Zeller, Eduard: Über Bedeutung und Aufgabe der Erkenntniss-Theorie. Ein akademischer Vortrag. Heidelberg, 1862.zu erkennen, wenn uns die Dinge doch immer nur in zu erkennen, wenn uns die Dinge doch immer nur in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0028" n="24"/> zu erkennen, wenn uns die Dinge doch immer nur in<lb/> den subjektiven Vorstellungsformen gegeben sind? Kant<lb/> antwortet, es sei unmöglich, und diese Unmöglichkeit<lb/> scheint ihm so einleuchtend, dass er gar keinen weiteren<lb/> Beweis dafür nöthig findet. Eben hier liegt aber der<lb/> Grundfehler des kantischen Kriticismus, der verhäng¬<lb/> nissvolle Schritt zu jenem Idealismus, der sich sofort bei<lb/> Fichte in so schroffer Einseitigkeit entwickeln sollte.<lb/> Wir fassen die Dinge nur unter den subjektiven Vor¬<lb/> stellungsformen auf, aber folgt daraus, dass wir sie nicht<lb/> so auffassen, wie sie an sich sind? Ist nicht auch der<lb/> andere Fall denkbar, dass unsere Vorstellungsformen<lb/> von Natur darauf angelegt sind, uns eine richtige An¬<lb/> sicht der Dinge möglich zu machen? Ja, muss uns diess<lb/> nicht zum Voraus ungleich wahrscheinlicher sein, wenn<lb/> wir erwägen, dass es Ein Naturganzes ist, dem die Dinge<lb/> und wir selbst angehören, Eine Naturordnung, aus der<lb/> die objektiven Vorgänge und unsere Vorstellungen von<lb/> diesen Vorgängen entspringen? Oder wenn wir der Sache<lb/> selbst näher treten wollen: es sind uns in der Erfahrung<lb/> zunächst allerdings immer nur Erscheinungen gegeben.<lb/> Vorgänge in unserem Bewusstsein, in denen die Wir¬<lb/> kungen der äusseren Eindrücke und die Wirkungen un¬<lb/> serer eigenen Vorstellungsthätigkeit ungeschieden ver¬<lb/> schmolzen sind. Beide Elemente mit Sicherheit zu unter¬<lb/> scheiden, ist unmöglich, so lange wir irgend eine einzelne<lb/> Erscheinung für sich nehmen, weil sie uns eben nur als<lb/> diese Einheit beider gegeben ist, und an keinem Punkte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [24/0028]
zu erkennen, wenn uns die Dinge doch immer nur in
den subjektiven Vorstellungsformen gegeben sind? Kant
antwortet, es sei unmöglich, und diese Unmöglichkeit
scheint ihm so einleuchtend, dass er gar keinen weiteren
Beweis dafür nöthig findet. Eben hier liegt aber der
Grundfehler des kantischen Kriticismus, der verhäng¬
nissvolle Schritt zu jenem Idealismus, der sich sofort bei
Fichte in so schroffer Einseitigkeit entwickeln sollte.
Wir fassen die Dinge nur unter den subjektiven Vor¬
stellungsformen auf, aber folgt daraus, dass wir sie nicht
so auffassen, wie sie an sich sind? Ist nicht auch der
andere Fall denkbar, dass unsere Vorstellungsformen
von Natur darauf angelegt sind, uns eine richtige An¬
sicht der Dinge möglich zu machen? Ja, muss uns diess
nicht zum Voraus ungleich wahrscheinlicher sein, wenn
wir erwägen, dass es Ein Naturganzes ist, dem die Dinge
und wir selbst angehören, Eine Naturordnung, aus der
die objektiven Vorgänge und unsere Vorstellungen von
diesen Vorgängen entspringen? Oder wenn wir der Sache
selbst näher treten wollen: es sind uns in der Erfahrung
zunächst allerdings immer nur Erscheinungen gegeben.
Vorgänge in unserem Bewusstsein, in denen die Wir¬
kungen der äusseren Eindrücke und die Wirkungen un¬
serer eigenen Vorstellungsthätigkeit ungeschieden ver¬
schmolzen sind. Beide Elemente mit Sicherheit zu unter¬
scheiden, ist unmöglich, so lange wir irgend eine einzelne
Erscheinung für sich nehmen, weil sie uns eben nur als
diese Einheit beider gegeben ist, und an keinem Punkte
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