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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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zweites Buch.
waren nicht zu zehlen: die seuftzet/ die aus seinem
hertzen stiegen/ noch viel weniger. Die schmertzen/ die er
fühlete/ konte keine feder beschreiben. Keine zunge war
so beredt/ seine hertzensangst aus zu drükken. In sol-
cher eusersten betrübnüs brachte er die gantze nacht zu.
Ja vor großem wehleiden verfluchte er auch seine Brü-
der. Er schalt das verhängnüs. Er murrete wider
das gestirne/ ja endlich gar wider Gott selbsten.
Und in solchen halbunsinnigen gemühtsbewegungen
kahm er zu seinen Brüdern/ eben als die dunkele nacht
der liechten morgenröhte gewichen.

Hatte Ruben zuvor aus wehleiden gefluchet/ so
donnerte er itzund aus übermäßigem zorne. Eine iede
rede war ein donnerschlag: ein iedes wort ein donner-
keul. Seine augen wetterleuchteten. Ihre blikke blitz-
ten/ und schossen feurige strahlen. Mit lauter donner-
schlägen öfnete sich sein mund. Mit eitel donnerkeulen
bewegte sich seine zunge. Seine stimme brummete
und summete. Ihr nachklang knasterte und prasselte.
Sein ahtemwind stürmete so gewaltig/ daß er alles
gleichsam zerschmetterte. Und seine sprache brach mit
solchem greulichen gekrache heraus/ daß alles darvor er-
zitterte. Durch ein solches unwetter sprach er seine
brüder an. Durch ein solches donnerwetter gab er ih-
nen den morgengrus. Ihr Brudermörder! sagte er/
welcher Teufel hat euch getrieben euren Bruder zu er-
morden? Welcher höllische geist hat eure faust beweget/
an der Unschuld selbsten einen mord zu begehen? Wel-
cher Engel der fünsternüs hat euch so verblendet/ dem
das tagelicht zu rauben/ den der Himmel zu eurer Son-
ne bestimmet? Welches Gespänste des abgrundes hat
euch so bezaubert/ dem das leben zu nehmen/ den das
gestirne zum erhalter des eurigen erkohren? Welche
Unholdin aus dem höllischen giftpfuhle hat euer hertz
so vergiftet/ dem lieb- und hold-seeligen Josef/ durch

das

zweites Buch.
waren nicht zu zehlen: die ſeuftzet/ die aus ſeinem
hertzen ſtiegen/ noch viel weniger. Die ſchmertzen/ die er
fuͤhlete/ konte keine feder beſchreiben. Keine zunge war
ſo beredt/ ſeine hertzensangſt aus zu druͤkken. In ſol-
cher euſerſten betruͤbnuͤs brachte er die gantze nacht zu.
Ja vor großem wehleiden verfluchte er auch ſeine Bruͤ-
der. Er ſchalt das verhaͤngnuͤs. Er murrete wider
das geſtirne/ ja endlich gar wider Gott ſelbſten.
Und in ſolchen halbunſinnigen gemuͤhtsbewegungen
kahm er zu ſeinen Bruͤdern/ eben als die dunkele nacht
der liechten morgenroͤhte gewichen.

Hatte Ruben zuvor aus wehleiden gefluchet/ ſo
donnerte er itzund aus uͤbermaͤßigem zorne. Eine iede
rede war ein donnerſchlag: ein iedes wort ein donner-
keul. Seine augen wetterleuchteten. Ihre blikke blitz-
ten/ und ſchoſſen feurige ſtrahlen. Mit lauter donner-
ſchlaͤgen oͤfnete ſich ſein mund. Mit eitel donnerkeulen
bewegte ſich ſeine zunge. Seine ſtimme brummete
und ſummete. Ihr nachklang knaſterte und praſſelte.
Sein ahtemwind ſtuͤrmete ſo gewaltig/ daß er alles
gleichſam zerſchmetterte. Und ſeine ſprache brach mit
ſolchem greulichen gekrache heraus/ daß alles darvor er-
zitterte. Durch ein ſolches unwetter ſprach er ſeine
bruͤder an. Durch ein ſolches donnerwetter gab er ih-
nen den morgengrus. Ihr Brudermoͤrder! ſagte er/
welcher Teufel hat euch getrieben euren Bruder zu er-
morden? Welcher hoͤlliſche geiſt hat eure fauſt beweget/
an der Unſchuld ſelbſten einen mord zu begehen? Wel-
cher Engel der fuͤnſternuͤs hat euch ſo verblendet/ dem
das tagelicht zu rauben/ den der Himmel zu eurer Son-
ne beſtimmet? Welches Geſpaͤnſte des abgrundes hat
euch ſo bezaubert/ dem das leben zu nehmen/ den das
geſtirne zum erhalter des eurigen erkohren? Welche
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[77/0101] zweites Buch. waren nicht zu zehlen: die ſeuftzet/ die aus ſeinem hertzen ſtiegen/ noch viel weniger. Die ſchmertzen/ die er fuͤhlete/ konte keine feder beſchreiben. Keine zunge war ſo beredt/ ſeine hertzensangſt aus zu druͤkken. In ſol- cher euſerſten betruͤbnuͤs brachte er die gantze nacht zu. Ja vor großem wehleiden verfluchte er auch ſeine Bruͤ- der. Er ſchalt das verhaͤngnuͤs. Er murrete wider das geſtirne/ ja endlich gar wider Gott ſelbſten. Und in ſolchen halbunſinnigen gemuͤhtsbewegungen kahm er zu ſeinen Bruͤdern/ eben als die dunkele nacht der liechten morgenroͤhte gewichen. Hatte Ruben zuvor aus wehleiden gefluchet/ ſo donnerte er itzund aus uͤbermaͤßigem zorne. Eine iede rede war ein donnerſchlag: ein iedes wort ein donner- keul. Seine augen wetterleuchteten. Ihre blikke blitz- ten/ und ſchoſſen feurige ſtrahlen. Mit lauter donner- ſchlaͤgen oͤfnete ſich ſein mund. Mit eitel donnerkeulen bewegte ſich ſeine zunge. Seine ſtimme brummete und ſummete. Ihr nachklang knaſterte und praſſelte. Sein ahtemwind ſtuͤrmete ſo gewaltig/ daß er alles gleichſam zerſchmetterte. Und ſeine ſprache brach mit ſolchem greulichen gekrache heraus/ daß alles darvor er- zitterte. Durch ein ſolches unwetter ſprach er ſeine bruͤder an. Durch ein ſolches donnerwetter gab er ih- nen den morgengrus. Ihr Brudermoͤrder! ſagte er/ welcher Teufel hat euch getrieben euren Bruder zu er- morden? Welcher hoͤlliſche geiſt hat eure fauſt beweget/ an der Unſchuld ſelbſten einen mord zu begehen? Wel- cher Engel der fuͤnſternuͤs hat euch ſo verblendet/ dem das tagelicht zu rauben/ den der Himmel zu eurer Son- ne beſtimmet? Welches Geſpaͤnſte des abgrundes hat euch ſo bezaubert/ dem das leben zu nehmen/ den das geſtirne zum erhalter des eurigen erkohren? Welche Unholdin aus dem hoͤlliſchen giftpfuhle hat euer hertz ſo vergiftet/ dem lieb- und hold-ſeeligen Joſef/ durch das

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/101>, abgerufen am 29.11.2024.