Zeller, Eduard: Über Bedeutung und Aufgabe der Erkenntniss-Theorie. Ein akademischer Vortrag. Heidelberg, 1862.zung naturgemäss nur in der Erfahrung finden konnte; Kant's unsterbliches Verdienst ist es, dass er die zung naturgemäss nur in der Erfahrung finden konnte; Kant’s unsterbliches Verdienst ist es, dass er die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0017" n="13"/> zung naturgemäss nur in der Erfahrung finden konnte;<lb/> und ähnlich lag für die französischen Aufklärer, und vor<lb/> Allem für <hi rendition="#g">Rousseau</hi>, der letzte Maasstab der Wahrheit<lb/> in gewissen praktischen Ueberzeugungen, die ihnen vor<lb/> jeder wissenschaftlichen Untersuchung als unerlässliches<lb/> Ergebniss zum Voraus feststanden.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Kant’s</hi> unsterbliches Verdienst ist es, dass er die<lb/> Philosophie aus diesem Dogmatismus herausgeführt, die<lb/> Frage nach dem Ursprung und der Wahrheit unserer<lb/> Vorstellungen nicht blos auf’s Neue in Fluss gebracht,<lb/> sondern sie auch gründlicher und umfassender, als irgend<lb/> einer von seinen Vorgängern, gelöst hat. Die letzteren<lb/> hatten unsere Vorstellungen einseitig <hi rendition="#g">entweder</hi> aus<lb/> der Erfahrung <hi rendition="#g">oder</hi> aus unserem eigenen Geist abge¬<lb/> leitet. Kant erkennt, dass sie sowohl aus der einen<lb/> als aus der andern von diesen Quellen entspringen; und<lb/> er behauptet diess nicht in dem eklektischen Sinn, als ob<lb/> ein Theil derselben empirischen, ein anderer Theil apri¬<lb/> orischen Ursprungs wäre; sondern seine Meinung ist die,<lb/> dass es keine einzige Vorstellung gebe, in der nicht beide<lb/> Elemente vereinigt seien. Alle erhalten ihren Inhalt,<lb/> wie Kant annimmt, aus der Empfindung; aber allen,<lb/> ohne Ausnahme, auch denen, worin wir uns scheinbar<lb/> nur aufnehmend verhalten, wird ihre Form durch uns<lb/> selbst gegeben; unser eigener Geist ist es, der den Stoff,<lb/> welchen die Empfindung ihm darbietet, nach den ihm<lb/> inwohnenden Gesetzen zu Anschauungen und Begriffen<lb/> verknüpft. Kant giebt also zugleich dem Empirismus<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [13/0017]
zung naturgemäss nur in der Erfahrung finden konnte;
und ähnlich lag für die französischen Aufklärer, und vor
Allem für Rousseau, der letzte Maasstab der Wahrheit
in gewissen praktischen Ueberzeugungen, die ihnen vor
jeder wissenschaftlichen Untersuchung als unerlässliches
Ergebniss zum Voraus feststanden.
Kant’s unsterbliches Verdienst ist es, dass er die
Philosophie aus diesem Dogmatismus herausgeführt, die
Frage nach dem Ursprung und der Wahrheit unserer
Vorstellungen nicht blos auf’s Neue in Fluss gebracht,
sondern sie auch gründlicher und umfassender, als irgend
einer von seinen Vorgängern, gelöst hat. Die letzteren
hatten unsere Vorstellungen einseitig entweder aus
der Erfahrung oder aus unserem eigenen Geist abge¬
leitet. Kant erkennt, dass sie sowohl aus der einen
als aus der andern von diesen Quellen entspringen; und
er behauptet diess nicht in dem eklektischen Sinn, als ob
ein Theil derselben empirischen, ein anderer Theil apri¬
orischen Ursprungs wäre; sondern seine Meinung ist die,
dass es keine einzige Vorstellung gebe, in der nicht beide
Elemente vereinigt seien. Alle erhalten ihren Inhalt,
wie Kant annimmt, aus der Empfindung; aber allen,
ohne Ausnahme, auch denen, worin wir uns scheinbar
nur aufnehmend verhalten, wird ihre Form durch uns
selbst gegeben; unser eigener Geist ist es, der den Stoff,
welchen die Empfindung ihm darbietet, nach den ihm
inwohnenden Gesetzen zu Anschauungen und Begriffen
verknüpft. Kant giebt also zugleich dem Empirismus
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