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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
ob es Ihr gelegen kähme einen besuch auf ein halbes
stündlein von ihr zu empfangen. Der Nitokris ge-
genantwort war diese. Wan seine Fürstin/ sagte sie/
belieben träget/ ihre Dienerin derselben ansprache zu
würdigen; so mag sie solches wohl unangemeldet tuhn.
Ihr besuch komt mir niemahls ungelegen. Ich bin zu
ihren diensten allezeit bereit. Dieses kan er ihr/ mit an-
bietung meiner gegenpflicht/ aus meinem eigenen mun-
de vermelden. Hierbei bleibt es. So gesagt/ so getahn.

Auf diese worte erhub sich Josef seinen abschied zu
nehmen. Aber Nitokris wolte ihn nicht laßen. Nein/
nein! sagte sie/ er mus so bald nicht von mir eilen. Das
glük seiner gegenwart zu geniessen/ hat uns/ ich weis
nicht was vor ein unglük/ misgönnet. Der himmel boht
uns dasselbe zwar erst an: aber es ist nunmehr in seiner
Fürstin/ meiner Frau Muhme/ schoß gefallen. Diese
hat ihn ja sonsten allezeit vor ihren augen. Darüm
wird und kan sie ja nicht schähl sehen/ wan ich ihr seine
so liebe gegenwart nur auf ein vierteilstündlein entziehe.
Eine so stachlichte rede beantwortete Josef anders
nicht/ als mit einer keuschen röhte/ die auf seinen wan-
gen plötzlich herfürbrach. Die Königliche Fürstin er-
blikte diese stumme antwort alsobald. Darüm trachte-
te sie ihn aus der stillen schaam in ein munteres wesen
zu setzen. Vorerst bedankte sie sich vor die mühwaltung/
die er/ in auslegung der neulichen Treume/ ihrentwe-
gen auf sich genommen. Sie priese seinen so fürtrefli-
chen verstand in dergleichen dingen. Sie boht ihm ihre
gnade so volkömlich an/ als sie ein mensch iemahls von
ihr zu hoffen. Ja er solte das einige augenmärk aller
ihrer gunst sein. Das sagte sie ihm mit hertz und mun-
de zu. Das beteuerte sie mit einem hohe eide. Darnach
fragte sie: wie es ihm bei Fürst Potifarn gefiele?

Josef gab zur antwort: Ich kan nicht anders sagen/
als wohl. Er helt mich nicht allein vor keinen Leibeige-

nen/

Der Aſſenat
ob es Ihr gelegen kaͤhme einen beſuch auf ein halbes
ſtuͤndlein von ihr zu empfangen. Der Nitokris ge-
genantwort war dieſe. Wan ſeine Fuͤrſtin/ ſagte ſie/
belieben traͤget/ ihre Dienerin derſelben anſprache zu
wuͤrdigen; ſo mag ſie ſolches wohl unangemeldet tuhn.
Ihr beſuch komt mir niemahls ungelegen. Ich bin zu
ihren dienſten allezeit bereit. Dieſes kan er ihr/ mit an-
bietung meiner gegenpflicht/ aus meinem eigenen mun-
de vermelden. Hierbei bleibt es. So geſagt/ ſo getahn.

