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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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drittes Buch.
flammen. Diese konte sie nicht länger ertragen. Un-
müglich war es sie zu verbärgen. Ausdrüklich durfte
sie dem Josef nichts anmuhten. Sie war noch zu blö-
de. Sie schähmete sich ihr anliegen heraus zu sagen.
Zudem fürchtete sie sich auch/ sie möchte es so grob ma-
chen/ daß es ihr gesinde märkte/ ja ihr Ehherr selbsten
gewahr würde. Und darüm erdachte sie diesen liebes-
rank. Erstlich wolte sie/ durch die allerersinlichsten lie-
besbezeugungen/ in ihrem Ehliebsten ein so festes ver-
trauen zu ihrer tugend erwekken/ daß er nachmahls
nichts böses/ wie böse sie es auch machte/ von ihr argwäh-
nen könte. Wan sie dieses vorteil gewonnen; so wolte
sie hernach trachten auch den Josef zu gewinnen. Sol-
ches könte sie alsdan üm so viel sicherer tuhn. Fragte
er nicht nach ihren guhten worten; so müste er wohl ih-
rem befehle gehorchen.

Also bekahm Potifar die küsse/ die allein auf Josef
zieleten. Also genos er die liebe/ die einem andern zu-
gedacht war. Dan Sefira lies ihm itzund mehr liebes-
zeichen blikken/ als sie iemahls zu tuhn vermeinet. Und
damit sie solches üm so viel anmuhtiger tähte: so nahm
sie der zeit wahr/ wan sie gegen den Josef am heftig-
sten entzündet war. Wan sie die grösten liebesschmer-
tzen fühlete/ hertzete sie den Potifar am allermeisten.
Wan Josef ihr hertz am meisten besaß/ nahm sie den
Potifar am hertzlichsten in den arm. Solcher gestalt
stahl sie dem Potifar das hertz. Durch diese scheinlie-
be betöhrete/ ja bezauberte sie ihn so gar/ daß er sie vor die
allerehrlichste fraue hielt/ die der erdbodem iemahls er-
blikket.

Als nun Sefira sahe/ daß ihr dieser listgrif so
wohl gelungen; so vermeinte sie ihr gewündschtes end-
ziel eben so glüklich zu erreichen. Ihren Ehherrn hatte
sie in den schlaf gewieget: sein mistrauen aus dem we-
ge geschaffet: seine eifersucht gedämpfet. Und also war

sie
G iij

drittes Buch.
flammen. Dieſe konte ſie nicht laͤnger ertragen. Un-
muͤglich war es ſie zu verbaͤrgen. Ausdruͤklich durfte
ſie dem Joſef nichts anmuhten. Sie war noch zu bloͤ-
de. Sie ſchaͤhmete ſich ihr anliegen heraus zu ſagen.
Zudem fuͤrchtete ſie ſich auch/ ſie moͤchte es ſo grob ma-
chen/ daß es ihr geſinde maͤrkte/ ja ihr Ehherꝛ ſelbſten
gewahr wuͤrde. Und daruͤm erdachte ſie dieſen liebes-
rank. Erſtlich wolte ſie/ durch die allererſinlichſten lie-
besbezeugungen/ in ihrem Ehliebſten ein ſo feſtes ver-
trauen zu ihrer tugend erwekken/ daß er nachmahls
nichts boͤſes/ wie boͤſe ſie es auch machte/ von ihr argwaͤh-
nen koͤnte. Wan ſie dieſes vorteil gewonnen; ſo wolte
ſie hernach trachten auch den Joſef zu gewinnen. Sol-
ches koͤnte ſie alsdan uͤm ſo viel ſicherer tuhn. Fragte
er nicht nach ihren guhten worten; ſo muͤſte er wohl ih-
rem befehle gehorchen.

