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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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erstes Buch.
eine so wunderseltene schönheit verwürfe. Dan nie-
mand von ihnen hatte achtung gegeben/ was sich im er-
sten eintritte mit dem Frauenzimmer zugetragen. Nie-
mand wuste des Königes argwahn. Auch hatte er sich
dessen weder mit worten/ noch gebehrden märken laßen.

In diesen wunderlichen gedanken begaben sich die
Ismaeler/ mit dem verschmäheten Leibeignen/ wieder
nach ihrem würtshause zu: und ließen also das gantze
Königliche Frauenzimmer in der eusersten betrübnüs.
Es war keine Fraue/ die nicht seuftzete: kein Freulein/
das nicht weinete: keine Hofjungfer/ die es nicht hertz-
lich schmertzete/ daß sich ein so klahres/ so fürtrefliches/
so schönes licht aus ihren augen so uhrplötzlich verloh-
ren. Ja die Königin selbsten/ welche Nefrems schlus
den schönen Leibeignen nicht an zu nehmen allein wuste/
wündschte dem Könige tausend und abermahl tausend/
ja hundertmahl tausend flüche auf den hals. Er allein/
sagte sie/ hat verursachet/ daß diese wunderschöne Gott-
heit uns mit ihrer gegenwart nicht allezeit beseeliget.
Er allein ist es/ der uns den anblik dieser himli-
schen schönheit misgönnet. Er/ der neidsüchtige un-
mensch/ ist es/ der uns diese lust entzogen/ seine vie-
hische lust/ uns unlust an zu tuhn/ rechtschaffen zu büs-
sen. Itzt mus ich schweigen: aber mit der zeit sol es
gedacht werden. Wir meineten/ die Sonne were in
unserem schlosse aufgegangen/ und würde uns nimmer-
mehr verlaßen. Ach! sie war auch aufgegangen in dem
schönen Leibeignen. Aber plötzlich ist sie wieder ver-
schwunden. Osiris hatte sich in menschlicher/ was
sage ich? in göttlicher gestalt zu uns gesellet. Aber sei-
ner geselschaft hat uns unser Wühterich verlustig ge-
macht. Dem allein haben wir zu dancken/ daß wir ohne
licht leben. Dem allein müssen wir die schuld geben/ daß
uns/ an stat des hellen lichtes/ eine dunkele nachtdöm-
merung geblieben. Fast eben so kläglich lies sich auch

die

erſtes Buch.
eine ſo wunderſeltene ſchoͤnheit verwuͤrfe. Dan nie-
mand von ihnen hatte achtung gegeben/ was ſich im er-
ſten eintritte mit dem Frauenzimmer zugetragen. Nie-
mand wuſte des Koͤniges argwahn. Auch hatte er ſich
deſſen weder mit worten/ noch gebehrden maͤrken laßen.

In dieſen wunderlichen gedanken begaben ſich die
Ismaeler/ mit dem verſchmaͤheten Leibeignen/ wieder
nach ihrem wuͤrtshauſe zu: und ließen alſo das gantze
Koͤnigliche Frauenzimmer in der euſerſten betruͤbnuͤs.
Es war keine Fraue/ die nicht ſeuftzete: kein Freulein/
das nicht weinete: keine Hofjungfer/ die es nicht hertz-
lich ſchmertzete/ daß ſich ein ſo klahres/ ſo fuͤrtrefliches/
ſo ſchoͤnes licht aus ihren augen ſo uhrploͤtzlich verloh-
ren. Ja die Koͤnigin ſelbſten/ welche Nefrems ſchlus
den ſchoͤnen Leibeignen nicht an zu nehmen allein wuſte/
wuͤndſchte dem Koͤnige tauſend und abermahl tauſend/
ja hundertmahl tauſend fluͤche auf den hals. Er allein/
ſagte ſie/ hat verurſachet/ daß dieſe wunderſchoͤne Gott-
heit uns mit ihrer gegenwart nicht allezeit beſeeliget.
Er allein iſt es/ der uns den anblik dieſer himli-
ſchen ſchoͤnheit misgoͤnnet. Er/ der neidſuͤchtige un-
menſch/ iſt es/ der uns dieſe luſt entzogen/ ſeine vie-
hiſche luſt/ uns unluſt an zu tuhn/ rechtſchaffen zu buͤs-
ſen. Itzt mus ich ſchweigen: aber mit der zeit ſol es
gedacht werden. Wir meineten/ die Sonne were in
unſerem ſchloſſe aufgegangen/ und wuͤrde uns nimmer-
mehr verlaßen. Ach! ſie war auch aufgegangen in dem
ſchoͤnen Leibeignen. Aber ploͤtzlich iſt ſie wieder ver-
ſchwunden. Oſiris hatte ſich in menſchlicher/ was
ſage ich? in goͤttlicher geſtalt zu uns geſellet. Aber ſei-
ner geſelſchaft hat uns unſer Wuͤhterich verluſtig ge-
macht. Dem allein haben wir zu dancken/ daß wir ohne
licht leben. Dem allein muͤſſen wir die ſchuld geben/ daß
uns/ an ſtat des hellen lichtes/ eine dunkele nachtdoͤm-
merung geblieben. Faſt eben ſo klaͤglich lies ſich auch

