Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].Der Morgen. Selber den nützlichen Stier, der mit geduldiger ArbeitManchen Acker gepflügt, und ihn mit Erndten geklei- det, Nahm der Landmann, und hat ihn erwürgt, voll Un- dank erwürget! Ja, sogar die Bewohner des Waldes hat weder die Wildniß, Noch die schüchterne Flucht, vor blutigem Tode gesi- chert. Den leichtsüßigen Hirsch, mit stolzem Geweyhe gekrö- net, Hat die Kugel ereilt, und von den Felsen gestürzet. Selbst am zärtlichen Reh tropft noch die blutende Wunde, Welche das wütende Bley in seine Seite geschlagen. Was für Mengen von herrlichen Früchten ver- schüttet das Jahr nicht! Und doch konte der Mensch zur Nahrung von Blut sich gewöhnen, Zum Tyrannen der Thiere sich würgen, und reine Ge- richte, Nicht mit Blute befleckt, verschmähn! Jndem ihn die Erde Ueberflüßig versorgt mit paradiesischer Nahrung; Mordet er doch, und mordet zur Lust! Verderbte Lu- kulle, Da
Der Morgen. Selber den nuͤtzlichen Stier, der mit geduldiger ArbeitManchen Acker gepfluͤgt, und ihn mit Erndten geklei- det, Nahm der Landmann, und hat ihn erwuͤrgt, voll Un- dank erwuͤrget! Ja, ſogar die Bewohner des Waldes hat weder die Wildniß, Noch die ſchuͤchterne Flucht, vor blutigem Tode geſi- chert. Den leichtſuͤßigen Hirſch, mit ſtolzem Geweyhe gekroͤ- net, Hat die Kugel ereilt, und von den Felſen geſtuͤrzet. Selbſt am zaͤrtlichen Reh tropft noch die blutende Wunde, Welche das wuͤtende Bley in ſeine Seite geſchlagen. Was fuͤr Mengen von herrlichen Fruͤchten ver- ſchuͤttet das Jahr nicht! Und doch konte der Menſch zur Nahrung von Blut ſich gewoͤhnen, Zum Tyrannen der Thiere ſich wuͤrgen, und reine Ge- richte, Nicht mit Blute befleckt, verſchmaͤhn! Jndem ihn die Erde Ueberfluͤßig verſorgt mit paradieſiſcher Nahrung; Mordet er doch, und mordet zur Luſt! Verderbte Lu- kulle, Da
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Der Morgen.
Selber den nuͤtzlichen Stier, der mit geduldiger Arbeit
Manchen Acker gepfluͤgt, und ihn mit Erndten geklei-
det,
Nahm der Landmann, und hat ihn erwuͤrgt, voll Un-
dank erwuͤrget!
Ja, ſogar die Bewohner des Waldes hat weder die
Wildniß,
Noch die ſchuͤchterne Flucht, vor blutigem Tode geſi-
chert.
Den leichtſuͤßigen Hirſch, mit ſtolzem Geweyhe gekroͤ-
net,
Hat die Kugel ereilt, und von den Felſen geſtuͤrzet.
Selbſt am zaͤrtlichen Reh tropft noch die blutende
Wunde,
Welche das wuͤtende Bley in ſeine Seite geſchlagen.
Was fuͤr Mengen von herrlichen Fruͤchten ver-
ſchuͤttet das Jahr nicht!
Und doch konte der Menſch zur Nahrung von Blut ſich
gewoͤhnen,
Zum Tyrannen der Thiere ſich wuͤrgen, und reine Ge-
richte,
Nicht mit Blute befleckt, verſchmaͤhn! Jndem ihn
die Erde
Ueberfluͤßig verſorgt mit paradieſiſcher Nahrung;
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Zitationshilfe: | Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/40>, abgerufen am 16.07.2024. |