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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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zweites Buch.
sonst vor einen fehler schätze/ zu verharren. Ja was wil
ich sagen? Das gebot der königlichen Fürstin ist mein
spohren. Und so mus ich/ ob ich schon sonsten nicht
wolte. Hier steht der befehl. Dem mus sich mein wil-
le unterwerfen. Kan ich nicht tähtig/ so mus ich doch
willig gehorchen. Und dieser so willige gehorsam wird
die verwegenheit meiner taht entschuldigen: ja selbst
der königliche befehl meinen fehler bedekken. Wan es
ihr dan beliebt/ so laße sie mich vernehmen/ was sie ge-
treumet.

Hierauf erzehlete die Kammerjungfrau ihre Treu-
me/ wie es ihr die Fürstin befohlen. So bald sie aus-
geredet/ fing Josef an. Beide Treume/ sprach er/ seind
einerlei/ wie sie sagt: und daher üm so viel leichter aus
zu legen. Dan einer erklähret den andern. Auch was
dem andern fehlet/ ergäntzet der andere. Der schöne
junge Stier/
bedeutet einen schönen Jüngling: das
junge Fährsichen/ eine sehr zahrte Jungfrau/ die
noch nicht volkömlich erwachsen: die Hindin/ eine
schöne hurtige Frau. Diese Frau wird in den Jüng-
ling sich verlieben. Sie wird ihn strählen; aber er wird
sie nicht achten. Und weil er ihr keine gegenliebe bezei-
get; wird sie ihn/ aus zorne/ verfolgen/ ja gar ins ge-
fängnüs bringen. Daß aber ein Krokodil den Stier
aus dem fünsteren loche erlöset/ und der Stier darnach
selbst als in einen Krokodil verändert geschienen; sol-
ches bedeutet/ daß ein Egiptischer König den Jüng-
ling aus dem gefängnüsse loß/ und gleichsam zum Kö-
nige
in Egipten machen werde. Dan der Krokodil
ist der Egiptischen Könige sinbild: welche sich auch
selbst Faraonen/ das ist Krokodillen/ zu nennen
pflegen.

In dem ihrigen bedeutet der fremde Vogel/ der
wie ein Habicht aussahe/ eben auch einen Jüng-
ling/
der fremde oder ausländisch/ und schön/ auch

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zweites Buch.
ſonſt vor einen fehler ſchaͤtze/ zu verharren. Ja was wil
ich ſagen? Das gebot der koͤniglichen Fuͤrſtin iſt mein
ſpohren. Und ſo mus ich/ ob ich ſchon ſonſten nicht
wolte. Hier ſteht der befehl. Dem mus ſich mein wil-
le unterwerfen. Kan ich nicht taͤhtig/ ſo mus ich doch
willig gehorchen. Und dieſer ſo willige gehorſam wird
die verwegenheit meiner taht entſchuldigen: ja ſelbſt
der koͤnigliche befehl meinen fehler bedekken. Wan es
ihr dan beliebt/ ſo laße ſie mich vernehmen/ was ſie ge-
treumet.

Hierauf erzehlete die Kammerjungfrau ihre Treu-
me/ wie es ihr die Fuͤrſtin befohlen. So bald ſie aus-
geredet/ fing Joſef an. Beide Treume/ ſprach er/ ſeind
einerlei/ wie ſie ſagt: und daher uͤm ſo viel leichter aus
zu legen. Dan einer erklaͤhret den andern. Auch was
dem andern fehlet/ ergaͤntzet der andere. Der ſchoͤne
junge Stier/
bedeutet einen ſchoͤnen Juͤngling: das
junge Faͤhrſichen/ eine ſehr zahrte Jungfrau/ die
noch nicht volkoͤmlich erwachſen: die Hindin/ eine
ſchoͤne hurtige Frau. Dieſe Frau wird in den Juͤng-
ling ſich verlieben. Sie wird ihn ſtraͤhlen; aber er wird
ſie nicht achten. Und weil er ihr keine gegenliebe bezei-
get; wird ſie ihn/ aus zorne/ verfolgen/ ja gar ins ge-
faͤngnuͤs bringen. Daß aber ein Krokodil den Stier
aus dem fuͤnſteren loche erloͤſet/ und der Stier darnach
ſelbſt als in einen Krokodil veraͤndert geſchienen; ſol-
ches bedeutet/ daß ein Egiptiſcher Koͤnig den Juͤng-
ling aus dem gefaͤngnuͤſſe loß/ und gleichſam zum Koͤ-
nige
in Egipten machen werde. Dan der Krokodil
iſt der Egiptiſchen Koͤnige ſinbild: welche ſich auch
ſelbſt Faraonen/ das iſt Krokodillen/ zu nennen
pflegen.

In dem ihrigen bedeutet der fremde Vogel/ der
wie ein Habicht ausſahe/ eben auch einen Juͤng-
ling/
der fremde oder auslaͤndiſch/ und ſchoͤn/ auch

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[87/0111] zweites Buch. ſonſt vor einen fehler ſchaͤtze/ zu verharren. Ja was wil ich ſagen? Das gebot der koͤniglichen Fuͤrſtin iſt mein ſpohren. Und ſo mus ich/ ob ich ſchon ſonſten nicht wolte. Hier ſteht der befehl. Dem mus ſich mein wil- le unterwerfen. Kan ich nicht taͤhtig/ ſo mus ich doch willig gehorchen. Und dieſer ſo willige gehorſam wird die verwegenheit meiner taht entſchuldigen: ja ſelbſt der koͤnigliche befehl meinen fehler bedekken. Wan es ihr dan beliebt/ ſo laße ſie mich vernehmen/ was ſie ge- treumet. Hierauf erzehlete die Kammerjungfrau ihre Treu- me/ wie es ihr die Fuͤrſtin befohlen. So bald ſie aus- geredet/ fing Joſef an. Beide Treume/ ſprach er/ ſeind einerlei/ wie ſie ſagt: und daher uͤm ſo viel leichter aus zu legen. Dan einer erklaͤhret den andern. Auch was dem andern fehlet/ ergaͤntzet der andere. Der ſchoͤne junge Stier/ bedeutet einen ſchoͤnen Juͤngling: das junge Faͤhrſichen/ eine ſehr zahrte Jungfrau/ die noch nicht volkoͤmlich erwachſen: die Hindin/ eine ſchoͤne hurtige Frau. Dieſe Frau wird in den Juͤng- ling ſich verlieben. Sie wird ihn ſtraͤhlen; aber er wird ſie nicht achten. Und weil er ihr keine gegenliebe bezei- get; wird ſie ihn/ aus zorne/ verfolgen/ ja gar ins ge- faͤngnuͤs bringen. Daß aber ein Krokodil den Stier aus dem fuͤnſteren loche erloͤſet/ und der Stier darnach ſelbſt als in einen Krokodil veraͤndert geſchienen; ſol- ches bedeutet/ daß ein Egiptiſcher Koͤnig den Juͤng- ling aus dem gefaͤngnuͤſſe loß/ und gleichſam zum Koͤ- nige in Egipten machen werde. Dan der Krokodil iſt der Egiptiſchen Koͤnige ſinbild: welche ſich auch ſelbſt Faraonen/ das iſt Krokodillen/ zu nennen pflegen. In dem ihrigen bedeutet der fremde Vogel/ der wie ein Habicht ausſahe/ eben auch einen Juͤng- ling/ der fremde oder auslaͤndiſch/ und ſchoͤn/ auch ei- F iiij

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/111>, abgerufen am 21.12.2024.