Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].

Bild:
<< vorherige Seite

Der Morgen.
Und im rinnenden Blut die himmlische Schönheit sich
baden?

Jhre Thränen verdienen zu sehr die Verschonung des
Anblicks

Eines ängstlich sterbenden Thiers! O gebt sie dem Jüng-
ling

Jn den liebenden Arm mit unverdorbenem Herzen!
Welche Sanftmuth wird einst, von zärtlichem Mitleid
erhöhet,

Die gleichfühlende Brust ihr ähnlicher Kinder beleben!

Jetzo nahn sich die Pferde der Sonne den Krei-
sen des Mittags,

Und der Höfling erwacht, und die Dame. Von ge-
strigen Festen

Ganz noch berauscht, erheben sie sich, und taumeln er-
mattet,

Unbekümmert, wie lange bereits der Morgen gestralet,
An die Tafel, wo sie der Levante Getränke beseelet.
Unmuth folget ihr nach; und fibrische Todtenblässe
Decket die Wangen, von denen zu bald ihr Frühling
geflohen.

Kopfweh, vom Weine gezeugt, schwebt über dem mür-
rischen Jüngling,

Und peitscht seine schwellenden Schläfe mit grimmigen
Geisseln.

Er

Der Morgen.
Und im rinnenden Blut die himmliſche Schoͤnheit ſich
baden?

Jhre Thraͤnen verdienen zu ſehr die Verſchonung des
Anblicks

Eines aͤngſtlich ſterbenden Thiers! O gebt ſie dem Juͤng-
ling

Jn den liebenden Arm mit unverdorbenem Herzen!
Welche Sanftmuth wird einſt, von zaͤrtlichem Mitleid
erhoͤhet,

Die gleichfuͤhlende Bruſt ihr aͤhnlicher Kinder beleben!

Jetzo nahn ſich die Pferde der Sonne den Krei-
ſen des Mittags,

Und der Hoͤfling erwacht, und die Dame. Von ge-
ſtrigen Feſten

Ganz noch berauſcht, erheben ſie ſich, und taumeln er-
mattet,

Unbekuͤmmert, wie lange bereits der Morgen geſtralet,
An die Tafel, wo ſie der Levante Getraͤnke beſeelet.
Unmuth folget ihr nach; und fibriſche Todtenblaͤſſe
Decket die Wangen, von denen zu bald ihr Fruͤhling
geflohen.

Kopfweh, vom Weine gezeugt, ſchwebt uͤber dem muͤr-
riſchen Juͤngling,

Und peitſcht ſeine ſchwellenden Schlaͤfe mit grimmigen
Geiſſeln.

Er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg>
          <pb facs="#f0042" n="34"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Morgen.</hi> </fw><lb/>
          <l>Und im rinnenden Blut die himmli&#x017F;che Scho&#x0364;nheit &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#et">baden?</hi></l><lb/>
          <l>Jhre Thra&#x0364;nen verdienen zu &#x017F;ehr die Ver&#x017F;chonung des<lb/><hi rendition="#et">Anblicks</hi></l><lb/>
          <l>Eines a&#x0364;ng&#x017F;tlich &#x017F;terbenden Thiers! O gebt &#x017F;ie dem Ju&#x0364;ng-<lb/><hi rendition="#et">ling</hi></l><lb/>
          <l>Jn den liebenden Arm mit unverdorbenem Herzen!</l><lb/>
          <l>Welche Sanftmuth wird ein&#x017F;t, von za&#x0364;rtlichem Mitleid<lb/><hi rendition="#et">erho&#x0364;het,</hi></l><lb/>
          <l>Die gleichfu&#x0364;hlende Bru&#x017F;t ihr a&#x0364;hnlicher Kinder beleben!</l>
        </lg><lb/>
        <lg>
          <l>Jetzo nahn &#x017F;ich die Pferde der Sonne den Krei-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;en des Mittags,</hi></l><lb/>
          <l>Und der Ho&#x0364;fling erwacht, und die Dame. Von ge-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;trigen Fe&#x017F;ten</hi></l><lb/>
          <l>Ganz noch berau&#x017F;cht, erheben &#x017F;ie &#x017F;ich, und taumeln er-<lb/><hi rendition="#et">mattet,</hi></l><lb/>
          <l>Unbeku&#x0364;mmert, wie lange bereits der Morgen ge&#x017F;tralet,</l><lb/>
          <l>An die Tafel, wo &#x017F;ie der Levante Getra&#x0364;nke be&#x017F;eelet.</l><lb/>
          <l>Unmuth folget ihr nach; und fibri&#x017F;che Todtenbla&#x0364;&#x017F;&#x017F;e</l><lb/>
          <l>Decket die Wangen, von denen zu bald ihr Fru&#x0364;hling<lb/><hi rendition="#et">geflohen.</hi></l><lb/>
          <l>Kopfweh, vom Weine gezeugt, &#x017F;chwebt u&#x0364;ber dem mu&#x0364;r-<lb/><hi rendition="#et">ri&#x017F;chen Ju&#x0364;ngling,</hi></l><lb/>
          <l>Und peit&#x017F;cht &#x017F;eine &#x017F;chwellenden Schla&#x0364;fe mit grimmigen<lb/><hi rendition="#et">Gei&#x017F;&#x017F;eln.</hi></l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0042] Der Morgen. Und im rinnenden Blut die himmliſche Schoͤnheit ſich baden? Jhre Thraͤnen verdienen zu ſehr die Verſchonung des Anblicks Eines aͤngſtlich ſterbenden Thiers! O gebt ſie dem Juͤng- ling Jn den liebenden Arm mit unverdorbenem Herzen! Welche Sanftmuth wird einſt, von zaͤrtlichem Mitleid erhoͤhet, Die gleichfuͤhlende Bruſt ihr aͤhnlicher Kinder beleben! Jetzo nahn ſich die Pferde der Sonne den Krei- ſen des Mittags, Und der Hoͤfling erwacht, und die Dame. Von ge- ſtrigen Feſten Ganz noch berauſcht, erheben ſie ſich, und taumeln er- mattet, Unbekuͤmmert, wie lange bereits der Morgen geſtralet, An die Tafel, wo ſie der Levante Getraͤnke beſeelet. Unmuth folget ihr nach; und fibriſche Todtenblaͤſſe Decket die Wangen, von denen zu bald ihr Fruͤhling geflohen. Kopfweh, vom Weine gezeugt, ſchwebt uͤber dem muͤr- riſchen Juͤngling, Und peitſcht ſeine ſchwellenden Schlaͤfe mit grimmigen Geiſſeln. Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/42
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/42>, abgerufen am 21.11.2024.