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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].

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Der Morgen.
Er bemüht sich umsonst, den Aufruhr des wallenden
Blutes

Zu besänftgen, und trinkt umsonst die kühlende Quelle;
Schon entflammt ihn ein schleichendes Gift. Am zier-
lichen Nachttisch

Sitzt, beschäftigt im Putz, die halb noch träumende
Schöne,

Ernstlich ist sie bemüht, auf ihren verblühenden Wan-
gen

Künstliche Rosen zu schaffen; wohlriechende Wasser
verduften

Rund um sie her. Sie senket sich ganz in den silbernen
Spiegel

Und Stillschweigen herrschet um sie, wofern sie nicht
etwan

Jhrer Gehülfin Lehren ertheilt, hier Muschen zu le-
gen,

Oder dort höher empor die schimmernde Blume zu
pflanzen.

Noch ist ihr Angesicht leer von allen erobernden Mi-
nen,

Die ein finsterer Ernst, und Tiefsinn im Putze ver/
schlungen.

Aber wie heitert es plötzlich sich auf! Ein prächtiger
Stutzer

Flattert herein ins Gemach, und küßt mit wildem Ent-
zücken

Jhre verzärtelte Hand, kaum von der Salbe getrocknet,

Die
C 2

Der Morgen.
Er bemuͤht ſich umſonſt, den Aufruhr des wallenden
Blutes

Zu beſaͤnftgen, und trinkt umſonſt die kuͤhlende Quelle;
Schon entflammt ihn ein ſchleichendes Gift. Am zier-
lichen Nachttiſch

Sitzt, beſchaͤftigt im Putz, die halb noch traͤumende
Schoͤne,

Ernſtlich iſt ſie bemuͤht, auf ihren verbluͤhenden Wan-
gen

Kuͤnſtliche Roſen zu ſchaffen; wohlriechende Waſſer
verduften

Rund um ſie her. Sie ſenket ſich ganz in den ſilbernen
Spiegel

Und Stillſchweigen herrſchet um ſie, wofern ſie nicht
etwan

Jhrer Gehuͤlfin Lehren ertheilt, hier Muſchen zu le-
gen,

Oder dort hoͤher empor die ſchimmernde Blume zu
pflanzen.

Noch iſt ihr Angeſicht leer von allen erobernden Mi-
nen,

Die ein finſterer Ernſt, und Tiefſinn im Putze ver/
ſchlungen.

Aber wie heitert es ploͤtzlich ſich auf! Ein praͤchtiger
Stutzer

Flattert herein ins Gemach, und kuͤßt mit wildem Ent-
zuͤcken

Jhre verzaͤrtelte Hand, kaum von der Salbe getrocknet,

Die
C 2
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[35/0043] Der Morgen. Er bemuͤht ſich umſonſt, den Aufruhr des wallenden Blutes Zu beſaͤnftgen, und trinkt umſonſt die kuͤhlende Quelle; Schon entflammt ihn ein ſchleichendes Gift. Am zier- lichen Nachttiſch Sitzt, beſchaͤftigt im Putz, die halb noch traͤumende Schoͤne, Ernſtlich iſt ſie bemuͤht, auf ihren verbluͤhenden Wan- gen Kuͤnſtliche Roſen zu ſchaffen; wohlriechende Waſſer verduften Rund um ſie her. Sie ſenket ſich ganz in den ſilbernen Spiegel Und Stillſchweigen herrſchet um ſie, wofern ſie nicht etwan Jhrer Gehuͤlfin Lehren ertheilt, hier Muſchen zu le- gen, Oder dort hoͤher empor die ſchimmernde Blume zu pflanzen. Noch iſt ihr Angeſicht leer von allen erobernden Mi- nen, Die ein finſterer Ernſt, und Tiefſinn im Putze ver/ ſchlungen. Aber wie heitert es ploͤtzlich ſich auf! Ein praͤchtiger Stutzer Flattert herein ins Gemach, und kuͤßt mit wildem Ent- zuͤcken Jhre verzaͤrtelte Hand, kaum von der Salbe getrocknet, Die C 2

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/43>, abgerufen am 18.12.2024.