Auf dieſe worte erhub ſich Joſef ſeinen abſchied zu
nehmen. Aber Nitokris wolte ihn nicht laßen. Nein/
nein! ſagte ſie/ er mus ſo bald nicht von mir eilen. Das
gluͤk ſeiner gegenwart zu genieſſen/ hat uns/ ich weis
nicht was vor ein ungluͤk/ misgoͤnnet. Der himmel boht
uns daſſelbe zwar erſt an: aber es iſt nunmehr in ſeiner
Fuͤrſtin/ meiner Frau Muhme/ ſchoß gefallen. Dieſe
hat ihn ja ſonſten allezeit vor ihren augen. Daruͤm
wird und kan ſie ja nicht ſchaͤhl ſehen/ wan ich ihr ſeine
ſo liebe gegenwart nur auf ein vierteilſtuͤndlein entziehe.
Eine ſo ſtachlichte rede beantwortete Joſef anders
nicht/ als mit einer keuſchen roͤhte/ die auf ſeinen wan-
gen ploͤtzlich herfuͤrbrach. Die Koͤnigliche Fuͤrſtin er-
blikte dieſe ſtumme antwort alſobald. Daruͤm trachte-
te ſie ihn aus der ſtillen ſchaam in ein munteres weſen
zu ſetzen. Vorerſt bedankte ſie ſich vor die muͤhwaltung/
die er/ in auslegung der neulichen Treume/ ihrentwe-
gen auf ſich genommen. Sie prieſe ſeinen ſo fuͤrtrefli-
chen verſtand in dergleichen dingen. Sie boht ihm ihre
gnade ſo volkoͤmlich an/ als ſie ein menſch iemahls von
ihr zu hoffen. Ja er ſolte das einige augenmaͤrk aller
ihrer gunſt ſein. Das ſagte ſie ihm mit hertz und mun-
de zu. Das beteuerte ſie mit einem hohe eide. Darnach
fragte ſie: wie es ihm bei Fuͤrſt Potifarn gefiele?

Joſef gab zur antwort: Ich kan nicht anders ſagen/
als wohl. Er helt mich nicht allein vor keinen Leibeige-

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[106/0130] Der Aſſenat ob es Ihr gelegen kaͤhme einen beſuch auf ein halbes ſtuͤndlein von ihr zu empfangen. Der Nitokris ge- genantwort war dieſe. Wan ſeine Fuͤrſtin/ ſagte ſie/ belieben traͤget/ ihre Dienerin derſelben anſprache zu wuͤrdigen; ſo mag ſie ſolches wohl unangemeldet tuhn. Ihr beſuch komt mir niemahls ungelegen. Ich bin zu ihren dienſten allezeit bereit. Dieſes kan er ihr/ mit an- bietung meiner gegenpflicht/ aus meinem eigenen mun- de vermelden. Hierbei bleibt es. So geſagt/ ſo getahn. Auf dieſe worte erhub ſich Joſef ſeinen abſchied zu nehmen. Aber Nitokris wolte ihn nicht laßen. Nein/ nein! ſagte ſie/ er mus ſo bald nicht von mir eilen. Das gluͤk ſeiner gegenwart zu genieſſen/ hat uns/ ich weis nicht was vor ein ungluͤk/ misgoͤnnet. Der himmel boht uns daſſelbe zwar erſt an: aber es iſt nunmehr in ſeiner Fuͤrſtin/ meiner Frau Muhme/ ſchoß gefallen. Dieſe hat ihn ja ſonſten allezeit vor ihren augen. Daruͤm wird und kan ſie ja nicht ſchaͤhl ſehen/ wan ich ihr ſeine ſo liebe gegenwart nur auf ein vierteilſtuͤndlein entziehe. Eine ſo ſtachlichte rede beantwortete Joſef anders nicht/ als mit einer keuſchen roͤhte/ die auf ſeinen wan- gen ploͤtzlich herfuͤrbrach. Die Koͤnigliche Fuͤrſtin er- blikte dieſe ſtumme antwort alſobald. Daruͤm trachte- te ſie ihn aus der ſtillen ſchaam in ein munteres weſen zu ſetzen. Vorerſt bedankte ſie ſich vor die muͤhwaltung/ die er/ in auslegung der neulichen Treume/ ihrentwe- gen auf ſich genommen. Sie prieſe ſeinen ſo fuͤrtrefli- chen verſtand in dergleichen dingen. Sie boht ihm ihre gnade ſo volkoͤmlich an/ als ſie ein menſch iemahls von ihr zu hoffen. Ja er ſolte das einige augenmaͤrk aller ihrer gunſt ſein. Das ſagte ſie ihm mit hertz und mun- de zu. Das beteuerte ſie mit einem hohe eide. Darnach fragte ſie: wie es ihm bei Fuͤrſt Potifarn gefiele? Joſef gab zur antwort: Ich kan nicht anders ſagen/ als wohl. Er helt mich nicht allein vor keinen Leibeige- nen/

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/130>, abgerufen am 21.12.2024.