die
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[15/0039] erſtes Buch. eine ſo wunderſeltene ſchoͤnheit verwuͤrfe. Dan nie- mand von ihnen hatte achtung gegeben/ was ſich im er- ſten eintritte mit dem Frauenzimmer zugetragen. Nie- mand wuſte des Koͤniges argwahn. Auch hatte er ſich deſſen weder mit worten/ noch gebehrden maͤrken laßen. In dieſen wunderlichen gedanken begaben ſich die Ismaeler/ mit dem verſchmaͤheten Leibeignen/ wieder nach ihrem wuͤrtshauſe zu: und ließen alſo das gantze Koͤnigliche Frauenzimmer in der euſerſten betruͤbnuͤs. Es war keine Fraue/ die nicht ſeuftzete: kein Freulein/ das nicht weinete: keine Hofjungfer/ die es nicht hertz- lich ſchmertzete/ daß ſich ein ſo klahres/ ſo fuͤrtrefliches/ ſo ſchoͤnes licht aus ihren augen ſo uhrploͤtzlich verloh- ren. Ja die Koͤnigin ſelbſten/ welche Nefrems ſchlus den ſchoͤnen Leibeignen nicht an zu nehmen allein wuſte/ wuͤndſchte dem Koͤnige tauſend und abermahl tauſend/ ja hundertmahl tauſend fluͤche auf den hals. Er allein/ ſagte ſie/ hat verurſachet/ daß dieſe wunderſchoͤne Gott- heit uns mit ihrer gegenwart nicht allezeit beſeeliget. Er allein iſt es/ der uns den anblik dieſer himli- ſchen ſchoͤnheit misgoͤnnet. Er/ der neidſuͤchtige un- menſch/ iſt es/ der uns dieſe luſt entzogen/ ſeine vie- hiſche luſt/ uns unluſt an zu tuhn/ rechtſchaffen zu buͤs- ſen. Itzt mus ich ſchweigen: aber mit der zeit ſol es gedacht werden. Wir meineten/ die Sonne were in unſerem ſchloſſe aufgegangen/ und wuͤrde uns nimmer- mehr verlaßen. Ach! ſie war auch aufgegangen in dem ſchoͤnen Leibeignen. Aber ploͤtzlich iſt ſie wieder ver- ſchwunden. Oſiris hatte ſich in menſchlicher/ was ſage ich? in goͤttlicher geſtalt zu uns geſellet. Aber ſei- ner geſelſchaft hat uns unſer Wuͤhterich verluſtig ge- macht. Dem allein haben wir zu dancken/ daß wir ohne licht leben. Dem allein muͤſſen wir die ſchuld geben/ daß uns/ an ſtat des hellen lichtes/ eine dunkele nachtdoͤm- merung geblieben. Faſt eben ſo klaͤglich lies ſich auch die

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/39>, abgerufen am 21.12.2024.