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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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vierdes Buch.
getreuester Kindespflicht hat entdekken wol-
len

Desselben gehohrsamste Tochter
Nitokris.

Dieses Schreiben schikte sie alsobald dem Könige zu.
Aber eh es ankahm/ hatte dem rahte der Nitokris der
Oberste Mundschenke schon den weg gebahnet. Dieser/
nachdem er des Königes so wohl/ als der Reichsfürsten
bestürtzung vernommen/ begehrte gehöhret zu werden.
Es ward ihm zugestanden. Er traht auf; und redete
den König also an. Gnädigster König/ sagte er/
itzund gedenke ich an mein ehmahliges verbre-
chen. Itzund erinnere ich mich des zorns/ den
der König dazumahl auf seine knechte gewor-
fen. Itzund fället mir ein/ was mir und dem
obersten Bäkkereiverwalter damahls/ im ge-
fängnüsse/ begegnet. Wir hatten in einer nacht
einieder einen sonderlichen Traum. Des mor-
gens waren wir deswegen beide betrübt. Ein-
ieder verlangte desselben deutung zu wissen. A-
ber wir hatten keinen ausleger. Da kahm
Josef/
ein edler Jüngling aus dem Geschlechte der E-
breer/ der des Gefängnüsmeisters diener war/
zu uns hinein. Dieser legte uns unsere treume
von stunden an aus. Und wie er sie deutete/ so
ist es ergangen. Ich kahm wieder an mein
Schenkamt: und jener an den Galgen.

Also war der Königlichen Fürstin der Königli-
che Mundschenke zuvorkommen. Und als der Kö-
nig sahe/ daß das Schreiben seiner Freulein Toch-
ter des Mundschenkens worte bekräftigte; da vergaß
er alles seines kummers. Alle seine traurigkeit ver-
lohr sich. Er hatte ihm zuerst vorgenommen diesen
gantzen tag zu fasten. Aber nun ward er anders sin-

nes;
L iiij

vierdes Buch.
getreueſter Kindespflicht hat entdekken wol-
len

Deſſelben gehohrſamſte Tochter
Nitokris.

Dieſes Schreiben ſchikte ſie alſobald dem Koͤnige zu.
Aber eh es ankahm/ hatte dem rahte der Nitokris der
Oberſte Mundſchenke ſchon den weg gebahnet. Dieſer/
nachdem er des Koͤniges ſo wohl/ als der Reichsfuͤrſten
beſtuͤrtzung vernommen/ begehrte gehoͤhret zu werden.
Es ward ihm zugeſtanden. Er traht auf; und redete
den Koͤnig alſo an. Gnaͤdigſter Koͤnig/ ſagte er/
itzund gedenke ich an mein ehmahliges verbre-
chen. Itzund erinnere ich mich des zorns/ den
der Koͤnig dazumahl auf ſeine knechte gewor-
fen. Itzund faͤllet mir ein/ was mir und dem
oberſten Baͤkkereiverwalter damahls/ im ge-
faͤngnuͤſſe/ begegnet. Wir hatten in einer nacht
einieder einen ſonderlichen Traum. Des mor-
gens waren wir deswegen beide betruͤbt. Ein-
ieder verlangte deſſelben deutung zu wiſſen. A-
ber wir hatten keinen ausleger. Da kahm
Joſef/
ein edler Juͤngling aus dem Geſchlechte der E-
breer/ der des Gefaͤngnuͤsmeiſters diener war/
zu uns hinein. Dieſer legte uns unſere treume
von ſtunden an aus. Und wie er ſie deutete/ ſo
iſt es ergangen. Ich kahm wieder an mein
Schenkamt: und jener an den Galgen.

Alſo war der Koͤniglichen Fuͤrſtin der Koͤnigli-
che Mundſchenke zuvorkommen. Und als der Koͤ-
nig ſahe/ daß das Schreiben ſeiner Freulein Toch-
ter des Mundſchenkens worte bekraͤftigte; da vergaß
er alles ſeines kummers. Alle ſeine traurigkeit ver-
lohr ſich. Er hatte ihm zuerſt vorgenommen dieſen
gantzen tag zu faſten. Aber nun ward er anders ſin-

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[167/0191] vierdes Buch. getreueſter Kindespflicht hat entdekken wol- len Deſſelben gehohrſamſte Tochter Nitokris. Dieſes Schreiben ſchikte ſie alſobald dem Koͤnige zu. Aber eh es ankahm/ hatte dem rahte der Nitokris der Oberſte Mundſchenke ſchon den weg gebahnet. Dieſer/ nachdem er des Koͤniges ſo wohl/ als der Reichsfuͤrſten beſtuͤrtzung vernommen/ begehrte gehoͤhret zu werden. Es ward ihm zugeſtanden. Er traht auf; und redete den Koͤnig alſo an. Gnaͤdigſter Koͤnig/ ſagte er/ itzund gedenke ich an mein ehmahliges verbre- chen. Itzund erinnere ich mich des zorns/ den der Koͤnig dazumahl auf ſeine knechte gewor- fen. Itzund faͤllet mir ein/ was mir und dem oberſten Baͤkkereiverwalter damahls/ im ge- faͤngnuͤſſe/ begegnet. Wir hatten in einer nacht einieder einen ſonderlichen Traum. Des mor- gens waren wir deswegen beide betruͤbt. Ein- ieder verlangte deſſelben deutung zu wiſſen. A- ber wir hatten keinen ausleger. Da kahm Joſef/ ein edler Juͤngling aus dem Geſchlechte der E- breer/ der des Gefaͤngnuͤsmeiſters diener war/ zu uns hinein. Dieſer legte uns unſere treume von ſtunden an aus. Und wie er ſie deutete/ ſo iſt es ergangen. Ich kahm wieder an mein Schenkamt: und jener an den Galgen. Alſo war der Koͤniglichen Fuͤrſtin der Koͤnigli- che Mundſchenke zuvorkommen. Und als der Koͤ- nig ſahe/ daß das Schreiben ſeiner Freulein Toch- ter des Mundſchenkens worte bekraͤftigte; da vergaß er alles ſeines kummers. Alle ſeine traurigkeit ver- lohr ſich. Er hatte ihm zuerſt vorgenommen dieſen gantzen tag zu faſten. Aber nun ward er anders ſin- nes; L iiij

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/191>, abgerufen am 22.07.2024.