Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.Der Assenat Alle Fürstinnen/ alle Freulein und Jungfrauen sas-sen unbeweglich. Sie saßen/ als die Bilder; daran sich nichts mehr/ als die augen/ durch ein inwendiges kunstwerk/ beweget. Allein ihre augen bewegten sich. Diese spieleten/ diese rolleten in ihren höhlen herüm/ als ein geschwindes uhrwerk. Sie funkelten/ sie feuer- ten: sie warfen ihre strahlen ohn unterlaß auf den schönen Josef. Dem schikten sie tausend liebliche blikke zu: ja tausend wündsche zugleich. Ein iedes Freulein wündschte wohl tausendmahl dieselbe Heilandin zu sein/ die in Josefs armen ruhen solte. Es war kein wunder. Josef war ohne das schöhn: und seine schönheit übertraf alle Menschenkinder. Aber nuhn schien er tausendmahl schöner; weil er/ als ein Egipti- scher Nebenkönig/ in der schönsten herligkeit saß. Sie sa- hen ihn nun nicht mehr an/ als einen Fremden/ als ei- nen gast in Egipten: sondern als einen eingebohrnen Fürsten. Ja als einen Beherscher des gantzen Egip- tens sahen sie ihn an. Ich wil mehr sagen: alle Freu- lein/ alle Jungfrauen/ auch die Frauen selbsten sahen ihn an als einen/ der über alle ihre hertzen herschete. Ihm/ gedachten sie/ weren sie zu huldigen schuldig. Ihm/ gedachten sie/ weren sie ihre frohndienste zu lei- sten verpflichtet. Ihm/ gedachten sie/ weren sie ihre schatzung der liebe zu geben verbunden. Und also konten sie ihre verliebte augen an der majestätischen schönheit des Josefs nicht genug sättigen. Were die Fürstin Assenat gegenwärtig gewesen; ich gleube gewis/ es würde ohne schählsichtigkeit nicht abgelauffen sein. Het- te sie diese spielenden blikke/ die alle auf Josefs herliche schönheit zuspieleten/ erblikket; sie würde ihnen gewis mit liebseifrenden blikken begegnet haben. Aber Josef lies sich nichts anfechten. Er stellete ders
Der Aſſenat Alle Fuͤrſtinnen/ alle Freulein und Jungfrauen ſas-ſen unbeweglich. Sie ſaßen/ als die Bilder; daran ſich nichts mehr/ als die augen/ durch ein inwendiges kunſtwerk/ beweget. Allein ihre augen bewegten ſich. Dieſe ſpieleten/ dieſe rolleten in ihren hoͤhlen heruͤm/ als ein geſchwindes uhrwerk. Sie funkelten/ ſie feuer- ten: ſie warfen ihre ſtrahlen ohn unterlaß auf den ſchoͤnen Joſef. Dem ſchikten ſie tauſend liebliche blikke zu: ja tauſend wuͤndſche zugleich. Ein iedes Freulein wuͤndſchte wohl tauſendmahl dieſelbe Heilandin zu ſein/ die in Joſefs armen ruhen ſolte. Es war kein wunder. Joſef war ohne das ſchoͤhn: und ſeine ſchoͤnheit uͤbertraf alle Menſchenkinder. Aber nuhn ſchien er tauſendmahl ſchoͤner; weil er/ als ein Egipti- ſcher Nebenkoͤnig/ in der ſchoͤnſten herligkeit ſaß. Sie ſa- hen ihn nun nicht mehr an/ als einen Fremden/ als ei- nen gaſt in Egipten: ſondern als einen eingebohrnen Fuͤrſten. Ja als einen Beherſcher des gantzen Egip- tens ſahen ſie ihn an. Ich wil mehr ſagen: alle Freu- lein/ alle Jungfrauen/ auch die Frauen ſelbſten ſahen ihn an als einen/ der uͤber alle ihre hertzen herſchete. Ihm/ gedachten ſie/ weren ſie zu huldigen ſchuldig. Ihm/ gedachten ſie/ weren ſie ihre frohndienſte zu lei- ſten verpflichtet. Ihm/ gedachten ſie/ weren ſie ihre ſchatzung der liebe zu geben verbunden. Und alſo konten ſie ihre verliebte augen an der majeſtaͤtiſchen ſchoͤnheit des Joſefs nicht genug ſaͤttigen. Were die Fuͤrſtin Aſſenat gegenwaͤrtig geweſen; ich gleube gewis/ es wuͤrde ohne ſchaͤhlſichtigkeit nicht abgelauffen ſein. Het- te ſie dieſe ſpielenden blikke/ die alle auf Joſefs herliche ſchoͤnheit zuſpieleten/ erblikket; ſie wuͤrde ihnen gewis mit liebseifrenden blikken begegnet haben. Aber Joſef lies ſich nichts anfechten. Er ſtellete ders
