Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.Der Assenat Josef erschrak über diesen plötzlichen zufal. Er het- Auf diese worte fing endlich Josef auch an. Wie gies-
Der Aſſenat Joſef erſchrak uͤber dieſen ploͤtzlichen zufal. Er het- Auf dieſe worte fing endlich Joſef auch an. Wie gieſ-
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Der Aſſenat
Joſef erſchrak uͤber dieſen ploͤtzlichen zufal. Er het-
te gern das geſinde gerufen. Aber er durfte nicht. Auch
konte er nicht; ſo ſehr haͤmmete der ſchrik ſeine zunge.
Daruͤm hub er die Fuͤrſtin allein auf/ und ſetzte ſie ge-
maͤchlich in einen ruheſtuhl nieder. Da kahm ſie uͤber
eine weile wieder zu ſich ſelbſt. Und als ſie den Joſef
erblikte/ der ihr mit der hand ein ſtaͤrkwaſſer im ſchnupf-
tuche vor die naſenloͤcher hielt; da ſprach ſie mit
ſchwaͤchlicher und boͤbender ſtimme: Iſt noch ſo viel
liebe/ und ſo viel mitleidens bei euch? Aber ach! war-
uͤm ſucht ihr mir das leben wieder zu bringen/ das ſchon
verflogen war? Wiſſet ihr nicht/ daß ihr zugleich meine
ſchmertzen wiederbringet/ die mit dem leben verſchwun-
den? Mir war wohl: waruͤm lieſſet ihr mich nicht al-
ſo bleiben? Ihr ſuchet mich doch nur aufs neue zu pei-
nigen. Ihr erneuert doch nur meine angſt/ an ſtat daß
ihr ſie lindern ſoltet: welches anders nicht/ als durch
eine hertzliche gegenliebe/ geſchehen mag. Aber darzu
kan ich euch nicht bewegen. Und es ſcheinet/ als wan
eure grauſamkeit und meine liebe uͤm die wette ſtreiten/
zu ſehen/ welche die andere vertilgen kan.
Auf dieſe worte fing endlich Joſef auch an. Wie
ſchoͤpfet doch meine gnaͤdige Frau von mir ſo gar boͤſe
gedanken? Leiſte ich ihr dan nicht allen muͤglichſten ge-
hohrſam? Bin ich ihr nicht zugetahn mit euſerſter
treue? Erweiſe ich ihr dan nicht alle untertaͤhnigſte lie-
be? Ja ich verſichere ſie/ daß ich ſie uͤber alles liebe/ ſelbſt
ſo weit/ als mir immermehr geziemet. Weiter kan ſich
dieſe liebe nicht erſtrekken. Die treue/ die ich ihren Eh-
liebſten bezeugen mus/ leſſet ein mehres nicht zu. Ein
mehres kan und wird ſie auch ſelbſten nicht ſuchen. Ich
wil mehr ſagen. Ein kind kan ſeine Mutter/ unter de-
rer hertzen es gelegen/ hoͤher nicht lieben/ als ich ſie liebe.
Ja dieſe liebe ſteiget ſo hoch/ daß ich auch mein leben
vor ſie laßen wolte. Mein bluht wolte ich vor ſie ver-
gieſ-
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