Alſo bekahm Potifar die kuͤſſe/ die allein auf Joſef
zieleten. Alſo genos er die liebe/ die einem andern zu-
gedacht war. Dan Sefira lies ihm itzund mehr liebes-
zeichen blikken/ als ſie iemahls zu tuhn vermeinet. Und
damit ſie ſolches uͤm ſo viel anmuhtiger taͤhte: ſo nahm
ſie der zeit wahr/ wan ſie gegen den Joſef am heftig-
ſten entzuͤndet war. Wan ſie die groͤſten liebesſchmer-
tzen fuͤhlete/ hertzete ſie den Potifar am allermeiſten.
Wan Joſef ihr hertz am meiſten beſaß/ nahm ſie den
Potifar am hertzlichſten in den arm. Solcher geſtalt
ſtahl ſie dem Potifar das hertz. Durch dieſe ſcheinlie-
be betoͤhrete/ ja bezauberte ſie ihn ſo gar/ daß er ſie vor die
allerehrlichſte fraue hielt/ die der erdbodem iemahls er-
blikket.

Als nun Sefira ſahe/ daß ihr dieſer liſtgrif ſo
wohl gelungen; ſo vermeinte ſie ihr gewuͤndſchtes end-
ziel eben ſo gluͤklich zu erreichen. Ihren Ehherꝛn hatte
ſie in den ſchlaf gewieget: ſein mistrauen aus dem we-
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ſie
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[101/0125] drittes Buch. flammen. Dieſe konte ſie nicht laͤnger ertragen. Un- muͤglich war es ſie zu verbaͤrgen. Ausdruͤklich durfte ſie dem Joſef nichts anmuhten. Sie war noch zu bloͤ- de. Sie ſchaͤhmete ſich ihr anliegen heraus zu ſagen. Zudem fuͤrchtete ſie ſich auch/ ſie moͤchte es ſo grob ma- chen/ daß es ihr geſinde maͤrkte/ ja ihr Ehherꝛ ſelbſten gewahr wuͤrde. Und daruͤm erdachte ſie dieſen liebes- rank. Erſtlich wolte ſie/ durch die allererſinlichſten lie- besbezeugungen/ in ihrem Ehliebſten ein ſo feſtes ver- trauen zu ihrer tugend erwekken/ daß er nachmahls nichts boͤſes/ wie boͤſe ſie es auch machte/ von ihr argwaͤh- nen koͤnte. Wan ſie dieſes vorteil gewonnen; ſo wolte ſie hernach trachten auch den Joſef zu gewinnen. Sol- ches koͤnte ſie alsdan uͤm ſo viel ſicherer tuhn. Fragte er nicht nach ihren guhten worten; ſo muͤſte er wohl ih- rem befehle gehorchen. Alſo bekahm Potifar die kuͤſſe/ die allein auf Joſef zieleten. Alſo genos er die liebe/ die einem andern zu- gedacht war. Dan Sefira lies ihm itzund mehr liebes- zeichen blikken/ als ſie iemahls zu tuhn vermeinet. Und damit ſie ſolches uͤm ſo viel anmuhtiger taͤhte: ſo nahm ſie der zeit wahr/ wan ſie gegen den Joſef am heftig- ſten entzuͤndet war. Wan ſie die groͤſten liebesſchmer- tzen fuͤhlete/ hertzete ſie den Potifar am allermeiſten. Wan Joſef ihr hertz am meiſten beſaß/ nahm ſie den Potifar am hertzlichſten in den arm. Solcher geſtalt ſtahl ſie dem Potifar das hertz. Durch dieſe ſcheinlie- be betoͤhrete/ ja bezauberte ſie ihn ſo gar/ daß er ſie vor die allerehrlichſte fraue hielt/ die der erdbodem iemahls er- blikket. Als nun Sefira ſahe/ daß ihr dieſer liſtgrif ſo wohl gelungen; ſo vermeinte ſie ihr gewuͤndſchtes end- ziel eben ſo gluͤklich zu erreichen. Ihren Ehherꝛn hatte ſie in den ſchlaf gewieget: ſein mistrauen aus dem we- ge geſchaffet: ſeine eiferſucht gedaͤmpfet. Und alſo war ſie G iij

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/125>, abgerufen am 21.12.2024.