlf ellen waͤchſet/ wie es zu
weilen ſich zutraͤgt; dan hat man ein mis- und hungers-

jahr
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[35/0059] erſtes Buch. men/ und dieſem zur ſtunde gehohrſamlich nachleben. Ich bin nur eine einfaͤltige Jungfrau. Ich bin nicht geſchikt meine reden ordentlich vor zu bringen. Darzu weis ich ſehr wenig. Doch was ich weis/ wil ich alles entdekken: und geſchiehet ſolches ſchon durcheinander verworfen; ſo laße ich mich doch damit vergnuͤgen/ daß ich ſeinem befehle ſo guht/ als ich kan/ gehorche. Sein verſtand wird das verworfene ſchon ordentlicher ent- werfen. Seine geſchikligkeit wird das verworrene ſchon auseinander entwuͤrren. Und ſeine ſcharfſinnigkeit wird aus meiner undeutlichen rede gleichwohl den rech- ten ſin und die rechte bedeutung zu ziehen wiſſen. So bald der liebliche Mei- oder Roſen-mohnd vor- bei iſt/ und der ruͤkgaͤngige Kraͤbs/ im Liljenmohnde/ die Sonne von ihrer hoͤchſten ſtraße/ wieder nach unten zu/ gleichſam kraͤbs- oder ruͤk-gaͤngig gemacht: dan faͤl- let in der nacht uͤber das Erdreich alhier ein fruchtbah- rer Tau. Dieſer wird zwar des tages/ der großen duͤrre wegen/ nicht vermaͤrket: doch gleichwohl iſt er ein gewiſ- ſes zeichen und ein unfehlbarer vorbohte des im wachs- tuhme begriffenen Nieles. Auf den ſechs oder ſieben und zwanzigſten tag des Kraͤbs- oder Liljen-mohndes faͤnget ſich dieſes wachſen bei uns gemeiniglich an. So lange die Sonne im Kraͤbſe bleibet/ wird der anwachs zwar noch wenig geſpuͤhret. Etwan zwee oder drei fin- ger breit hoch erhoͤbet ſich der Niel auf ieden tag. Wan ſie aber in den Leuen trit/ und der Hundesſtern aufge- gangen/ dan ſteiget er immer hoͤher und hoͤher. Dan waͤchſet er erſt einen halben fuß/ darnach eine ſpanne: endlich gar eine elle/ und ſo fort zu zwoͤlf/ vierzehen/ ſech- zehen/ ja aufs hoͤchſte zu zwanzig ellen zu: welches aber gar ſelten/ und nur zu unſrem ſchaden/ ſonderlich wan er ſolche zwanzig ellen noch uͤberſchreitet/ geſchiehet. Wan er nicht hoͤher als zwoͤlf ellen waͤchſet/ wie es zu weilen ſich zutraͤgt; dan hat man ein mis- und hungers- jahr C ij

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/59>, abgerufen am 28.11.2024.