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0204" n="180"/><fw place="top" type="header">Der Aſſenat</fw><lb/> Alle Fuͤrſtinnen/ alle Freulein und Jungfrauen ſas-<lb/> ſen unbeweglich. Sie ſaßen/ als die Bilder; daran<lb/> ſich nichts mehr/ als die augen/ durch ein inwendiges<lb/> kunſtwerk/ beweget. Allein ihre augen bewegten ſich.<lb/> Dieſe ſpieleten/ dieſe rolleten in ihren hoͤhlen heruͤm/<lb/> als ein geſchwindes uhrwerk. Sie funkelten/ ſie feuer-<lb/> ten: ſie warfen ihre ſtrahlen ohn unterlaß auf den<lb/> ſchoͤnen <hi rendition="#fr">Joſef.</hi> Dem ſchikten ſie tauſend liebliche blikke<lb/> zu: ja tauſend wuͤndſche zugleich. Ein iedes Freulein<lb/> wuͤndſchte wohl tauſendmahl dieſelbe <hi rendition="#fr">Heilandin</hi> zu<lb/> ſein/ die in <hi rendition="#fr">Joſefs</hi> armen ruhen ſolte. Es war kein<lb/> wunder. <hi rendition="#fr">Joſef</hi> war ohne das ſchoͤhn: und ſeine<lb/> ſchoͤnheit uͤbertraf alle Menſchenkinder. Aber nuhn<lb/> ſchien er tauſendmahl ſchoͤner; weil er/ als ein Egipti-<lb/> ſcher Nebenkoͤnig/ in der ſchoͤnſten herligkeit ſaß. Sie ſa-<lb/> hen ihn nun nicht mehr an/ als einen Fremden/ als ei-<lb/> nen gaſt in Egipten: ſondern als einen eingebohrnen<lb/> Fuͤrſten. Ja als einen Beherſcher des gantzen Egip-<lb/> tens ſahen ſie ihn an. Ich wil mehr ſagen: alle Freu-<lb/> lein/ alle Jungfrauen/ auch die Frauen ſelbſten ſahen<lb/> ihn an als einen/ der uͤber alle ihre hertzen herſchete.<lb/> Ihm/ gedachten ſie/ weren ſie zu huldigen ſchuldig.<lb/> Ihm/ gedachten ſie/ weren ſie ihre frohndienſte zu lei-<lb/> ſten verpflichtet. Ihm/ gedachten ſie/ weren ſie ihre<lb/> ſchatzung der liebe zu geben verbunden. Und alſo konten<lb/> ſie ihre verliebte augen an der majeſtaͤtiſchen ſchoͤnheit<lb/> des <hi rendition="#fr">Joſefs</hi> nicht genug ſaͤttigen. Were die Fuͤrſtin<lb/><hi rendition="#fr">Aſſenat</hi> gegenwaͤrtig geweſen; ich gleube gewis/ es<lb/> wuͤrde ohne ſchaͤhlſichtigkeit nicht abgelauffen ſein. Het-<lb/> te ſie dieſe ſpielenden blikke/ die alle auf Joſefs herliche<lb/> ſchoͤnheit zuſpieleten/ erblikket; ſie wuͤrde ihnen gewis<lb/> mit liebseifrenden blikken begegnet haben.</p><lb/> <p>Aber <hi rendition="#fr">Joſef</hi> lies ſich nichts anfechten. Er ſtellete<lb/> ſich/ als wuͤrde er deſſen nicht gewahr. Er ſahe ſich kaum<lb/> einmahl uͤm. Kaum lies er ſein auge auf etwas an-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ders</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [180/0204]
Der Aſſenat
Alle Fuͤrſtinnen/ alle Freulein und Jungfrauen ſas-
ſen unbeweglich. Sie ſaßen/ als die Bilder; daran
ſich nichts mehr/ als die augen/ durch ein inwendiges
kunſtwerk/ beweget. Allein ihre augen bewegten ſich.
Dieſe ſpieleten/ dieſe rolleten in ihren hoͤhlen heruͤm/
als ein geſchwindes uhrwerk. Sie funkelten/ ſie feuer-
ten: ſie warfen ihre ſtrahlen ohn unterlaß auf den
ſchoͤnen Joſef. Dem ſchikten ſie tauſend liebliche blikke
zu: ja tauſend wuͤndſche zugleich. Ein iedes Freulein
wuͤndſchte wohl tauſendmahl dieſelbe Heilandin zu
ſein/ die in Joſefs armen ruhen ſolte. Es war kein
wunder. Joſef war ohne das ſchoͤhn: und ſeine
ſchoͤnheit uͤbertraf alle Menſchenkinder. Aber nuhn
ſchien er tauſendmahl ſchoͤner; weil er/ als ein Egipti-
ſcher Nebenkoͤnig/ in der ſchoͤnſten herligkeit ſaß. Sie ſa-
hen ihn nun nicht mehr an/ als einen Fremden/ als ei-
nen gaſt in Egipten: ſondern als einen eingebohrnen
Fuͤrſten. Ja als einen Beherſcher des gantzen Egip-
tens ſahen ſie ihn an. Ich wil mehr ſagen: alle Freu-
lein/ alle Jungfrauen/ auch die Frauen ſelbſten ſahen
ihn an als einen/ der uͤber alle ihre hertzen herſchete.
Ihm/ gedachten ſie/ weren ſie zu huldigen ſchuldig.
Ihm/ gedachten ſie/ weren ſie ihre frohndienſte zu lei-
ſten verpflichtet. Ihm/ gedachten ſie/ weren ſie ihre
ſchatzung der liebe zu geben verbunden. Und alſo konten
ſie ihre verliebte augen an der majeſtaͤtiſchen ſchoͤnheit
des Joſefs nicht genug ſaͤttigen. Were die Fuͤrſtin
Aſſenat gegenwaͤrtig geweſen; ich gleube gewis/ es
wuͤrde ohne ſchaͤhlſichtigkeit nicht abgelauffen ſein. Het-
te ſie dieſe ſpielenden blikke/ die alle auf Joſefs herliche
ſchoͤnheit zuſpieleten/ erblikket; ſie wuͤrde ihnen gewis
mit liebseifrenden blikken begegnet haben.
Aber Joſef lies ſich nichts anfechten. Er ſtellete
ſich/ als wuͤrde er deſſen nicht gewahr. Er ſahe ſich kaum
einmahl uͤm. Kaum lies er ſein auge auf etwas an-
ders
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |