Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zeller, Eduard: Über Bedeutung und Aufgabe der Erkenntniss-Theorie. Ein akademischer Vortrag. Heidelberg, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

in der Empfindung, wie Kant sagt, nur ein ungeordneter
Stoff gegeben sei, und alle Form ausschliesslich aus uns
selbst stamme; denn die äusseren Eindrücke müssen uns
als diese bestimmten nothwendig auch in einer bestimm¬
ten Form und Ordnung gegeben sein. Aber da die Auf¬
fassung und Verknüpfung dieses Gegebenen doch immer
durch die Natur unseres Vorstellens bedingt ist, so wird
die Wahrheit der kantischen Bestimmungen durch diesen
Verstoss nicht erheblich beeinträchtigt. Das Wesentliche
bleibt immer der Satz, dass alle unsere Vorstellungen
ohne Ausnahme und auf allen Stufen ihrer Entwicklung
das zusammengesetzte Erzeugniss aus zwei Quellen, dem
objektiven Eindruck und der subjektiven Vorstellungs¬
thätigkeit, sind. In welcher Weise aber diese zwei Ele¬
mente zu ihrer Erzeugung zusammenwirken und welches
die apriorischen Gesetze unseres Vorstellens sind, diess
kann erst im weiteren Verlauf unserer Untersuchung
erörtert werden.

Je unumwundener wir aber anerkennen müssen, dass
in allen unseren Vorstellungen ein subjektives Element
ist, dass sich uns die Dinge in denselben immer nur so
darstellen, wie diess die uns angeborenen Anschauungs-
und Denkformen mit sich bringen, um so unabweisbarer
drängt sich uns auch die Frage nach der Wahrheit der
Vorstellungen auf, welche wir auf diesem Wege gewinnen.
Mag auch unseren Vorstellungen noch so sehr etwas
Objektives zu Grunde liegen, wie ist es möglich, dieses
Objektive in seiner reinen Gestalt, das Ansich der Dinge,

in der Empfindung, wie Kant sagt, nur ein ungeordneter
Stoff gegeben sei, und alle Form ausschliesslich aus uns
selbst stamme; denn die äusseren Eindrücke müssen uns
als diese bestimmten nothwendig auch in einer bestimm¬
ten Form und Ordnung gegeben sein. Aber da die Auf¬
fassung und Verknüpfung dieses Gegebenen doch immer
durch die Natur unseres Vorstellens bedingt ist, so wird
die Wahrheit der kantischen Bestimmungen durch diesen
Verstoss nicht erheblich beeinträchtigt. Das Wesentliche
bleibt immer der Satz, dass alle unsere Vorstellungen
ohne Ausnahme und auf allen Stufen ihrer Entwicklung
das zusammengesetzte Erzeugniss aus zwei Quellen, dem
objektiven Eindruck und der subjektiven Vorstellungs¬
thätigkeit, sind. In welcher Weise aber diese zwei Ele¬
mente zu ihrer Erzeugung zusammenwirken und welches
die apriorischen Gesetze unseres Vorstellens sind, diess
kann erst im weiteren Verlauf unserer Untersuchung
erörtert werden.

Je unumwundener wir aber anerkennen müssen, dass
in allen unseren Vorstellungen ein subjektives Element
ist, dass sich uns die Dinge in denselben immer nur so
darstellen, wie diess die uns angeborenen Anschauungs-
und Denkformen mit sich bringen, um so unabweisbarer
drängt sich uns auch die Frage nach der Wahrheit der
Vorstellungen auf, welche wir auf diesem Wege gewinnen.
Mag auch unseren Vorstellungen noch so sehr etwas
Objektives zu Grunde liegen, wie ist es möglich, dieses
Objektive in seiner reinen Gestalt, das Ansich der Dinge,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0027" n="23"/>
in der Empfindung, wie Kant sagt, nur ein ungeordneter<lb/>
Stoff gegeben sei, und alle Form ausschliesslich aus uns<lb/>
selbst stamme; denn die äusseren Eindrücke müssen uns<lb/>
als diese bestimmten nothwendig auch in einer bestimm¬<lb/>
ten Form und Ordnung gegeben sein. Aber da die Auf¬<lb/>
fassung und Verknüpfung dieses Gegebenen doch immer<lb/>
durch die Natur unseres Vorstellens bedingt ist, so wird<lb/>
die Wahrheit der kantischen Bestimmungen durch diesen<lb/>
Verstoss nicht erheblich beeinträchtigt. Das Wesentliche<lb/>
bleibt immer der Satz, dass alle unsere Vorstellungen<lb/>
ohne Ausnahme und auf allen Stufen ihrer Entwicklung<lb/>
das zusammengesetzte Erzeugniss aus zwei Quellen, dem<lb/>
objektiven Eindruck und der subjektiven Vorstellungs¬<lb/>
thätigkeit, sind. In welcher Weise aber diese zwei Ele¬<lb/>
mente zu ihrer Erzeugung zusammenwirken und welches<lb/>
die apriorischen Gesetze unseres Vorstellens sind, diess<lb/>
kann erst im weiteren Verlauf unserer Untersuchung<lb/>
erörtert werden.</p><lb/>
        <p>Je unumwundener wir aber anerkennen müssen, dass<lb/>
in allen unseren Vorstellungen ein subjektives Element<lb/>
ist, dass sich uns die Dinge in denselben immer nur so<lb/>
darstellen, wie diess die uns angeborenen Anschauungs-<lb/>
und Denkformen mit sich bringen, um so unabweisbarer<lb/>
drängt sich uns auch die Frage nach der Wahrheit der<lb/>
Vorstellungen auf, welche wir auf diesem Wege gewinnen.<lb/>
Mag auch unseren Vorstellungen noch so sehr etwas<lb/>
Objektives zu Grunde liegen, wie ist es möglich, dieses<lb/>
Objektive in seiner reinen Gestalt, das Ansich der Dinge,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0027] in der Empfindung, wie Kant sagt, nur ein ungeordneter Stoff gegeben sei, und alle Form ausschliesslich aus uns selbst stamme; denn die äusseren Eindrücke müssen uns als diese bestimmten nothwendig auch in einer bestimm¬ ten Form und Ordnung gegeben sein. Aber da die Auf¬ fassung und Verknüpfung dieses Gegebenen doch immer durch die Natur unseres Vorstellens bedingt ist, so wird die Wahrheit der kantischen Bestimmungen durch diesen Verstoss nicht erheblich beeinträchtigt. Das Wesentliche bleibt immer der Satz, dass alle unsere Vorstellungen ohne Ausnahme und auf allen Stufen ihrer Entwicklung das zusammengesetzte Erzeugniss aus zwei Quellen, dem objektiven Eindruck und der subjektiven Vorstellungs¬ thätigkeit, sind. In welcher Weise aber diese zwei Ele¬ mente zu ihrer Erzeugung zusammenwirken und welches die apriorischen Gesetze unseres Vorstellens sind, diess kann erst im weiteren Verlauf unserer Untersuchung erörtert werden. Je unumwundener wir aber anerkennen müssen, dass in allen unseren Vorstellungen ein subjektives Element ist, dass sich uns die Dinge in denselben immer nur so darstellen, wie diess die uns angeborenen Anschauungs- und Denkformen mit sich bringen, um so unabweisbarer drängt sich uns auch die Frage nach der Wahrheit der Vorstellungen auf, welche wir auf diesem Wege gewinnen. Mag auch unseren Vorstellungen noch so sehr etwas Objektives zu Grunde liegen, wie ist es möglich, dieses Objektive in seiner reinen Gestalt, das Ansich der Dinge,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zeller_erkenntnistheorie_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zeller_erkenntnistheorie_1862/27
Zitationshilfe: Zeller, Eduard: Über Bedeutung und Aufgabe der Erkenntniss-Theorie. Ein akademischer Vortrag. Heidelberg, 1862, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zeller_erkenntnistheorie_1862/27>, abgerufen am 21.11.2024.